Bariatrische Operation: Ein BMI von über 50 kg/m² sei Primärindikation zum adipositaschirurgischen Eingriff auch ohne konservativen Therapieversuch
S 25 KR 699/21 | Sozialgericht Darmstadt, Urteil vom 28.02.2024
Für die Bewertung, ob eine Primärindikation für eine bariatrische Operation bei einem BMI von mehr als 50 kg/m² vorliegt, ist das Gewicht des Patienten zum Zeitpunkt der Indikationsstellung entscheidend. Nicht maßgeblich ist das Gewicht bei der Aufnahme ins Krankenhaus zur Durchführung der Operation.
Die Kammer hat entschieden, dass bei der Beurteilung einer Primärindikation für einen adipositaschirurgischen Eingriff das Gewicht des Patienten zum Zeitpunkt der Indikationsstellung und nicht bei der Krankenhausaufnahme ausschlaggebend ist.
Im vorliegenden Fall ging die Sachverständige davon aus, dass die Patientin bei Aufnahme ins Krankenhaus einen BMI von 48,2 kg/m² aufwies, wodurch gemäß der S3-Leitlinie erst nach Erschöpfung der konservativen Therapie eine Indikation für einen chirurgischen Eingriff vorläge. Die Kammer hingegen betont, dass der BMI der Patientin bei der Indikationsstellung am 13. Dezember 2018 50,6 kg/m² betrug.
Die Kammer führt an, dass die Gewichtsreduktion der Patientin durch eine eiweißhaltige Flüssignahrung vor der Operation eine übliche Praxis zur Senkung des Operationsrisikos darstellt und nicht als erfolgreiche konservative Therapie gewertet werden kann. Eine solche Diät ist nicht nachhaltig im Alltag umsetzbar, und der daraus resultierende Gewichtsverlust kann nicht als Indikation gegen eine bariatrische Operation betrachtet werden.
Deshalb muss zur Beurteilung der Operationsindikation das Gewicht bei der Indikationsstellung herangezogen werden. Andernfalls wäre es für Krankenhäuser schwer kalkulierbar, ob eine Indikation vorliegt, was das Risiko birgt, dass erforderliche Operationen verzögert oder Vorbereitungsschritte verkürzt werden, was das Operationsrisiko erhöhen könnte. Die Kammer hält diese Risikoverteilung für unangemessen und nicht sachgerecht.