Verweis auf MDK-Gutachten genüge zur Begründung der Aufrechnung – Kann die spezifische Lokalisation eines Tumors nicht nachgewiesen werden, trägt das Krankenhaus die Folgen der Nichterweislichkeit
S 29 KR 776/18 | Sozialgericht Detmold, Urteil vom 06.01.2022
Die Aufrechnung der Krankenkasse sei formell wirksam, wenn sie gemäß den Regelungen der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV 2014) erfolgt und die Mitteilung des Kostenträgers unter Bezugnahme auf ein MDK-Gutachten die wesentlichen Gründe für die Kürzung der Vergütung darlegt. Kann der primäre Ursprungsort eines Tumors, wie etwa bei einem Sarkom im Grenzbereich von Magen und Zwerchfell, trotz umfassender pathologischer Untersuchung nicht eindeutig bestimmt werden, obliegt dem Krankenhaus die objektive Beweislast für die Richtigkeit der kodierten Hauptdiagnose, die eine spezifische Lokalisation voraussetzt (hier: Magenkarzinom, ICD C16.1). Die Nichterweislichkeit dieser Tatsachen führt zu Lasten des Krankenhauses und berechtigt die Krankenkasse zur Kürzung der Vergütung.
Im Streit zwischen einem Krankenhaus und einer Krankenkasse ging es um die Vergütung einer komplexen Krankenhausbehandlung im Jahre 2022 aufgrund der Kodierung der Hauptdiagnose eines Tumors. Die Krankenkasse hatte nach zunächst vollständiger Zahlung der Rechnung einen Teilbetrag von über 15.000 Euro zurückgefordert und mit weiteren Forderungen verrechnet, nachdem der MDK die Hauptdiagnose als falsch bewertete. Die Klägerin hatte als Hauptdiagnose ein Magenkarzinom (C16.1) kodiert, der MDK hingegen ein Weichteilsarkom des Thorax (C49.3) mit entsprechend niedrigerer DRG angesetzt.
Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger bestätigte, dass der Tumor ein Weichteilsarkom mit unklarer Primärlokalisation sei und weder die Klägerkodierung noch die MDK-Kodierung exakt zutreffend sei. Das Gericht stellte klar, dass das Krankenhaus die Beweislast trägt, den Ursprung des Tumors nachzuweisen, um die von ihm kodierte Hauptdiagnose zu rechtfertigen. Die Klinik konnte trotz umfangreicher pathologischer Untersuchung den primären Tumorursprung nicht sicher belegen. Die Tatsache, dass sich die Haupttumormasse im Magen befand, genüge nicht als Beweis.
Die formelle Aufrechnung der Krankenkasse wurde als zulässig anerkannt, da sie ordnungsgemäß gemäß der Prüfverfahrensvereinbarung erfolgte und die Gründe durch das MDK-Gutachten ausreichend dargelegt waren. Die vom Sachverständigen vertretene Argumentation, die höher bewertete DRG aufgrund der Komplexität der Behandlung sei dennoch gerechtfertigt, wurde vom Gericht verworfen. Die korrekte DRG bemisst sich strikt nach der kodierten Diagnose und den Prozeduren, nicht nach einer nachträglichen „Angemessenheits“-Bewertung.
Folglich wurde die Klage des Krankenhauses auf Auszahlung des Differenzbetrags abgewiesen. Die Krankenkasse durfte die zu viel gezahlte Vergütung aufgrund der nicht nachgewiesenen Hauptdiagnose rechtmäßig zurückfordern.