Mindestmengenprognose: Widerlegungsbescheid ohne nachweisbare Anhörung ist formell rechtswidrig
S 14 KR 501/24 ER | Sozialgericht Nürnberg, Urteil vom 24.01.2025
Ein Bescheid, mit dem die Krankenkassenverbände die Mindestmengenprognose eines Krankenhauses widerlegen, ist formell rechtswidrig, wenn eine erforderliche Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X nicht nachweisbar stattgefunden hat. Die Beweislast für den Zugang eines Anhörungsschreibens liegt bei der Behörde (hier: den Krankenkassenverbänden). Eine bloße Sendungsverfolgung eines Postdienstleisters ohne eindeutigen Bezug zum Inhalt und Empfänger der Sendung ist kein ausreichender Nachweis für den Zugang des konkreten Anhörungsschreibens. Die Anhörung ist im Verfahren zur Widerlegung einer Mindestmengenprognose von besonderer Bedeutung, da dem Krankenhaus kein Widerspruchsverfahren zur Verfügung steht und die Klage keine aufschiebende Wirkung hat. Sie dient dazu, dem Krankenhaus Gelegenheit zu geben, Zweifel an seiner Prognose vor Erlass des Bescheids auszuräumen.
Die Klinik wandte sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen Bescheid der Krankenkassenverbände, mit dem die positive Prognose des Hauses widerlegt wurde, die Mindestmenge von 75 Lungenkrebsoperationen ab 2025 zu erreichen. Der Bescheid führte zu einem sofortigen Leistungsverbot, sodass die Operationen nicht mehr durchgeführt oder abgerechnet werden durften. Das zentrale Rechtsproblem war die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids, insbesondere die Einhaltung der Anhörungspflicht nach § 24 SGB X.
Das Krankenhaus habe im Juli 2024 seine Prognose mitgeteilt, die Mindestmenge zu erreichen oder zu übertreffen. Die Krankenkassenverbände behaupteten, das Krankenhaus im August 2024 angehört zu haben und legten eine DHL-Sendungsverfolgung als Nachweis vor. Das Krankenhaus bestritt den Zugang des Schreibens. Im September 2024 wurde die Prognose durch den Widerlegungsbescheid als unzutreffend erklärt, da die Fallzahlsteigerung nicht nachvollziehbar erschien und das Anhörungsschreiben unbeantwortet geblieben sei. Daraufhin erhob das Krankenhaus Anfechtungsklage und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung.
Das Sozialgericht Nürnberg stellte fest, dass die Klage kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat und im Eilverfahren eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. Da der angegriffene Bescheid offensichtlich formell rechtswidrig war, überwog das Interesse des Krankenhauses an der Aussetzung der Vollziehung. Das Gericht betonte, dass der Bescheid massiv in die Rechte des Krankenhauses eingreift und eine vorherige Anhörung zwingend erforderlich ist, insbesondere da kein Widerspruchsverfahren vorgesehen ist. Die Krankenkassenverbände trugen die Beweislast für den Zugang des Anhörungsschreibens, die vorgelegte DHL-Sendungsverfolgung reiche nicht aus, um den Nachweis zu erbringen. Zudem sei die Anhörung nicht entbehrlich, da die Prognose aufgrund von Unplausibilität widerlegt werden sollte und dem Krankenhaus die Gelegenheit gegeben werden müsse, die Prognose zu konkretisieren.
Aufgrund dieser formellen Rechtswidrigkeit ordnete das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage an. Das Krankenhaus durfte die Lungenkrebsoperationen vorläufig weiter durchführen und abrechnen, bis eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache ergeht.






