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Uniklinikum Gießen: Kein Corona-Bonus von der Bundesregierung für Pfleger

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Krankenpfleger geht am frühen Morgen in Schutzausrüstung mit Mund-Nasenbedeckung, Gesichtsschutz, Kittel und Haube durch die Covid-19-Station des Krankenhauses an seiner Kollegin vorbei.
Die Corona-Lage in den Kliniken in Hessen ist bereits angespannt. (Symbolbild) © Kay Nietfeld/dpa

Die Corona-Prämie der Bundesregierung wird an 433 Krankenhäuser vergeben – Das Gießener Uniklinikum geht leer aus. Die Mitarbeiter können die Begründung nicht nachvollziehen.

Gießen - Im April besuchte Gesundheitsminister Jens Spahn das Uniklinikum. Dabei begutachtete er nicht nur die mit Beatmungsgeräten ausgestatteten Intensivbetten, sondern sprach auch mit Pflegekräften über die Belastung, die Covid-19 mit sich bringt. Einige Monate später hat der Bundestag eine Prämie für Pfleger aus besonders durch Corona belasteten Kliniken beschlossen. Nun wurde die Liste jener Häuser veröffentlicht, die Geld bekommen sollen. Das UKGM ist nicht aufgeführt.

Insgesamt 100 Millionen Euro hat der Bund für Prämien zur Verfügung gestellt, davon 93 Millionen Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und sieben Millionen Euro durch die privaten Krankenversicherungsunternehmen. »Diese Mittel werden an Krankenhäuser ausgegeben, die während der ersten Monate der Corona-Pandemie im Verhältnis zu ihrer Bettenzahl besonders viele mit dem Coronavirus infizierte Patienten zu versorgen hatten«, teilt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf Anfrage mit. Demnach erhalten Kliniken mit weniger als 500 Betten die Finanzspritze, wenn sie zwischen 1. Januar und 31. Mai mindestens 20 Corona-Patienten voll- oder teilstationär behandelt haben. Bei Häusern mit mehr als 500 Betten sind es 50 Patienten. Im Gießener Uniklinikum mit seinen über 1100 Betten wurden im besagten Zeitraum 47 Covid-Patienten versorgt.

Corona im Uniklinikum Gießen: Gewerkschaft kritisiert den Verteilungschlüssel

Für die Mitarbeiter kommt diese Eingruppierung einer Ohrfeige gleich. Am Uniklinikum wurden zwar weniger Covid-Patienten behandelt als in anderen Häusern, dafür hatte es Gießen mit vielen schweren Verläufen zu tun, die naturgemäß pflegeintensiver sind. Insider verweisen darauf, dass das UKGM wegen seiner guten Ausstattung oftmals schwer erkrankte Patienten von anderen Krankenhäusern übernommen hat. Die Folge: Andere Häuser der Region konnten sich auf milde Verläufe konzentrieren, die nach kurzer Zeit wieder entlassen wurden. Dadurch steigt die Durchlaufzahl. Das hat zur Folge, dass etwa die Lahn-Dill-Kliniken in Wetzlar über 260 000 Euro erhalten, während die Uniklinik leer ausgeht.

Uniklinik Gießen: Eine Anbindung an die Corona-App gibt es nicht.
Die Pfleger in den Gießener Kliniken gehen leer aus. Das sorgt für Kritik. © Red

Die Gewerkschaft Verdi kritisiert daher den Verteilungsschlüssel. »Trotz permanenter Belastung durch die Pandemie, trotz der Versorgung vieler schwerstkranker Patienten, verweigert das Gesundheitsministerium selbst den Pflegekräften am Bett ein Mindestmaß an Wertschätzung«, sagt Fachsekretär Fabian Dzewas-Rehm und schiebt nach: »Die Herren Politiker sollen doch bitte auf die Corona-Intensivstationen kommen und den Kollegen und Kolleginnen erklären, dass sie nicht besonders belastet seien.«

Uniklinikum Gießen: Auch während Corona kein Bonus aus eigener Tasche

Der Vorsitzende der Geschäftsführung des UKGM, Gunther Weiß, sieht einen weiteren Punkt der Vergaberichtlinien kritisch. Denn die Mindestanzahl von Covid-19-Patienten umfasst lediglich Menschen, die zum Stichtag bereits wieder entlassen worden sind. Der Standort Marburg hat zwischen 1. Januar und 31. Mai nämlich genau 50 Corona-Erkrankte behandelt, allerdings wurden einige der Betroffenen erst nach dem 31. Mai entlassen. Daher floss auch nach Marburg kein Geld.

»Das spiegelt leider weder den Aufwand noch die Dauer der Behandlung schwerstkranker Covid-19-Patienten wider«, sagt Weiß und betont, dass ein schwersterkrankter Covid-Patient der ersten Welle erst vor wenigen Tagen entlassen werden konnte. Die Nicht-Berücksichtigung eines Universitätsklinikums wie Gießen, das bis zum 30. September 138 Fälle betreut habe, viele davon auf der Intensivstation, belege, dass die Kriterien an der Wirklichkeit vorbei gingen.

Uniklinikum Gießen in der Corona-Pandemie: Extreme Belastung

Der Gießener Betriebsratsvorsitzende Marcel Iwanyk sieht es ähnlich. »Die Belastung in unserem Haus ist extrem. Nicht nur auf der Coronastation, sondern durch Verlagerungen auch in anderen Bereichen.« Das stundenlange Tragen der Schutzausrüstung sei körperlich anstrengend, zwischenzeitliche Erholungsphasen gebe es kaum .

Die Krankenhäuser und das Pflegepersonal sehen sich zunehmend Herausforderung in der Corona-Pandemie ausgesetzt.
Die Krankenhäuser und das Pflegepersonal sehen sich zunehmend Herausforderung in der Corona-Pandemie ausgesetzt. © Fabian Strauch/dpa (Symbolbild)

Iwanyk kritisiert aber nicht nur die Politik, sondern auch explizit seinen Arbeitgeber. Denn andere Häuser, die nicht berücksichtigt worden sind, haben ihren Mitarbeitern aus eigener Tasche einen Corona-Bonus gezahlt. Das UKGM könne sich das jedoch nicht leisten, sagt Vorstand Weiß und begründet das unter anderem mit der »erheblichen Unterfinanzierung der Leistungen für die Freihaltung von Betten für die Behandlung von Covid-19-Patienten«.

Iwanyk will das nicht gelten lassen. In seinen Augen ist die Tatsache, dass das UKGM seinen Mitarbeiter nicht aus eigener Tasche einen Corona-Bonus zahlt, schlichtweg ein »Armutszeugnis«. (Christoph Hoffmann)

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