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Vivantes-Chefin Andrea Grebe leitet Deutschlands größte kommunale Klinikkette.

© Hannes Heine

Vivantes auf Chefsuche: Im Berliner Krankenhaus-Konzern kommt es zum Kräftemessen

Die Vivantes-Kliniken suchen eine Nachfolge für Chefin Andrea Grebe. Einen Vorschlag lehnte der Aufsichtsrat ab. Der Konzern steht vor großen Aufgaben.

Wieder steht Vivantes im Mittelpunkt eines Kräftemessens zwischen Krankenhausmanagern, Senatoren und Klinikbeschäftigten. Deutschlands größter kommunaler Krankenhauskonzern sucht eine neue Führung – und das dauert deutlich länger als erwartet. Nach Tagesspiegel-Informationen hat der Vivantes-Aufsichtsrat kürzlich einen Personalvorschlag der zuständigen Findungskommission abgelehnt: Demnach wird die frühere Vizepräsidentin der Medizinischen Hochschule Hannover, Andrea Aulkemeyer, den Posten in Berlin wohl nicht antreten.

Im Aufsichtsrat sollen insbesondere die Vertreter der Beschäftigten – Pflegekräfte, Ärzte, Handwerker – gegen Aulkemeyer gewesen sein. Der vorübergehend amtierende Vivantes-Aufsichtsratschef, Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), soll sich für Aulkemeyer ausgesprochen haben. Eine formale Abstimmung gab es nicht, Aulkemeyer hätte einstimmig berufen werden müssen. Eine Sprecherin des Finanzsenators teilte mit, zu laufenden Verfahren äußere man sich nicht.

Noch bis zum 31. Oktober wird Andrea Grebe das Landesunternehmen leiten. Die Internistin hatte, wie berichtet, im Mai aufhören wollen. Angesichts der beginnenden Corona-Pandemie ist Grebe im März von Senatschef Michael Müller (SPD) um eine Verlängerung gebeten worden.

Der Vivantes-Vorstand sagte dann zu, im Ernstfall die Covid-19-Notklinik auf der Messe zu betreiben. Wenn die regulären Krankenhäuser der Stadt überlastet sind, sollen dort Patienten mit dem gefährlichen Lungenleiden versorgt werden. In den umgerüsteten Hallen auf der Messe hält von Vivantes geschultes Personal regelmäßig Einsatzübungen ab.

Neben Grebe, die bald gehen wird, hatten zuletzt die Aufsichtsratsvorsitzende Vera Gäde-Butzlaff und die Personalchefin Corinna Jendges den Konzern verlassen. Während Senator Kollatz für Gäde-Butzlaff übernahm, fängt am 15. August Dorothea Schmidt als Personalmanagerin im Vivantes-Vorstand an. Schmidt ist ausgebildete Krankenpflegerin und arbeitete in der Führung der privaten Helios-Kliniken. Zum Vivantes-Vorstand gehören auch der vor einigen Monaten berufene Johannes Danckert, zuständig für die Krankenversorgung, und der langjährige Finanzfachmann Eibo Krahmer.

6000 Betten in neun Kliniken und 17 Heimen

Der Vorstand ist für fast 1,4 Milliarden Euro Jahresumsatz, 500.000 ambulante und stationäre Behandlungen, 17.000 Mitarbeiter und knapp 6000 Betten zuständig, die sich auf neun Kliniken und 17 Pflegeheime verteilen. Dazu kommt ein ambulanter Dienst und ein Hospiz.

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„Vivantes steht vor enormen Aufgaben – und zwar über die Coronakrise hinaus“, sagte Betriebsratschef Giovanni Ammirabile auf Anfrage. „Der Chefposten im Vorstand muss das volle Vertrauen aller Mitglieder im Aufsichtsrat haben.“ Vivantes spielt eine entscheidende Rolle in den Plänen von Senatschef Michael Müller (SPD), Berlin zur Medizinmetropole auszubauen. Vivantes und die Charité sollen enger zusammenarbeiten, eine gemeinsame Dachgesellschaft ist geplant.

Gesundheitsstadt 2030: Charité und Vivantes

  • Die Idee: Die vom Senat eingesetzte Kommission „Gesundheitsstadt 2030“ empfahl 2019, beide landeseigenen Krankenhauskonzerne mögen in einer Dachgesellschaft kooperieren. Berlin könnte internationale Medizinmetropole werden. Berlin verfüge über exzellente Bio-Start-ups, Kliniken und Hochschulen.
  • Die Absicht: Die Vorstände der Universitätsklinik Charité und der Vivantes-Krankenhäuser bekannten sich im Juli formal zu engerer Kooperation: Ein „Letter of Intent“ wurde auf Anregung von Senatschef Michael Müller (SPD) von Charité-Vorstand Heyo Kroemer und Vivantes-Chefin Andrea Grebe unterzeichnet.
  • Die Projekte: Schon jetzt arbeiten beide Häuser an einem Ausbildungsinstitut für Gesundheitsfachberufe, dessen Bau in Spandau geplant ist. Zudem soll eine gemeinsame Datenplattform die „patientenzentrierte Versorgung“ verbessern und ein Hygieneportal für besseren Infektionsschutz entstehen.

Grebes Vorgänger ging im Streit mit dem Ex-Finanzsenator

Die noch amtierende Vivantes-Vorsitzende Grebe war 2013 Chefin geworden. Ihr Vorgänger hatte den Konzern damals auf eigenen Wunsch vorzeitig verlassen. Er hatte Streit mit dem damaligen Finanzsenator Ulrich Nußbaum. Auch der Berliner Manager Peter Zühlsdorff legte 2017 sein Amt als Vivantes-Aufsichtsratsvorsitzender nieder.

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Immer wieder streiten der Vivantes-Vorstand und der Senat um Geld und Ausrichtung. Vivantes war noch unter der rot-roten Koalition auf einen Sparkurs verpflichtet worden: Bis heute besteht vielerorts Modernisierungsbedarf. Die Beschäftigten der Tochterfirmen erhalten niedrigere Löhne als die Kollegen im Stammhaus.

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