Vererbung von Kostenerstattungsansprüchen nach § 13 Abs. 2 SGB V bei Todesfall
B 1 KR 39/22 R | Bundessozialgericht, Urteil vom 25.06.2024
Vererbung von Kostenerstattungsansprüchen bei freiwilliger Wahl des Kostenerstattungsprinzips nach § 13 Abs. 2 SGB V
Kostenerstattungsansprüche eines Versicherten gemäß § 13 Abs. 2 SGB V gehen im Erbfall auf die Rechtsnachfolger über und erlöschen nicht mit dem Tod des Versicherten. Die Erben können damit im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB) entstandene und aufgeschobene Ansprüche gegenüber der Krankenkasse geltend machen. Dies gilt auch dann, wenn der Versicherte das Kostenerstattungsverfahren gegenüber der Krankenkasse freiwillig gewählt hat und seine Ansprüche zum Zeitpunkt des Todes noch nicht vollständig geltend gemacht oder administrativ festgestellt waren.
Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 2 SGB V erlischt im Todesfall des Versicherten nicht automatisch nach § 59 SGB I. Erben, wie in diesem Fall die Ehepartnerin und Alleinerbin des Verstorbenen, können diesen Anspruch aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 Abs. 1 BGB weiterhin geltend machen. Das Bundessozialgericht entschied, dass die verfassungsrechtlich geschützte Gesamtrechtsnachfolge auch bei der Wahl der Kostenerstattung durch den Versicherten nicht durch den Tod unterbrochen werden darf. Das Gericht begründete dies damit, dass der Grundsatz der Rechtsnachfolge durch den § 59 SGB I nicht außer Kraft gesetzt werden kann, wenn bereits eine gefestigte Rechtsposition des Versicherten zur Kostenerstattung bestand. Versicherte, die eine private Verbindlichkeit zur Bezahlung ihrer Gesundheitskosten eingegangen sind, haben das berechtigte Vertrauen, dass ihre Erben im Erbfall eine Erstattung ihrer vorausgelegten Kosten beanspruchen können. Die teleologische Auslegung des § 59 SGB I ermöglicht in solchen Fällen die vererbbaren Kostenerstattungsansprüche.
Der verstorbene Versicherte, ehemals bei der beklagten Krankenkasse versichert, hatte das Kostenerstattungsprinzip gemäß § 13 Abs. 2 SGB V gewählt und auf eine direkte Sachleistung verzichtet. Stattdessen erbrachte er selbst Zahlungen für medizinische Leistungen und reichte diese zur Erstattung bei der Krankenkasse ein. Nach seinem Tod im Rahmen einer stationären Behandlung reichte seine Witwe als Erbin und Gesamtrechtsnachfolgerin bei der Krankenkasse Rechnungen über Behandlungskosten in Höhe von insgesamt 23.956,04 Euro ein und beantragte die Erstattung dieser Kosten. Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab und argumentierte, dass der Anspruch nach § 59 SGB I mit dem Tod des Versicherten erloschen sei.
Die Klägerin wandte sich daraufhin an das Sozialgericht, das die Klage abwies, und erzielte erst in der Berufung beim Landessozialgericht (LSG) einen Teilerfolg. Das LSG änderte die Entscheidung des Sozialgerichts und urteilte, dass die Krankenkasse zur Zahlung eines anteiligen Betrages von 6.542,36 Euro verpflichtet sei. Dieser Betrag entspreche den fälligen Rechnungen, die der Versicherte zu Lebzeiten nicht mehr einreichen konnte, jedoch als Anwartschaft auf Erstattung erworben habe. Die Zahlungspflicht der Krankenkasse sei gemäß der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erbin übergegangen.
In seiner Entscheidung bestätigte das Bundessozialgericht die Verurteilung der Krankenkasse zur Zahlung an die Klägerin. Das Gericht stellte fest, dass § 59 SGB I nicht auf die Kostenerstattungsansprüche nach § 13 Abs. 2 SGB V angewendet werden könne, da dies eine verfassungswidrige Einschränkung der vererbbaren Ansprüche darstellen würde. Ein Ausschluss dieser Erstattungsansprüche durch den Tod würde zudem das Vertrauen der Versicherten in die Kostenerstattung untergraben und die Gleichheit zwischen Sachleistungsempfängern und Kostenerstattungswählern in unverhältnismäßiger Weise verletzen. Sofern Versicherte das Kostenerstattungsmodell wählen, gehen sie eine eigenständige Verbindlichkeit gegenüber den Leistungserbringern ein und müssen darauf vertrauen können, dass ihre Erben im Todesfall die Möglichkeit haben, diese verauslagten Kosten geltend zu machen.
Das Urteil hebt hervor, dass eine teleologische Reduktion von § 59 SGB I erforderlich ist, um die umfassende Rechtsnachfolge auch bei freiwilliger Kostenerstattung zu gewährleisten. Versicherte, die eine private Abrechnung gewählt haben, können dadurch sicherstellen, dass auch im Erbfall eine Rückerstattung erfolgt und damit das Vertrauen in das Kostenerstattungssystem als alternatives Leistungsmodell gestärkt wird.