UPDATE: CLINOTEL-Faktencheck zum Richtungspapier der Bertelsmann Stiftung et al.

Auch in der zweiten Covid-19-Welle spielen Grundversorger eine wichtige Rolle

Am 24.11.2020 wurde ein „Richtungspapier zu mittel- und langfristigen Lehren“ als „Zwischenbilanz nach der ersten Welle der Corona-Krise 2020“ veröffentlicht (Herausgeber Bertelsmann Stiftung, Institut für Gesundheitssystemforschung, Robert Bosch Stiftung GmbH).

Zwei der vier Autoren sind die Professoren Augurzky und Busse, die als entscheidende Mitglieder des ansonsten paritätisch zwischen Klinik- und Kassenvertretern besetzten Expertenbeirats zu Beratung des Bundesministeriums für Gesundheit fungieren.

Zur Perspektive der Grundversorger führt das Papier aus:
„Die Grundversorger spielen in der Versorgung von COVID-19-Patient:innen nur eine untergeordnete Rolle: Für die Bewältigung der Corona-Krise werden sie – sofern die Schwerpunkt-Krankenhäuser nicht vollkommen überlastet sind – nicht für die von COVID-
19-Patient:innen benötigt, da eine entsprechende qualifizierte Intensivbehandlung bzw. Beatmung bei dieser Erkrankung häufig nicht gewährleistet werden kann.“

Da der CLINOTEL-Geschäftsstelle seitens der Grundversorger-Mitgliedskliniken andere Rückmeldungen zur tatsächlichen Versorgungslage vorlagen, wurden die Fallzahlen der COVID-19 von Januar einschl. Dezember 2020 anhand der bereits vergebenen bzw. seitens der GKV-Spitzenverbandes veröffentlichten prognostischen Notfall-Versorgungsstufen ausgewertet. Danach sind von den CLINOTEL-Mitgliedskliniken 55 Standorte den Notfallstufen 0 und 1 und 33 Standorte den Notfallstufen 2 und 3 zugeordnet. In den Mitgliedshäusern des CLINOTEL-Verbundes werden rd. 6,7 Prozent aller stationären Patienten in Deutschland behandelt, also jeder 15. Patient.

Im Ergebnis lassen sich folgende Kernaussagen ableiten:

  • 35 Prozent aller Patienten wurden in CLINOTEL-Mitgliedskliniken mit Notfallstufe 0 und 1 behandelt
  • 40 Prozent der COVID-19 Patienten wurden in Kliniken mit Notfallstufe 0 und 1 behandelt
  • 37 Prozent der Beatmungsstunden wurden in Kliniken mit Notfallstufe 0 und 1 erbracht

Als Outcome-Parameter wurde die Sterblichkeitsrate der COVID-19 Patienten analysiert, die bei CLINOTEL-Mitgliedskliniken mit Notfallstufe 0 und 1 bei 16,9 Prozent liegt und bei den Versorgern mit den Notfallstufen 2 und 3 bei 17,4 Prozent. Ein Hinweis auf schlechtere der Kliniken mit Notfallstufe 0 und 1 lässt sich daraus nicht ableiten

Der Faktencheck ergibt somit:
Kliniken mit der Notfallstufe 0 und 1 spielen bei der Behandlung der COVID-19 Patienten KEINE untergeordnete Rolle!

Die Patienten selbst und die einweisenden haben sich somit entschieden, die COVID-19 Behandlung von ihrem Grundversorger durchführen zu lassen, Beatmungskapazitäten standen ausreichend zur Verfügung und wurden in gleichem Maße wie von Versorgern mit den Notfallstufen 2 und 3 genutzt.

Diese umfassende Versorgung von COVID-19 Patienten hatte und hat daher auch für die Grundversorger dieselben Auswirkungen auf die Versorgung der übrigen Patienten (Isolierstationen, Ausfall von Personal, Stationsschließungen, temporäre Abmeldung von der Notfallversorgung, Verschiebung planbarer Eingriffe etc.) wie auf die der großen Kliniken.

Dass man nun Grundversorgern den Rettungsschirm für die zweite Pandemiewelle deutlich nachrangig zu den Kliniken der 2 und 3 zubilligt, könnte mit dem – nachweislich praxisfernen – Bild der Grundversorger zur Versorgung von COVID-19 Patienten aus dem Richtungspapier zu begründen sein. Die Autoren prognostizieren für die Jahre 2021 ff. für die Grundversorger eine sich weiter verschärfende wirtschaftliche Situation. Die nachrangige Gewährung von Mitteln aus dem Rettungsschirm wirkt hierbei als Katalysator und verstärkt den Verdacht, dass die im geforderte Konzentration und Spezialisierung auf dem Weg der „Kalten Strukturbereinigung“ forciert werden soll. Es wäre wünschenswert, die regionalen Versorgungsstrukturen auf krankenhausplanerischem Weg zu organisieren, nicht über flächendeckenden Entzug der Mittel.

Die Pandemieauswirkungen werden die Kliniken auch noch in den ersten Monaten des Jahres 2021 vor erhebliche Herausforderungen in der Patientenversorgung stellen. Finanzielle Unterstützung sollte sich dabei nicht an Strukturmerkmalen wie Größe oder freien Intensivkapazitäten, sondern an der tatsächlichen Betroffenheit der jeweiligen Kliniken orientieren.

Pressemitteilung: CLINOTEL Krankenhausverbund (PDF, 177KB)

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