Die Nachricht hat Anfang der Woche viele Menschen erschüttert: Wegen fehlerhafter medizinischer Behandlungen sterben laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedes Jahr Millionen Patienten – mindestens fünf pro Minute. Die Bandbreite der Fehler ist dabei groß: Manche Menschen bekämen eine falsche Diagnose oder falsche Medikamente, andere infizierten sich während der Behandlung. Auch die Alb-Fils-Kliniken sind in dieser Frage ein gebranntes Kind: Durch eine Verwechslung von Infusionen waren fast auf den Tag genau vor einem Jahr zwei Patienten am Eichert gestorben.

Sicherheitsanalyse gibt Überblick

Die kreiseigenen Kliniken wollen künftig auf Nummer sicher gehen. Sie haben die Gesellschaft für Risiko-Beratung (GRB) ins Boot geholt und eine Sicherheits- und Risikoanalyse beider Klinikstandorte erarbeiten lassen. Das Hauptaugenmerk wurde auf die OP-Bereiche mit den Aufwachräumen, die Notaufnahmen und die Intensivstationen sowie die Geburtshilfe gelegt, aber auch Normalstationen kamen unter die Lupe. Zentrales Ergebnis: „Es gibt eine sehr hohe Patientensicherheit an beiden Standorten“, sagte Vera Triphaus, Mitarbeiterin des unabhängigen Instituts mit Sitz in Detmold, gestern bei einer Pressekonferenz. Der Geschäftsführer der Gesellschaft, Dr. Peter Gausmann, setzte noch einen drauf: „Ich würde mich hier behandeln lassen, da hätte ich keine Bedenken.“ Eine solche Aussage trifft der Institutschef, der 50 bis 60 Krankenhäuser pro Jahr in punkto Sicherheit abklopft, nach eigenen Angaben äußerst selten.

Screening auf multiresistente Keime

Dr. Ingo Hüttner, Medizinischer Geschäftsführer der Alb-Fils-Kliniken, machte zunächst deutlich, dass im Haus seit Jahren viel für die Sicherheit der Patienten getan werde, beispielsweise durch die Dokumentation von „Beinahe-Unfällen“ und die Einführung der WHO-Sicherheitscheckliste vor Operationen oder das Screening auf multiresistente Keime. Die verhängnisvolle Medikamentenverwechslung vor einem Jahr habe aber zu einer „massiven Verunsicherung im Haus“ geführt, sagte Hüttner. „Wir wollten daher wissen, wo wir noch Lücken haben“, ergänzte der Kaufmännische Geschäftsführer Wolfgang Schmid.

Urteil: Hochrisikobereiche sehr gut organisiert,

Die beauftragte Gesellschaft für Risiko-Beratung berät seit 25 Jahren Krankenhäuser in Sachen Sicherheit. Dafür verbringen deren Mitarbeiter einige Tage in der Klinik, führen Interviews, beobachten die Beschäftigten – „direkt am Ort des Geschehens“, betonte Gausmann. Auch beim Nachtdienst war er dabei. „Wir sind auf maximale Transparenz gestoßen“, beschrieb er die Atmosphäre in der Klinik. „Aber auch auf maximale Sensibilisierung, was das Thema Sicherheit betrifft.“
Resultat des Checks: Die GRB attestiert beiden Standorten in vielen Bereichen eine sehr hohe Patientensicherheit. Sichere Behandlungsabläufe seien vor allem wegen der sehr guten Dokumentation gewährleistet, unter anderem auch bei der Medikamentenanordnung. Zudem seien die Hochrisikobereiche sehr gut organisiert, die medizinisch-technische Ausstattung sei überdies hochmodern. Positiv bewertet das Institut auch das gut funktionierende Notfallmanagement.

