Interview: „Mit Nina Warken als Gesundheitsministerin setzt die Bundesregierung das falsche Signal“
Klaus Emmerich über Reformkontinuität, Landesstillhalten und eine verpasste Chance für das Gesundheitswesen
Rosbach v. d. H., 30.04.2025 – Die geplante schwarz-rote Bundesregierung hat Nina Warken zur neuen Bundesgesundheitsministerin nominiert. Eine Entscheidung, die bei Gesundheitsexperten auf Skepsis stößt. Im exklusiven Interview mit medconweb spricht Klaus Emmerich, Klinikvorstand im Ruhestand und Sprecher der Aktionsgruppe Schluss mit Kliniksterben in Bayern, über die politische Weichenstellung und ihre Folgen für die stationäre Versorgung in Deutschland.
MedConWeb: Herr Emmerich, sind Sie über Nina Warken als Bundesgesundheitsministerin überrascht?
Klaus Emmerich: Ja sehr, mit dieser Wahl hat wohl kaum jemand gerechnet.
MedConWeb: Es gibt eine positive Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Sie hofft auf mehr Dialog! Schließen Sie sich der Einschätzung der Deutschen Krankenhausgesellschaft an?
Klaus Emmerich: Auch ich bin für mehr Dialog im Gesundheitswesen. Da hat Lauterbach einen riesigen Scherbenhaufen und großes gegenseitiges Misstrauen hinterlassen. Ansonsten aber halte ich die Entscheidung der Union für grundlegend falsch.
MedConWeb: Was kritisieren Sie konkret?
Klaus Emmerich: Das Gesundheitswesen und insbesondere die Regelmechanismen für Krankenhäuser sind extrem komplex. Nina Warken ist nicht vom Fach. Sie wird Zeit zur Erlangung von Hintergrundwissen brauchen, das sie faktisch nicht hat. Entsprechend dem Koalitionsvertrag soll sie Lauterbachs komplexe Krankenhausreform mit Leistungsgruppen, Vorhaltevergütung, Fallpauschalen und Strukturmerkmalen modifizieren und zeitnah umsetzen. Es geht immerhin darum, Krankenhäuser von Leistungsangeboten auszuschließen und etliche Krankenhäuser aufgrund fehlender Strukturmerkmalen Strukturmerkmale zu schließen. Das ist – angesichts der Corona-Erfahrungen mit unzureichenden Klinikkapazitäten oder drohender Kriegsgefahren – ohnehin der falsche Weg. Jetzt aber setzt eine Bundesgesundheitsministerin diesen Weg fort, die sich in die Auswirkungen einer grundlegend veränderten Krankenhauslandschaft erst einarbeiten muss. Schlimmer konnte es nicht kommen!
MedConWeb: Was befürchten Sie?
Klaus Emmerich: Lauterbach konnte nie exakte Auswirkungen seiner Krankenhausreform prognostizieren. Jetzt wird die Umsetzung der Krankenhausreform ein Blindflug! Wir dagegen sagen klar: Bis zu 30% der deutschen Krankenhäuser sind nach aktuellem Stand der Krankenhausreform gefährdet. Entscheidend ist die Frage: Wie weit gehen die im Koalitionsvertrag vage formulierten Anpassungen zur Krankenhausreform? Wie umfangreich wird daraus abgeleitet der Klinikkonzentrationsprozesse? Welche Auswirkungen hat dies auf die Erreichbarkeit von Allgemeinkrankenhäusern mit Basisnotfallversorgung binnen 30 Fahrzeitminuten? Wie verändert sich die Struktur der Rettungsdienste bei weiteren Entfernungen vieler Bürger zum nächstgelegenen Krankenhaus? Haben wir nach Vollzug des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes noch ausreichende Vorsorgekapazitäten für Pandemien, Kriegsgefahren und andere Katastrophenfälle? Auf all diese Fragen muss die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken eine Antwort haben!
MedConWeb: Sehen Sie in der Entscheidung der Union ein Signal?
Klaus Emmerich: Ja, die neue Bundesregierung zeigt in erschreckender Weise, wie wenig sie an der Entwicklung der deutschen Krankenhäuser interessiert ist. Immerhin geht es um Gesundheit und Leben der Bevölkerung. Bundespolitisch aber werden die Krankenhäuser stattdesssen „bedeutungslos“ als behandelt.
MedConWeb: Sehen Sie auch positive Auswirkungen?
Klaus Emmerich: Nina Warken ist Juristin. Sie wird die komplexen Kompetenzen zwischen Bund, Bundesländern, kassenärztlicher Vereinigung im Gesundheitswesen, GKKV und PKV klar einschätzen können. Das ist bei Vollzug der geplanten Krankenhausreform extrem wichtig.
MedConWeb: Ihre Erwartungen an Nina Warken?
Klaus Emmerich: Die geplante Krankenhausreform muss endlich verfassungsgemäß umgestaltet werden. Die autonome Krankenhausplanung der Länder muss berücksichtigt werden. Da ist Nina Warken als Juristin an der richtigen Stelle. Ansonsten befürchte ich die Umsetzung der Krankenhausreform und in Folge ein Krankenhaussterben, wie wir es bisher noch nie erlebt haben.