Ein Krankenhaus kann auch hinsichtlich einer Verlegung nur dann auf ein fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten verwiesen werden, wenn die Kostenfolgen bereits bei der Behandlungsplanung vorhersehbar sind

L 1 KR 246/19 | Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 18.05.2022

  • Die medizinische Notwendigkeit der Verlegung des versicherten Patienten ist weder beim aufnehmenden noch beim verlegenden Krankenhaus Voraussetzung des Vergütungsanspruchs.
  • Ein Krankenhaus der Maximalversorgung darf nach einer bei ihm durchgeführten Spezialbehandlung den versicherten Patienten zur Weiterbehandlung in ein wohnortnahes Krankenhaus einer niedrigeren Versorgungsstufe verlegen, ohne dadurch seinen ganz oder teilweise zu verlieren.
  • Ein Krankenhaus kann auch hinsichtlich einer Verlegung nur dann auf ein fiktives verwiesen werden, wenn die Kostenfolgen bereits bei der Behandlungsplanung vorhersehbar sind.

Grundsätzlich ist es Sache der Vertragsparteien nach § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG in den Regelungen der das Wirtschaftlichkeitsgebot zu konkretisieren. Diese haben zum einen bestimmt, dass im Falle der Verlegung jedes der beteiligten eine Fallpauschale abrechnet (§ 1 Abs. 1 Satz 2 FPV 2016), die nach Maßgabe des § 3 FPV 2016 gemindert wird, sofern sie nicht im Fallpauschalen-Katalog als Verlegungs-Fallpauschale gekennzeichnet ist (§ 1 Abs. 2 Satz 3 FPV 2016). Zum anderen haben die Vertragsparteien bestimmt, dass eine Verlegung vorliegt, wenn zwischen der Entlassung aus einem Krankenhaus und der Aufnahme in einem anderen Krankenhaus nicht mehr als 24 Stunden vergangen sind (§ 1 Abs. 1 Satz 4 FPV 2016). Nach der von den Vertragsparteien in § 3 FPV 2016 getroffenen Regelung ist im Falle einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus von dem verlegenden Krankenhaus ein (nur) vorzunehmen, wenn die im Fallpauschalen-Katalog ausgewiesene mittlere Verweildauer unterschritten wird (§ 3 Abs. 1 Satz 1 FPV 2016) – was vorliegend nicht der Fall war.

Eine medizinische Notwendigkeit der Verlegung setzen die Abrechnungsbestimmungen nicht voraus (so bereits BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KR 10/08 R). Das BSG hat zuletzt zu der (wortgleichen) Regelung in der FPV 2013 entschieden, dass Voraussetzung für eine „Verlegung“ nur ist, dass ein Versicherter innerhalb von 24 Stunden aus einem Krankenhaus entlassen und in ein anderes aufgenommen wird (BSG, Urteile vom 27.10.2020 – und B 1 KR 8/20 R). Zur Begründung hat das BSG auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach Abrechnungsbestimmungen wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen seien und Bewertungen oder außer Betracht zu bleiben hätten, weil das -basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes und damit „lernendes“ System angelegt sei, so dass bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien dazu berufen seien, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 27.10.2020 – B 1 KR 12/20 R). Eine einschränkende, sich an Zweckmäßigkeitserwägungen orientierende Auslegung des § 1 Abs. 1 FPV komme vor diesem Hintergrund nicht in Betracht. Bestätigt werde dies im Übrigen durch einen systematischen Blick auf § 2 FPV, der für den dort geregelten Fall einer Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus die Fallzusammenführung von einem medizinischen Zusammenhang abhängig mache, der für die Verlegung gerade nicht gefordert werde. Ihn dennoch hineinzuinterpretieren, setze sich demnach über die Systematik hinweg. Dem folgt der erkennende Senat. […]

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