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Wie sicher ist die Narkose bei einer ambulanten OP?

Führende Anästhesisten erklären, welche Operationen ohne Krankenhaus möglich sind und wie die Überwachung danach erfolgt.

Von Stephanie Wesely
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Die Kontrolle der Vitalfunktionen während der ambulanten OP obliegt meist dem Anästhesisten.
Die Kontrolle der Vitalfunktionen während der ambulanten OP obliegt meist dem Anästhesisten. © 123rf

Eine anstehende Operation sorgt bei den meisten für ein mulmiges Gefühl. Denn die Narkose nimmt zwar Schmerzen, sorgt aber auch für Kontrollverlust. Wenn ab 2024 so viele Behandlungsleistungen wie möglich ambulant erfolgen sollen, steigt auch die Skepsis. Dennoch haben diese Operationen bei Patienten eine hohe Akzeptanz, sind aber nicht immer das Mittel der Wahl.

Unterscheiden sich die Narkosen bei ambulanten und stationären OPs ?

„Nein“, sagt Dr. Stefan Geiger, Vorsitzender des Sächsischen Landesverbandes im Berufsverband der Anästhesisten. „Die Verfahren sind prinzipiell die gleichen. Angepasst an das Spektrum der Operationen im ambulanten Bereich mit eher kürzeren und weniger invasiven Eingriffen kommen bevorzugt Medikamente und Narkoseverfahren mit kürzerer Wirkdauer zum Einsatz“, sagt er. Im Gegensatz zu stationären Eingriffen stehe nämlich die Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Patienten nicht zur Verfügung. Der frisch Operierte werde eher aus dem geschützten Raum entlassen und dürfe dadurch nicht unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt sein.

Welche Operationen können ambulant erfolgen?

Kleinere Operationen mit eher kurzen Narkosen könnten ambulant erfolgen, wenn der Patient keine schwerwiegenden Begleiterkrankungen hat, zum Beispiel Herz und Kreislauf gesund sind, so Stefan Geiger, der auch Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie an den Elblandkliniken Riesa ist. „Größere Operationen, etwa im Bauchbereich, die eine anschließende Überwachung auf der Intensivstation erfordern, werden auch weiterhin stationär erfolgen." Das IGES-Institut hat im Auftrag der Gesetzlichen Krankenversicherung in einem Gutachten von 2021 ermittelt, dass rund 2500 medizinische Leistungen zusätzlich in den Katalog für ambulantes Operieren aufgenommen werden könnten. Damit würde sich die Anzahl der derzeit möglichen ambulanten Leistungen fast verdoppeln. Laut Spitzenverband der Krankenkassen gebe es pro Jahr etwa vier Millionen sogenannte Kurzlieger mit nur einem Tag Verweildauer in der Klinik. Hier könnte die Ambulantisierung Kosten und Personal sparen.

Wie erfolgen Voruntersuchung und Aufklärung vor ambulanten Narkosen?

Wie im stationären Bereich auch wird der Patient vom Chirurgen und dem Anästhesisten oft in einer gemeinsamen Sprechstunde aufgeklärt. Die Risikoanalyse, welche Komplikationen mit einer Narkose verbunden sein können, obliegt aber dem Anästhesisten. Geiger: „Entscheidend sind die Herzleistung, die Arbeit der Schilddrüse, der Blutdruck, mögliche Allergien, vorangegangene Schlaganfälle oder altersbezogene Risiken.“ Doch auch die Infrastruktur gelte es zu berücksichtigen. Wohne der Patient zum Beispiel sehr ländlich und könne bei Komplikationen nicht schnell genug erreicht werden, spreche das für eine stationäre Aufnahme, zumindest für eine Nacht. Im Allgemeinen genüge aber laut Geiger eine Nachbeobachtung über zwei Stunden. „Der Patient muss hinsichtlich seiner Vitalfunktionen stabil sein, richtig wach und orientiert, um nach Hause zu können.“ Zu Hause sollte er für die nächsten 24 Stunden auch nicht allein sein und natürlich nicht allein nach Hause fahren.

Wie sicher sind ambulante Operationen?

