L 5 KR 145/21 B ER

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 2 KR 161/21 ER
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 145/21 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

07.12.2021 zum Aktenzeichen L 5 KR 145/21 B ER

Der Medizinische Dienst kann im Quartal 4/2020 Schlussrechnungen eines Krankenhauses für vollstationäre Krankenhausbehandlungen auch nach Erreichen der Prüfquote von 5 % prüfen, wenn

  1. der GKV-Spitzenverband für das Quartal 2/2020 einen Anteil unbeanstandeter Abrechnungen des Krankenhauses von unter 20 % veröffentlicht hat.
  2. die Anwendbarkeit von § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V ist von der Änderung von § 275c Abs. 2 Satz 1 SGB V durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz unberührt sind.
  3. Einwände gegen die nach § 275c Abs. 4 SGB V veröffentlichten Statistikdaten gegenüber dem GKV-Spitzenverband zu erheben sind.

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 15.06.2021 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 5); der Beigeladene zu 1) trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 61.529,74 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Untersagung der Annahme und Durchführung von mehr als einem Auftrag zur Prüfung bei Krankenhausbehandlung nach § 275c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) je gesetzlicher Krankenkasse durch den Antragsgegner hinsichtlich des Quartals 4/2020.

Die Antragstellerin ist Trägerin der nach § 108 SGB V zugelassenen F         klinik D   .

Der Beigeladene zu 1) veröffentlichte gemäß § 275c Abs. 4 SGB V Statistikdaten, wonach der Anteil unbeanstandeter Schlussrechnungen bei der Klinik der Antragstellerin im Quartal 2/2020 bei 11 % lag. Daraufhin wurde bei der Besprechung der Geschäftsführer und Vorstände der Beigeladenen zu 2) bis 5) am 12.11.2020 beschlossen, den Beigeladenen zu 3) mit der Gemeinsamen Anzeige nach § 275c Abs. 2 Satz 7 SGB V zu beauftragen. Mit Schreiben vom 19.11.2020 erfolgte durch den Beigeladenen zu 3) im Namen der Beigeladenen zu 2) bis 5) die „Gemeinsame Anzeige gemäß § 275c Abs. 2 Satz 7 SGB V“ gegenüber dem damaligen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demographie Rheinland-Pfalz (MSAGD). Der Anteil unbeanstandeter Abrechnungen der Antragstellerin liege nach den Statistikdaten für das Quartal 4/2020 (Anwendungsquartal) unterhalb von 20 %, woraus sich für die Krankenkassen die Befugnis ableite, Begutachtungsaufträge oberhalb der Prüfquote von 5 % zu veranlassen. Der Beigeladene zu 3) setzte die Antragstellerin und den Antragsgegner mit weiteren Schreiben vom 19.11.2020 über die Gemeinsame Anzeige in Kenntnis. Es entfalle damit die Prüfmengenbegrenzung nach § 275c Abs. 2 Satz 1 SGB V für alle gesetzlichen Krankenkassen.

In der Folge beauftragten diverse Krankenkassen den Antragsgegner für das Quartal 4/2020 mit weiteren Prüfungen von Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlungen.

Die Antragstellerin legte mit Schreiben vom 14.04.2021 beim Beigeladenen zu 3) Widerspruch gegen die Gemeinsame Anzeige vom 19.11.2020 ein. Der Beigeladene zu 3) teilte mit Schreiben vom 04.05.2021 mit, dass der Widerspruch nicht statthaft sei, weil es sich bei der Gemeinsamen Anzeige - anders als bei der Ermittlung der Prüfquote durch den Beigeladenen zu 1) - nicht um einen Verwaltungsakt handele. Die Antragstellerin erhob am 10.06.2021 gegen die Beigeladenen zu 2) bis 5) beim Sozialgericht (SG) Speyer Klage (S 17 KR 208/21) mit dem Begehren, die Gemeinsame Anzeige vom 19.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.05.2021 aufzuheben.

