Kassen-Aufsicht

Bei Kodierung wird weiter getrickst

Die Versuche von Krankenkassen, Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds unzulässig zu beeinflussen, werden ausgefeilter, berichtet das Bundesversicherungsamt. Die Behörde hat mit intensiven Prüfungen darauf reagiert – das Ergebnis ist überschaubar.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Illegale Software –und ihre Abschaltung durch das BVA: Algorithmen halfen bei der Bewertung der Morbi-RSA-Relevanz von Diagnosen.

Illegale Software –und ihre Abschaltung durch das BVA: Algorithmen halfen bei der Bewertung der Morbi-RSA-Relevanz von Diagnosen.

© momius / stock.adobe.com

BONN/BERLIN. Der Umgang mit den Morbiditätsdaten der GKV-Versicherten ist auch 2018 eine Kampfzone zwischen den Kassen und dem Bundesversicherungsamt (BVA) gewesen.

Die Bonner Behörde hat dazu alle Kassen unter ihrer Aufsicht einer „kassenweiten Auffälligkeitsprüfung“ unterzogen, heißt es im Jahresbericht 2018, der am Donnerstag veröffentlicht worden ist. Ziel war es, „rechtswidrig erzeugte und gemeldete Daten“ zu finden, die sich über den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) in Form höherer Zuweisungen niederschlagen.

Bei 39 Kassen mündete dieses Verfahren in Einzelfallprüfungen, weil das BVA „statistische Auffälligkeiten“ festgestellt hat. 27 Verfahren waren Ende vergangenen Jahres noch nicht abgeschlossen. Daneben haben offensichtlich auch Hinweise von Whistleblowern das Prüfgeschäft befeuert.

KV-Mitarbeiter gleich mitbezahlt

Der Gesetzgeber hat 2017 klargestellt, dass die „Beratung“ von Ärzten durch Kassenmitarbeiter auch mittels Software unzulässig ist. Darum hat sich offenbar eine Kasse nicht gekümmert, die mit einer KV kooperierte, um unplausible in „gesicherte“ Diagnosen umzuwandeln.

Die Kasse übernahm auch gleich die Kosten für den Aufwand von zwei KV-Mitarbeitern in Höhe von 23.800 Euro, etwa für Anschreiben der Ärzte und die Überwachung deren Rückmeldungen.

Solche Kooperationen führten zu „einem Ungleichgewicht der Zuweisungen“, klagt das BVA. Schnelle Erfolge haben diese Prüfungen indes bisher nicht, der „aufsichtsrechtliche Dialog“ mit der betroffenen Kasse dauere an.

Offenbar muss die Aufsichtsbehörde bei dem Thema Kodierberatung dicke Bretter bohren. Nur fünf Prüfverfahren endeten im Vorjahr mit einer Korrektur der Zuweisungen zu Lasten der Kassen. Die so eingetriebenen 10,5 Millionen Euro bewegen sich gemessen an den Ausgaben des Gesundheitsfonds von 237,681 Milliarden Euro (2018) im Promillebereich.

Auch im stationären Sektor haben etliche Kassen offenbar den Rechtsrahmen strapaziert. Einerseits hat das BVA im Vorjahr Kassen ins Visier genommen, die mit Krankenhäusern „Sondervereinbarungen“ geschlossen haben, um strittige Abrechnungsfragen auf dem kurzen Dienstweg beizulegen.

Gesetzlich seien Kassen jedoch verpflichtet, bei Auffälligkeiten den MDK einzuschalten. Diese Vorgabe sei durch die Sondervereinbarungen „vollständig umgangen“ worden, moniert das BVA – und hat die Deals „in fast allen Fällen“ beendet.

Upcoding mit allen Tricks

Andererseits setzte eine Kassen-Arbeitsgemeinschaft eine Software ein, mit der die Wechselwirkungen zwischen dem DRG-System und dem Algorithmus des Morbi-RSA simuliert werden konnten.

Integriert in die Prüfsoftware für Krankenhausfälle, wurden anschließend Kliniken ermuntert, gemeldete Diagnosen zu korrigieren oder nachzuerfassen. Das BVA mutmaßt, die Software habe primär „der Generierung höherer Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds“ gedient. Nach vierjährigem Rechtsstreit hätten alle betroffenen Kassen im Vorjahr die Software eingemottet.

Auf anderen Kampffeldern des Kassenwettbewerbs konnte erst der Gesetzgeber helfen – Beispiel Hilfsausmittelausschreibungen: Hier hatte die letzte große Koalition mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) Leitplanken für mehr Qualität bei Ausschreibungen eingezogen. Mit mäßigem Erfolg, da sich etliche Kassen um Qualitätsaspekte wenig kümmerten, obwohl das BVA mit Anordnungen dazwischen grätschte. Erst mit dem Terminservicegesetz (TSVG) sind Ausschreibungen um jeden Preis nun verboten worden.

Auf hohem Niveau verharrten im Vorjahr die Beschwerden über Entscheidungen der Kassen. Schwerpunkt bei den 3529 Eingaben (2017: 3720) waren etwa Krankengeld, Hilfsmittel oder Fragen der Beitragsbemessung von Versicherten. Rückläufig seien die Beschwerden gewesen, weil eine Kasse die Versorgung mit Cannabis verweigert hatte.

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