Hohe Arbeitsbelastung im Nachtdienst

Verbesserungspotenzial sieht die GRB bei der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Berufsgruppen bei der Delegation von bestimmten Tätigkeiten, bei der Einarbeitung im Ärztlichen Dienst und bei der Patientenaufklärung. Optimierungsbedarf sieht die GRB auch beim Nachtdienst: „Hier haben wir eine hohe Arbeitsbelastung für die pflegenden Mitarbeiter festgestellt, vor allem zu Dienstbeginn.“ Zur Erinnerung: Die verhängnisvolle Verwechslung war einer erfahrenen Pflegekraft im Nachtdienst passiert, die übrigens weiterhin bei den Alb-Fils-Kliniken beschäftigt ist.

„Sind gerade in einer Umbruchphase“

Der Medizinische Geschäftsführer hakte in diesem Punkt sofort ein: Die Hinweise der Berater habe man sofort aufgegriffen, die Kliniken seien dabei nachzujustieren. Die Arbeitszeitmodelle der Pflegekräfte werden derzeit angepasst, „wir sind gerade in einer Umbruchphase“, sagte Brigitte Käser, stellvertretende Pflegedirektorin. Konkret heißt das: Der Spätdienst, der bisher bis 20 Uhr gearbeitet, ist jetzt bis kurz vor 22 Uhr im Dienst, der Nachtdienst arbeitet verkürzt von 21.30 bis 6 Uhr. Vorteil: In der Zeit, in der die Patienten für die Nacht vorbereitet werden und es viel zu tun gibt, sind die Stationen personell besser besetzt. „Das ist eine Herkulesaufgabe, mehr als 600 Mitarbeiter umzustrukturieren“, verdeutlichte Käser den Aufwand, den man aber gerne in Kauf nehme – eben für mehr Sicherheit.

Assistenten richten künftig Medikamente

Weitere Neuerung: Medikamente soll künftig in jeder Abteilung eine pharmazeutisch-technische Assistentin richten und nicht mehr die Pflegekraft, die bei dieser Aufgabe mehrmals unterbrochen wird. Dafür wurden bereits vier neue Mitarbeiterinnen eingestellt, am Ende werden es sechs bis acht sein, sagte Käser.
Die Geschäftsführung sieht sich durch die Analyse in ihren Bemühungen um größtmögliche Patientensicherheit bestätigt: „Wir sind auf einem sehr guten Weg und bleiben dran“, sagte Hüttner. Letztlich seien die Ergebnisse auch eine „Riesenbestätigung für das Personal“ und hätten nach dem tragischen Vorfall wieder Ruhe ins Haus gebracht.

GRB ein international tätiges Unternehmen

Unternehmen Die international tätige GRB Gesellschaft für Risiko-Beratung ist auf Sicherheitsanalysen in Kliniken spezialisiert und hat mehr als 500 Einrichtungen auditiert. Sie arbeitet mit dem Aktionsbündnis Patientensicherheit zusammen. Dabei werden potenzielle relevante Themen angesprochen und Vorschläge herausgearbeitet. „Unsere Aufgabe ist es, in den Kliniken Risiken in den verschiedenen Arbeitsbereichen transparent zu machen“, erläutert Dr. Peter Gausmann, Geschäftsführer der GRB. „Wir führen dazu Einzel- und Gruppeninterviews sowie teilnehmende Beobachtungen durch. Wir bestätigen aber selbstverständlich auch ein risikopräventives Handeln, wenn die Maßnahmen zur Patientensicherheit internationalem Standard entsprechen und wirkungsvoll sind“, so Gausmann.
Vergleiche Als Tochterunternehmen der Ecclesia Versicherungsdienst GmbH verfügen alle ­Risikoberater der GRB über umfangreiche Kenntnisse zu Schadenfällen, die sich in ­anderen Kliniken mit vergleichbaren Fach­abteilungen in der Vergangenheit ereignet haben. Die Arbeit der GRB orientiert sich an den von der WHO definierten Aktionsfeldern zur Qualitätssicherung durch Patienten­sicherheit und an den Empfehlungen des Rates der Europäischen Union.