Die Antragstellerin informierte den Antragsgegner am 14.04.2021 über den eingelegten Widerspruch gegen die Gemeinsame Anzeige und forderte ihn zur Beachtung der gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eingetretenen aufschiebenden Wirkung auf. Ohnehin sei durch die mit Wirkung zum 28.03.2020 erfolgte Änderung von § 275c Abs. 2 Satz 1 SGB V, bei der die Angabe „12,5“ durch die Angabe „5“ ersetzt worden sei (Gesetz zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen <COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz> vom 27.03.2020 <BGBl. I S. 580>), eine starre Prüfquote von 5 % geschaffen worden, die unter keinen Umständen überschritten werden dürfe. Der Antragsgegner sei gemäß § 275c Abs. 2 Satz 5 SGB V verpflichtet, eine von einer Krankenkasse eingeleitete Prüfung einer Schlussrechnung für vollstationäre Krankenhausbehandlung abzulehnen, wenn die Prüfquote von 5 % von der Krankenkasse überschritten worden sei. Da keine Krankenkasse mehr als 20 Schlussrechnungen von ihr erhalten habe, dürfe bei ihr nach § 275c Abs. 2 Satz 8 SGB V jeweils nur eine Prüfung vorgenommen werden. Der Antragsgegner werde aufgefordert, die zahlreichen bereits eingeleiteten die Prüfquote überschreitenden Prüfungen zurückzunehmen und weitere Prüfaufträge künftig abzulehnen. Der Antragsgegner teilte mit Schreiben vom 30.04.2021 mit, dass er sich hierzu nicht veranlasst sehe. Die Antragstellerin legte gegen dieses von ihr als Bescheid interpretierte Schreiben am 06.05.2021 Widerspruch ein.

Parallel hat die Antragstellerin am 06.05.2021 beim SG Speyer einen Eilrechtsschutzantrag gegen den Antragsgegner gestellt. Sie hat im Hauptantrag begehrt, den Antragsgegner bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu untersagen, für das Quartal 4/2020 mehr als einen von der jeweiligen Krankenkasse eingeleiteten Auftrag zur Prüfung von Schlussrechnungen der Antragstellerin anzunehmen und durchzuführen. Hilfsweise hat sie eine entsprechende Untersagung bezogen auf im einzelnen aufgeführte Prüfaufträge beantragt, weiter hilfsweise eine entsprechende Untersagung der Durchführung von mehr als einem Prüfauftrag nach Absprache mit der betreffenden Krankenkasse. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass sich ein Anordnungsanspruch bereits daraus ergebe, dass sich der Antragsgegner rechtswidrigerweise über die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Gemeinsame Anzeige hinwegsetze. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bewirke, dass die Krankenkassen von der Anzeige der Aufhebung der Prüfmengenbegrenzung keinen Gebrauch machen dürften, bis der Rechtsstreit endgültig entschieden sei. Die Gemeinsame Anzeige stelle einen Verwaltungsakt dar. Das ergebe sich schon daraus, dass der Antragsgegner sich an die Anzeige gebunden sehe. Wäre die Gemeinsame Anzeige kein Verwaltungsakt, so könnte sie auch keine Bindungswirkung für den Antragsgegner entfalten. Der Antragsgegner sei auch materiell-rechtlich verpflichtet, sämtliche Prüfaufträge der Krankenkassen von Schlussrechnungen wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung zurückzuweisen, sofern diese die Anzahl von einer Prüfung je Krankenkasse überstiegen. Denn die gesetzlichen Krankenkassen seien aufgrund der Gesetzesänderung durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz unter keinen Umständen berechtigt, für das Jahr 2020 Begutachtungsaufträge oberhalb der starren Prüfquote zu veranlassen. Die Gesetzesänderung habe das Ziel gehabt, die Krankenhäuser durch die Reduzierung der maximal zulässigen Prüfquote vor dem Hintergrund der Pandemielage umfassend zu entlasten (Hinweis auf BT-Drucks 19/18112, S. 35). Der Gesetzeszweck werde nur erreicht, wenn die reduzierte Prüfquote nicht über andere Faktoren ausgehebelt werden könne. Es sei auch ein Anordnungsgrund gegeben, da insgesamt 29 Prüfverfahren mit einem Vergütungsvolumen von 246.118,97 € in unzulässiger Weise eingeleitet und vom Antragsgegner nicht zurückgewiesen worden seien. Nach Erhalt der Prüfanzeige sei sie gehalten, dem Antragsgegner fristgerecht die erforderlichen Unterlagen zu übersenden, um ihren Vergütungsanspruch nicht zu verlieren, wodurch für jede Prüfung ein enormer zeitlicher und personeller Aufwand entstehe. Dieser Aufwand sei ihr nicht zuzumuten, wenn das jeweilige Prüfverfahren - wie hier - offensichtlich unzulässig sei. Die Formulierung der Haupt- und Hilfsanträge ergebe sich daraus, dass der Antragsgegner nur den jeweils ersten bei ihm eingegangenen Prüfauftrag der jeweiligen Krankenkasse durchführen dürfe. Sie könne jedoch nicht in allen Fällen abschließend beurteilen, welches Prüfverfahren einer Krankenkasse als erstes beim Antragsgegner eingeleitet worden sei.

