Eine alleinige Intensivüberwachung reiche als Kriterium nicht aus, um Beatmungsstunden abzurechnen (hier: apallisches Syndrom, Heimbeatmung)

L 1 KR 16/17 | Landessozialgericht , Urteil vom 23.05.2019 rechtskräftig  

Die 1992 geborene Patientin litt u.a. an  Enzephalomyelitis, Tetraparese, Polyneuropathie und einem apallischen Syndrom. Sie war mit einem Tracheostoma versorgt und musste künstlich beatmet und ernährt werden. Mit vertragsärztlicher Verordnung von Krankenhausbehandlung wurde sie wegen eines akuten Harnweginfektszur Behandlung aufgenommen. Nach der Behandlung auf der Kinderintensivstation wurde die Patientin in stabilem Allgemeinzustand entlassen.

Es reiche nicht aus, dass die Versicherte auf einer Intensivstation untergebracht worden war und eine verstärkte Überwachung und pflegerische Betreuung stattgefunden hat. Es fehlt an einem akut lebensbedrohlichen Zustand sowie an dem verstärkten Einsatz von Apparatemedizin. Die Aufnahme der Versicherten erfolgte wegen einer akuten Harnwegsinfektion, nachdem die häusliche Pflege der Versicherten von 24 auf 16 Stunden gekürzt worden sei. Der ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass die Harnwegsinfektion von den ärzten als lebensbedrohlich eingeschätzt worden ist. In der Patientenakte ist auch keine akute Krise des Gesundheitszustandes der Versicherten dokumentiert. Die Beatmungssituation wird im Entlassungsbericht für die gesamte Dauer des Aufenthalts ausdrücklich als stabil dargestellt. Die möglicherweise latent bestehende Gefahr, dass nach der Gabe von wiederholt Herzrhythmusstörungen auftreten, reicht für die Annahme eines akut lebensbedrohlichen Zustands nicht aus.

Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts vermag auch der völlig hilflose Zustand der Versicherten nicht eine Intensivbehandlungspflichtigkeit zu begründen … Denn dieser Zustand begründete noch nicht einmal eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit. Das zeigt sich daran, dass die Versicherte grundsätzlich noch zu Hause untergebracht werden konnte. Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass eine Vernachlässigung von Pflege und Überwachung der Versicherten nach kurzer Zeit einen lebensbedrohlichen Zustand herbeiführen würde. Die Beklagte übersieht aber, dass es zur Abwendung einer solchen Krise nicht der besonderen Mittel einer Intensivstation bedurfte. Für die Anerkennung als Intensivbehandlung reicht nicht aus, dass bei einem Patienten wegen schwerer Krankheiten und Behinderungen ein stark erhöhter Pflege- und Betreuungsbedarf besteht. Kennzeichnend für eine Intensivbehandlungsbedürftigkeit ist nämlich, dass sie gerade zur Abwehr einer akuten lebensbedrohlichen Krise erforderlich geworden ist (LSG Berlin-Brandenburg v. 19. Mai 2010 – L 9 KR 218/07). Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Aufnahme der Versicherten zur stationären Behandlung einen erhöhten Betreuungsaufwand für die Beklagte mit sich brachte, der den deutlich überstieg, der bei einem Patienten mit einer ähnlichen Harnwegsinfektion, aber ohne die Grunderkrankung der Versicherten entstanden wäre … Dieser erhöhte Betreuungsaufwand wird in dem sich nunmehr rechnerisch für die Behandlung ergebenden Entgelt nicht angemessen honoriert wird. Es ist allerdings nicht Aufgabe der Rechtsprechung, korrigierend in die vertraglich vereinbarten Bewertungsrelationen einzugreifen.

Quelle: Sozialgerichtsbarkeit

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