Um das zu ermitteln, hat die Techniker Krankenkasse Bayern 2021 rund 100.000 Fragebögen ausgewertet, die Patienten nach ambulanten Eingriffen ausgefüllt haben. Die Komplikationsrate lag dabei weit unter einem halben Prozent – das spreche für eine gute und sichere Arbeit der Chirurgen und Anästhesisten, heißt es. Vergleichbare Daten aus dem stationären Bereich gibt es aktuell nicht. Da im Krankenhaus aber mehr komplexe und risikobehaftete Operationen stattfinden, auch die Patienten dort mehr Begleiterkrankungen haben als ambulant Behandelte, lassen sich die Risikoprofile schwer miteinander vergleichen. Die Fragebogenaktion zu ambulanten Operationen ergab ferner, dass sich 97 Prozent der Befragten zu Hause ausreichend betreut und medikamentös versorgt fühlten. 90 Prozent sagten, das Praxisteam sei für Rückfragen gut erreichbar gewesen. Sieben Prozent berichteten über Blutergüsse, Thrombosen oder Entzündungen nach der OP. 99 Prozent würden sich demnach wieder ambulant operieren lassen. Hinzu kommt, so die TK, dass sich bei ambulanten Eingriffen das Infektionsrisiko durch Krankenhauskeime verringert.

Wie finden ambulant tätige Chirurgen ihre Anästhesisten?

Es gibt eine Art Pool an Anästhesisten – das sind Listen, die die Kassenärztlichen Vereinigungen führen. In der Praxis existierten aber auch Netzwerke von Chirurgen und Anästhesisten, die sich aus der Zeit ihrer stationären Arbeit kennen, so Stefan Geiger. Auch die Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniere gut.

Wo erfolgen ambulante Operationen?

Sie werden weiter in Krankenhäusern angeboten, aber auch in Tageskliniken oder ambulanten Operationszentren, sagt Jörg Karst, Vertreter der niedergelassenen Anästhesisten im deutschen Berufsverband. Diese Zentren könnten sowohl von den Operateuren als auch von Anästhesisten selbst betrieben werden.

Welche Narkosearten gibt es?

Klassisch gibt es drei Grundformen: die Vollnarkose (Allgemeinanästhesie), die lokale Betäubung und die Regionalanästhesie. Im ersten Fall bekommt der Patient unter anderem eine Kombination aus Schlafmittel und Schmerzmittel. Der Zustand ähnelt eher einem künstlichen Koma als einem tiefen Schlaf, sagt Dr. Thorsten Steinfeldt, Chefarzt der Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt/Main. Bei der Lokalanästhesie wird nur eine kleine Stelle betäubt, etwa ein Finger, ohne dass das Bewusstsein beeinträchtigt wird. Die Regionalanästhesie funktioniert sowohl im Wachzustand als auch unter Vollnarkose. Am verbreitetsten ist sie in der Geburtshilfe. Es wird ein Lokalanästhetikum in die Nähe des Rückenmarks gespritzt, um den Wehenschmerz zu lindern oder einen Kaiserschnitt zu ermöglichen.

Gibt es genügend ambulant tätige Anästhesisten?

„Von derzeit rund 25.000 Anästhesisten in Deutschland arbeiten etwa 3000 im vertragsärztlichen Bereich, entweder selbstständig oder angestellt“, so Jörg Karst. Narkoseärzte würden aber immer gesucht. Mit der zunehmenden Ambulantisierung rechnet Karst damit, dass mehr Anästhesisten aus dem stationären Bereich freigesetzt werden und ambulant zur Verfügung stünden. „Doch die ambulante Anästhesie ist ein Spezialgebiet, das viele bislang stationär tätige Ärzte erst erlernen müssen. Es geht dabei um Service, Patientenzugewandtheit, Geschwindigkeit, Absprachen mit den Operateuren und ein Arbeiten Hand in Hand in einem erfahrenen Team.“

Wie wird die ambulante Anästhesie honoriert?

Laut Stefan Geiger hat die Anästhesie eigene Abrechnungsziffern bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Die Sätze seien also fest geregelt. Die niedergelassenen Operateure erhalten jedoch eine zusätzliche Vergütung, um den Anteil der ambulanten Operationen zu erhöhen. „Für uns Anästhesisten ist aus diesem Fördertopf nichts vorgesehen, obwohl auch wir in immer neue und sicherere Technik investieren müssen“, so Karst. Dagegen will der Berufsverband vorgehen.

Wie sollten sich Patienten auf die ambulante OP vorbereiten?

Dazu erhalten Patienten beim Vorgespräch einen Aufklärungsbogen. Dort wird erklärt, wie viele Stunden vor der OP nichts mehr gegessen oder getrunken werden darf, wie mit regelmäßig einzunehmenden Medikamenten umzugehen ist und welche Dokumente, Befunde sowie Kontakttelefonnummern zur OP mitzubringen sind. Der Patient darf nach der OP nicht selbst fahren, auch den Heimweg nicht allein antreten. Auch zu Hause ist eine Begleitperson für mindestens einen Tag erforderlich.