Der Antragsgegner hat geltend gemacht, dass die Gesetzesänderung durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz lediglich die Prüfquote verringert, aber nichts daran geändert habe, dass bei einem entsprechend hohen Anteil von Beanstandungen im vorvergangenen Quartal die Prüfquote weiterhin überschritten werden könne. § 275c Abs. 2 Satz 6 und 7 SGB V seien nicht geändert worden. Er könne Prüfaufträge nicht zurückweisen, weil der Anteil unbeanstandeter Abrechnungen der Antragstellerin nach den vom Beigeladenen zu 1) veröffentlichten Statistikdaten, die zu überprüfen er keine Befugnis habe, unterhalb von 20 % gelegen habe. Die Gemeinsame Anzeige sei ein Realakt, der sich auf die Feststellungen des Beigeladenen zu 1) stütze. Auch sein Schreiben vom 30.04.2021 sei kein Verwaltungsakt. Es fehle auch an einem Anordnungsgrund. Seine Prüftätigkeit greife nicht in die Rechte der Antragstellerin ein, denn er bereite eine Entscheidung der auftraggebenden Krankenkasse allenfalls vor. Es gebe auch keinen schützenswerten Anspruch auf fehlerhafte Abrechnung.

Durch Beschluss vom 15.06.2021 hat das SG Speyer den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung lägen nicht vor. Ein Erfolg in der Hauptsache sei nicht wahrscheinlich. Das für das akzessorische Eilrechtsschutzbegehren relevante Hauptsacheverfahren sei allein das Widerspruchsverfahren gegen das Schreiben des Antragsgegners vom 30.04.2021. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz richte sich eindeutig gegen den Antragsgegner und nicht gegen einzelne Krankenkassen oder gegen den Beigeladenen zu 3), so dass die Erfolgsaussichten des Widerspruchs vom 14.04.2021 gegen die Gemeinsame Anzeige vom 19.11.2020 nicht zu prüfen seien. Das Widerspruchsverfahren gegen den Antragsgegner besitze bei summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg. Ob es sich bei dem Schreiben vom 30.04.2021 um einen Verwaltungsakt handele, könne offenbleiben, weil der Widerspruch jedenfalls unbegründet sei. Es handele sich bei der 5 %-Prüfquote nicht um eine starre Prüfquote. Die Gesetzesänderung durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz bedeute nicht, dass es sich nun um eine endgültige Quote handele, von der es keine Ausnahme mehr gäbe. Für die drei in § 275c Abs. 2 Satz 6 bis 8 SGB V geregelten Ausnahmekonstellationen gestatte das Gesetz weiterhin die Überschreitung dieser Prüfquote. Hätte der Gesetzgeber die hier einschlägige Sonderregelung des § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V außer Kraft setzen wollen, hätte er diese Vorschrift gestrichen. Sie gelte folglich weiter und binde den Antragsgegner, sobald ihre Voraussetzungen erfüllt seien. Im Falle der Antragstellerin habe der Anteil unbeanstandeter Abrechnungen im vorvergangenen Quartal unter 20 % gelegen, so dass die 5 %-Prüfquote nicht gelte und eine Krankenkasse nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich befugt sei, alle Rechnungen eines Krankenhauses zu prüfen. Es sei dem Antragsgegner dann nicht gestattet, weitere Prüfaufträge abzulehnen. Die Funktion des Antragsgegners bei der Prüfung von Krankenhausabrechnungen (§ 17c Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze <Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG>, § 275 Abs. 1 SGB V) sei eine mitwirkende Hilfstätigkeit, die besondere Beziehungen bzw. Rechtsverhältnisse zu den Leistungserbringern in der Regel nicht begründe. Es bestehe kein Anspruch darauf, dass das Gericht dem Antragsgegner untersage, für das Quartal 4/2020 weitere Prüfaufträge anzunehmen, noch auf eine Begrenzung der Prüfaufträge pro jeweilige Krankenkasse. Ein Anordnungsgrund sei mangels Anordnungsanspruchs nicht zu prüfen. Aus § 275c Abs. 5 SGB V ergebe sich, dass Widerspruch und Klage gegen die Ermittlung der Prüfquote möglich seien. Es sei unbekannt, ob insoweit Widerspruch eingelegt worden sei; dies sei für den Ausgang des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens aber auch nicht bedeutsam.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 16.06.2021 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 13.07.2021 Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr Begehren im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihres früheren Vorbringens weiterverfolgt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass sich der Anordnungsanspruch aus der Gesetzesänderung durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz zum 28.03.2020 ergebe. Eine gestufte Prüfquote in Abhängigkeit von dem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen gelte nach § 275c Abs. 2 Satz 2 SGB V erst ab dem Jahr 2022. § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V nehme eindeutig auf den Anteil unbeanstandeter Abrechnungen Bezug und beziehe sich mithin nur auf das gestufte Prüfquotensystem des § 275c Abs. 2 Satz 2 SGB V. Das Vorgehen der Krankenkassen widerspreche Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck des neu gefassten § 275c Abs. 2 SGB V, wie durch ein Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vom 26.07.2021 klargestellt werde (Bl. 147 ff. der Gerichtsakte). Der nicht rechtskräftige Beschluss des SG Detmold vom 05.10.2021 - S 16 KR 731/21 ER (Bl. 366 ff. der Gerichtsakte) missachte die aktuelle Rechtslage völlig.

Der Antragsgegner sei als rechtsfähige Körperschaft der öffentlichen Rechts (§ 278 Abs. 1 Satz 1 SGB V) verpflichtet, nach § 275c Abs. 2 Satz 5 SGB V über die Einhaltung der Prüfquoten zu wachen. Bei seiner Weigerung, unberechtigte Prüfungen abzulehnen, handele es sich demnach um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), der sie in ihren Rechten verletze, da sie zur Mitwirkung an unberechtigten Prüfungen gezwungen werde.

Im vorliegenden Verfahren sei entgegen der Auffassung des SG zu berücksichtigen, dass Widerspruch und Klage gegen die Gemeinsame Anzeige des Beigeladenen zu 3) aufschiebende Wirkung hätten. Die Gemeinsame Anzeige sei eine Voraussetzung für den erweiterten Prüfumfang; der Antragsgegner dürfe hiervon derzeit keinen Gebrauch machen. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass überhaupt eine ordnungsgemäße Gemeinsame Anzeige erfolgt sei. Der Beigeladene zu 3) habe für die Gemeinsame Anzeige am 19.11.2020 eine Vollmacht der Beigeladenen zu 2), 4) und 5) benötigt, da keine gesetzliche Handlungsbefugnis bestehe. 

