Vorhaltefinanzierung ist ein Irrweg
Mit Vorhaltepauschalen will Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach die Ökonomisierung des Gesundheitssystems stoppen. Klinikexperte Prof. Heinz Lohmann sieht darin einen fatalen Rückfall zum Selbstkostendeckungsprinzip. Er fordert, das Versorgungssystem der Zukunft vom patienten her zu denken.
Das gesundheitssystem steht gewaltig unter Druck. Diese Entwicklung kommt nicht überraschend, sie war vorhersehbar. Seit Jahren wird die Medizin immer ambulanter. Auch schwerkranke Patientinnen und Patienten können mehr und mehr außerhalb von Krankenhäusern behandelt werden. Gleichzeitig wird die High-end-Medizin zunehmend komplexer. Sie benötigt einen hohen technischen Aufwand und Spezialisten mit größtmöglicher Erfahrung.
Zudem wachsen die Erwartungen der Patientinnen und Patienten an Gesundheitsanbieter. Sie wollen in den sie betreffenden Fragen mehr mitreden als bisher, ja einige wollen sogar zu Co-Therapeuten werden. Dieser Trend wird in den kommenden Jahren noch erheblich an Bedeutung gewinnen, da derzeit ein Generationenwechsel stattfindet. Die Hauptpatientengruppen der Siebzigjährigen und älteren waren bisher geprägt durch Mangelerfahrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit. Nach und nach rücken jetzt die in den „Wirtschaftswunder“-Jahren sozialisierten Menschen in den Fokus der Gesundheitswirtschaft. Sie sind lebenslang an Auswahl gewöhnt und erwarten auch vom Gesundheitssektor eine stärkere Orientierung an ihren Interessen.
Auch verringert sich die Wissensasymmetrie zu ihren Gunsten, denn die Transparenz nimmt durch das Internet zu. Zwar immer noch äußerst langsam, aber dennoch merklich. Eine achtsame Politik ist gut beraten, diese Veränderungen zur Kenntnis zu nehmen und die Duldsamkeit der Menschen nicht ungebührlich zu strapazieren. Alle Verantwortlichen sollten das Gesundheitssystem der Zukunft deshalb „vom Patienten her“ denken.
Wie manche politischen Akteure die Lösung der Probleme in der Einführung von Vorhaltepauschalen sehen, kann nur als ahnungslos bezeichnet werden.
