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Oberschwabenklinik

OSK-Debatten gehen weiter: Zwei Ideen mit politischem Sprengstoff

Ravensburg / Lesedauer: 6 min

Zwei Ideen von Kreistagsfraktionen bergen politischen Zündstoff
Veröffentlicht:12.12.2022, 15:00

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Wie geht es weiter mit der Oberschwabenklinik (OSK)? Zur Haushaltssitzung des Kreistages am Donnerstag haben zwei Fraktionen Anträge vorgelegt, die erheblichen politischen Zündstoff bergen.

So wittert die SPD eine Chance, die Schließung des Standortes Bad Waldsee angesichts der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigten Reform der Krankenhausfinanzierung rückgängig zu machen. Die FDP hingegen will wirtschaftliche Notwendigkeiten stärker in den Vordergrund stellen und dem Hang zur Kirchturmpolitik bei Entscheidungen über den kommunalen Klinikverbund durch eine Strukturreform ein Ende bereiten. Dabei könnte auch die Stadt Ravensburg als Mini-Anteilseigner ihr bislang starkes Mitspracherecht verlieren.

Hoffnung in Lauterbachs „Revolution“ der Klinikfinanzierung

Doch zunächst zu den Sozialdemokraten. Diese setzen große Hoffnungen in ihren Parteifreund Karl Lauterbach, der eine „Revolution“ der Krankenhausfinanzierung angekündigt hat. In Teilen soll vom ungeliebten Fallpauschalensystem abgerückt werden, und es sollen künftig auch sogenannte Vorhalteprämien für medizinische Leistungen eingeführt werden, die bisher für Krankenhäuser ein Minusgeschäft waren, etwa Notaufnahmen oder Geburtshilfe-Abteilungen.

Der Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion, Rudolf Bindig , sieht jetzt den richtigen Zeitpunkt für eine neue Debatte. Zumal seit dem Schließungsbeschluss mittlerweile sechs Monate vergangen sind – die formale Vorbedingung, dass ein Thema wieder auf die politische Tagesordnung darf, sei also erfüllt.

Bindig will Entscheidung auf 2026 verschieben

Der Beschluss des Kreistages zum „Zukunftsprogramm Gesundheitsregion Oberschwaben“ vom 30. Mai soll laut Bindig frühestens dann umgesetzt werden, wenn das als Alternative angedachte Primärversorgungszentrum (PVZ) oder Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) an den Start gegangen ist.

Bis dahin sollte das Krankenhaus über den anvisierten Schließungstermin im Oktober 2023 als stationäre Einrichtung erhalten bleiben. „Erst wenn sich klar abzeichnet, wie sich die Neuregelung der Krankenhausfinanzierung – regional und speziell auf Bad Waldsee – auswirkt und wie es mit dem PVZ und dem MVZ steht, soll zum Ende der Umstellungsphase der Krankenhausfinanzierung endgültig über das Krankenhaus in Bad Waldsee beraten und entschieden werden“, so Bindig. Als Zeitpunkt nennt er dafür das Jahr 2026.

Wegen des Heilig-Geist-Spitals hält die Stadt Ravensburg Anteile an der Oberschwabenklinik. Doch die sind zum Jahr 2019 von 5 auf 1,63 Prozent reduziert worden.
Wegen des Heilig-Geist-Spitals hält die Stadt Ravensburg Anteile an der Oberschwabenklinik. Doch die sind zum Jahr 2019 von 5 auf 1,63 Prozent reduziert worden. (Foto: sz/Schwäbische.de)

Da sich die Finanzierung von Krankenhäusern grundsätzlich verändern, seien die Berechnungsgrundlagen des Gutachtens der Beraterfirma BAB, auf dem der Schließungsbeschluss basiert, hinfällig, meint der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete.

Durch die geplante Einführung von Krankenhäusern mit Leistungsgruppen und verschiedenen Level tue sich die Möglichkeit auf, das Krankenhaus in Bad Waldsee als Grundversorger fortzuführen. Auf jeden Fall müsse das gründlich geprüft und erwogen werden, begründet Bindig seinen Antrag.

Kuddelmuddel bei Kompetenzen

In eine völlig andere Richtung geht ein Antrag der FDP-Fraktion. Die Liberalen sehen ein Problem in der derzeitigen Entscheidungsstruktur der OSK, deren Organe reformiert werden müssten.

Bislang ist es so, dass viele Entscheidungen im Aufsichtsrat (unter Ausschluss der Öffentlichkeit) gefällt werden, die wichtigsten – etwa über Standortschließungen – jedoch im Kreistag. In diesem Gremium sitzen aber eben auch die Bürgermeister und Abgeordneten der jeweiligen Städte, die unter dem Druck ihrer eigenen Wählerschaft stehen und bei widerstrebenden Interessen nicht immer ganz frei unterscheiden können, ob sie sich mehr dem Wohl des Landkreises oder ihrer Herkunftsgemeinde verpflichtet fühlen. Und dann gibt es noch die Geschäftsführung der Klinik, die für das operative Geschäft zuständig ist, der aber sehr oft aus der Politik hereingeredet wird.

