Fallzusammenführung: „Eine individuelle, auf den einzelnen Behandlungsfall bezogene Prüfung der Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots scheidet danach hier grundsätzlich aus“
B 1 KR 10/22 R | Bundessozialgericht, Entscheidung vom 11.05.2023
Das Krankenhaus rechnete die Fallpauschalen DRG G60B und G18C nach der Fallpauschalenvereinbarung 2019 (FPV 2019) korrekt ab. Danach waren insbesondere die Voraussetzungen einer abrechnungstechnisch gebotenen Fallzusammenführung weder wegen Einstufung in dieselbe BasisDRG (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 FPV 2019) noch wegen Wiederaufnahme bei Komplikation (§ 2 Abs 3 Satz 1 FPV 2019) erfüllt. Die Voraussetzungen nach § 2 Abs 2 Satz 1 FPV 2019 führten trotz Eingruppierung der ersten Fallpauschale in die „medizinische Partition“ und der zweiten Fallpauschale in die „operative Partition“ (§ 2 Abs 2 Satz 1 Nr 2 FPV 2019) nicht zur Fallzusammenführung, weil die Ausnahme nach § 2 Abs 2 Satz 2 FPV 2019 eingreift. Hiernach wird eine Zusammenfassung und Neueinstufung nach Satz 1 nicht vorgenommen, wenn einer der Krankenhausaufenthalte mit einer Fallpauschale abgerechnet werden kann, die bei Versorgung in einer Hauptabteilung in Spalte 13 des FallpauschalenKatalogs als „Ausnahme von Wiederaufnahme“ gekennzeichnet ist (vgl hierzu Fußnote 4 des Fallpauschalen-Katalogs 2019).
Der weitere Vergütungsanspruch scheitert nicht daran, dass das Krankenhaus gegen das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat, indem es den Versicherten entlassen hat. Einer Kürzung des Vergütungsanspruchs nach Maßgabe eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens steht in der hier vorliegenden Fallkonstellation seit dem 1.1.2019 grundsätzlich § 8 Abs 5 Satz 3 KHEntgG entgegen. Die Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Zusammenhang mit Entlassungen und Wiederaufnahmen in dasselbe Krankenhaus ist seit dem 1.1.2019 abschließend den Vertragsparteien der FPV zugewiesen; ihnen steht insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der gerichtlichen Prüfung unterliegt nur noch, ob die Vertragsparteien der FPV bei ihrer grundsätzlich abschließenden Regelung von ihrem Gestaltungsspielraum ermächtigungskonform Gebrauch gemacht haben. Die Vertragsparteien der FPV 2019 haben in der hier allein zu beurteilenden Konstellation mit der auf § 2 Abs 2 Satz 2 FPV 2019 gestützten Ausnahme von der Fallzusammenführung nach § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 2 FPV 2019 eine ermächtigungskonforme Regelung getroffen. Eine den abschließenden Charakter der Regelungen immer einschränkende Ausnahme stellt die Missbrauchskontrolle im Einzelfall dar. Sie greift ein, wenn für die Entlassung überhaupt kein nachvollziehbarer sachlicher Grund erkennbar ist und diese offensichtlich allein dazu dient, eine weitere Fallpauschale zu generieren. Dies war hier nicht der Fall […]