Bundesverfassungsgericht kippt Triage-Regelung: Keine Bundeskompetenz für § 5c IfSG
Erster Senat erklärt Triage-Gesetz wegen fehlender Zuständigkeit des Bundes für nichtig – Länder sind verantwortlich für diskriminierungssensible Allokationsregeln
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 23. September 2025 (§ 1 BvR 2284/23, 1 BvR 2285/23) die Triage-Regelungen des § 5c Infektionsschutzgesetz (IfSG) für nichtig erklärt. Nach Ansicht der Richterinnen und Richter fehlt dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für diese Bestimmungen. Die Entscheidung fiel mit 6 : 2 Stimmen (Pressemitteilung Nr. 99/2025 vom 4. November 2025).
Die Vorschrift des § 5c IfSG war 2022 eingeführt worden, um die Zuteilung knapper intensivmedizinischer Ressourcen – etwa bei einer Pandemie – gesetzlich zu regeln. Damit reagierte der Gesetzgeber auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2021 (Pressemitteilung Nr. 109/2021), in dem das Gericht festgestellt hatte, dass der Gesetzgeber gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verstoßen habe, weil keine ausreichenden Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderung bei der Triage getroffen worden waren.
Die Beschwerdeführenden – Fachärztinnen und Fachärzte der Notfall- und Intensivmedizin – sahen sich durch § 5c IfSG in ihrer Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Das Gericht folgte dieser Argumentation: Die Regelung greife in die ärztliche Therapiefreiheit ein, da sie festlege, „wer“ behandelt werden dürfe, und nicht das „Wie“ der Behandlung regele.
Das Bundesverfassungsgericht stellte klar, dass der Bund seine Zuständigkeit nicht aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG („Maßnahmen gegen übertragbare Krankheiten“) ableiten könne. Diese Vorschrift erlaube nur Regelungen, die auf Eindämmung oder Vorbeugung einer übertragbaren Krankheit gerichtet sind – nicht jedoch Normen, die lediglich an die Folgen einer Pandemie anknüpfen.
Auch eine Zuständigkeit über die öffentliche Fürsorge, das bürgerliche Recht oder eine Kompetenz kraft Natur der Sache lehnte das Gericht ab. Die Richter betonten, dass die Länder die Verantwortung für Allokationsregeln im Gesundheitswesen tragen, auch wenn eine bundesweite Regelung zweckmäßiger erscheinen möge.
Die Nichtigkeit betrifft nicht nur die Absätze 1 bis 3, sondern auch § 5c Abs. 4 bis 7 IfSG, da diese untrennbar mit der zentralen Zuteilungsentscheidung verbunden seien. Damit existieren derzeit keine bundesrechtlichen Vorgaben für die Zuteilung intensivmedizinischer Kapazitäten in einer Knappheitssituation.
Die Länder müssen nun – so das Gericht – eigene diskriminierungssensible Regelungen schaffen, um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen im Fall einer Triage nicht benachteiligt werden.