Erschwerend kommt hinzu, dass der kommunale Klinikverbund neben dem Landkreis als Haupteigner auch noch die Stadt Ravensburg im Boot sitzen hat – wegen der geriatrischen Reha im Heilig-Geist-Spital. Doch das ist bald vorbei, denn laut Kreistagsbeschluss soll diese Abteilung zunächst zum Jahreswechsel im Elisabethen-Krankenhaus integriert und mittelfristig an einen privaten Anbieter ausgelagert werden. Die Stadt als Träger der Stiftung Heilig-Geist-Spital hält zwar längst nicht mehr die früheren 5 Prozent Anteil, sondern 1,63 Prozent, hat aber ein umfassendes Mitspracherecht.

FDP will Stadt Ravensburg ausbooten

Was also möchte die FDP? Die Fraktion will die Struktur und Kompetenzen der Organe der OSK komplett durchleuchten und auf den Prüfstand stellen. „Die Satzung der OSK ist so zu überarbeiten, dass die tatsächlichen Kapital- und Haftungsverhältnisse der Gesellschafter sich widerspiegeln; gegebenenfalls inklusive einer Bereinigung der Gesellschafterstruktur.“ Letzteres ist brisant und würde eine Ausbezahlung der Anteile der Stadt Ravensburg bedeuten.

Die vergangenen Monate, besonders die Krise zwischen weiten Teilen der Belegschaft und der Geschäftsführung, haben nach Meinung von FDP-Fraktionschef Daniel Gallasch die Strukturprobleme offenbart. Er bezieht sich dabei ausdrücklich nicht – wie es die SPD tut – auf den Inhalt der neuen Medizinstrategie.

Wie kompetent sind die Aufsichtsräte wirklich?

Aus den Erfahrungen der vergangenen Monate stellen sich die Liberalen aber eine Reihe von Fragen. Unter anderem: Wie sind die Rechte und Aufgaben des Kreistages zu definieren, um einerseits die kommunalrechtlich erforderliche Überwachung und Steuerung der OSK zu garantieren und gleichzeitig nicht die operative Führung der OSK zu behindern? Welche Kompetenzen sollte der Aufsichtsrat haben, und wie sollte er zusammengesetzt sein, um die OSK bestmöglich zu steuern?

Diese Frage zielt auf den oft geäußerten Vorwurf ab, dass einige Aufsichtsräte – vor allem die zehn Kreistagsmitglieder – wenig Ahnung von Gesundheitspolitik haben.

Zudem beklagt Gallasch, dass die Entscheidungen der vergangenen Monate „in den Gremien stark durch Partikularinteressen geprägt“ gewesen seien und spielt damit auf den Interessenskonflikt einiger Kommunalpolitiker an, die das Thema Standort-Strukturreform offenkundig eher durch die Bad Waldseer, Wangener oder Ravensburger Brille als aus der Sicht des Landkreises betrachtet haben.

Die Veränderungen der vergangenen Jahre würden sich ferner nicht im Gesellschaftsvertrag der OSK widerspiegeln. In der Vergangenheit betrug der Anteil der Stadt Ravensburg gut 5 Prozent, während der Landkreis Ravensburg über knapp 95 Prozent verfügte. Seit 2019 hält die Stadt hingegen nur noch 1,63 Prozent, der Rest der Kreis.

Erhebliche Vetorechte trotz Mini-Beteiligung

„Mit diesem sehr kleinen Gesellschaftsanteil verfügt die Stadt Ravensburg über erhebliche Vetorechte“, beklagt Gallasch. Etwa beim Eintritt weiterer Gesellschafter, sämtlichen Änderungen des Gesellschaftsvertrags ausgenommen Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen, der Veränderung von medizinischen Einrichtungen sowie bei der Verschmelzung und Umwandlung der Gesellschaft.

„Diese Vetorechte schränken die Steuerungsmöglichkeiten des anderen Gesellschafters, Landkreis Ravensburg, in einer Weise ein, die sich mit Blick auf die Vorschriften des Kommunalrechts nur noch schwer rechtfertigen lässt“, meint der FDP-Politiker. „Leider müssen wir davon ausgehen, dass von außen weiterhin ein hoher wirtschaftlicher Druck auf die Krankenhäuser ausgeübt werden wird“, sagt er im Hinblick auf eine mögliche zukünftige Kooperation mit dem Medizin-Campus Bodensee, wie sie Landesgesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) schon ins Spiel gebracht hat.

Solche Kooperationen könnten bis zur gesellschaftsrechtlichen Verwebung oder Verschmelzung gehen. In diesem Zusammenhang halten es die Liberalen für sinnvoll, dass der Landkreis möglichst alle Gesellschaftsanteile an der OSK übernimmt, „da dies einen solchen Prozess deutlich vereinfachen kann“.