Mindestmengenprognose: Verfestigte Planungsperspektive für Versorgungsauftrag i.R der Krankenhausplanung kann Prognose stützen und Widerlegung entgegenstehen

S 27 KR 1751/24 KH ER, Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 06.12.2024

Eine Widerlegung der Prognose zur Erreichung der Mindestmenge nach § 4 Abs. 4 Satz 2 Mm-R setzt nicht nur die Nichterfüllung der maßgeblichen Mindestmenge im vorausgegangenen Jahr voraus, sondern auch das Fehlen konkreter, objektiver Umstände, die eine belastbare Prognose für eine Leistungssteigerung stützen. Eine hinreichend verfestigte Aussicht auf einen Versorgungsauftrag im Rahmen der Krankenhausplanung kann eine tragfähige Prognosegrundlage darstellen und der Widerlegung entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall hatte ein Krankenhaus (Antragstellerin) eine Prognose zur Erreichung der Mindestmenge von 75 thoraxchirurgischen Behandlungen des Lungenkarzinoms bei Erwachsenen im Jahr 2025 abgegeben. Die Krankenkassen (Antragsgegnerinnen) stellten im Rahmen des Widerlegungsverfahrens gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 Buchst. a) und b) Mm-R fest, dass die Mindestmengen im Kalenderjahr 2023 (56 Leistungen) sowie im Referenzzeitraum Q3/2023 bis Q2/2024 (55 Leistungen) nicht erreicht wurden, und gingen von einer fehlerhaften Prognose aus. Daher untersagten sie die Leistungserbringung ab dem 01.01.2025.

Die Sozialgerichtskammer erkannte zwar an, dass die Voraussetzungen der beiden Regelbeispiele des § 4 Abs. 4 S. 2 Mm-R formal erfüllt waren. Sie stellte jedoch klar:

Die Nichterreichung der Mindestmenge im Vorjahr allein genügt nicht, um die Prognose zu widerlegen.
Es müssen konkrete, objektive Umstände fehlen, die die Prognose stützen. Liegt hingegen eine tragfähige Grundlage für eine Leistungssteigerung vor, ist die Prognose nicht zu beanstanden.
Wesentliches Argument für die Antragstellerin war die derzeit laufende Krankenhausplanung des Landes Nordrhein-Westfalen. Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) hatte in einem Anhörungsschreiben vom 14.06.2024 eine Zuweisung des Versorgungsauftrags für die Leistungsgruppe 15.1 (Thoraxchirurgie) an die Antragstellerin in Aussicht gestellt – mit dem Hinweis, dass die Mindestmenge mit großer Wahrscheinlichkeit erfüllt werden könne.

„Beim Klinikum … liegt die Antragshöhe unterhalb der Vorgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses. Gleichzeitig liegt ein höheres, tatsächliches Leistungsgeschehen vor […] eine Zuweisung über Antragshöhe ist beabsichtigt.“ (MAGS, 14.06.2024)
Die Kammer bewertete dieses Schreiben – auch wenn der Krankenhausplan noch nicht final beschlossen ist – als verfestigte Prognosegrundlage, welche eine realistische Erwartung einer Leistungssteigerung begründet.

Ein entgegenstehender Widerlegungsbescheid der Krankenkassen unterläuft die Planungshoheit des Landes und könnte – durch das Leistungserbringungsverbot – dazu führen, dass das Krankenhaus faktisch aus dem Versorgungsbereich verdrängt wird, bevor die endgültige Planentscheidung gefallen ist.

Die Kammer ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerlegungsbescheid an. Der Bescheid der Krankenkassen darf somit bis zu einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung nicht vollzogen werden, und das Krankenhaus darf die betreffenden Leistungen weiterhin erbringen.

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