Vorsorglich bestreite sie außerdem, dass der Anteil unbeanstandeter Abrechnungen ihrer Klinik im Quartal 2/2020 tatsächlich unterhalb von 20 % gelegen habe. Im Quartal 2/2020 seien 19 Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlungen geprüft worden, von denen vier durch den Antragsgegner unbeanstandet geblieben seien; somit liege der Anteil unbeanstandeter Abrechnungen bei 21 %. Zur Ergänzung wird auf die Aufstellung (Bl. 144 der Gerichtsakte) Bezug genommen. Indem der Beigeladene zu 1) bei seiner Berechnung nicht von dem Datum der gutachterlichen Stellungnahme des Antragsgegners, sondern dem der Leistungsentscheidung der Krankenkasse ausgehe, verstoße er gegen die gesetzliche Regelung in § 275c SGB V, in der jeweils auf die Prüfungen durch den Medizinischen Dienst (MD) abgestellt werde. Nur dies gewährleiste außerdem eine transparente und objektive Ermittlung der quartalsbezogenen Daten, weil es sonst in der Hand der Krankenkassen liege, den Zeitpunkt der Leistungsentscheidung zielgerichtet zu beeinflussen.

Die Antragstellerin beantragt zuletzt,

den Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 15.06.2021 aufzuheben und

dem Antragsgegner zu untersagen, für das Quartal 4/2020 mehr als einen von der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse nach dem 19.11.2020 eingeleiteten Auftrag zur Prüfung der Schlussrechnungen der Antragstellerin wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung je gesetzlicher Krankenkasse gemäß § 275c Abs. 2 Satz 1 SGB V anzunehmen und durchzuführen bis das Verfahren über ihren Widerspruch vom 06.05.2021 gegen den Antragsgegner wegen seiner Weigerung, unberechtigt eingeleitete Prüfungen von Schlussrechnungen wegen vollstationärer Krankenhausbehandlungen gemäß § 275c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1, 5 SGB V abzulehnen, sofern diese die Anzahl von ein Prüfung je gesetzlicher Krankenkasse überschreiten, rechtskräftig abgeschlossen ist,

hilfsweise,

dem Antragsgegner bis das Verfahren über den Widerspruch vom 06.05.2021 rechtskräftig abgeschlossen ist zu untersagen, für das Quartal 4/2020 folgende von der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse nach dem 19.11.2020 eingeleiteten Prüfaufträge wegen Schlussrechnungen der Antragstellerin bezüglich vollstationärer Krankenhausbehandlungen durchzuführen:

Barmer:

G               (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 23.11.20)

K      S      (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 23.11.20)

L      A      (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 23.11.20)

R        R      (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 23.11.20)

E       R     (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 11.12.20)

M   R        (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 29.12.20)

W    A         (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 29.12.20)

M         C         (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 29.12.20)

BKK Mobil-Oil:

R          B       (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 23.11.20)

W     D     (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 23.11.20)

Z       F     (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 23.11.20)

Z      M      (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 23.11.20)

DAK Gesundheit:

G         T       (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 03.12.20)

H     N      (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 03.12.20)

L     Z      (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 17.12.20)

R     N      (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 17.12.20)

IKK Südwest:

M       A      (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 09.12.20)

S            L   (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 09.12.20)

H            M     (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 09.12.20)

KKH:

W       U   (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 22.12.20)

F       C        (Aufnahmenr: 2     , Beauftragungsdatum MD 22.12.20)

Siemens BKK:

B     N       (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 16.12.20)

Techniker Krankenkasse:

H    S         (Aufnahmenr: 2    , Beauftragungsdatum MD 23.12.20)

äußerst hilfsweise,

dem Antragsgegner zu untersagen, für das Quartal 4/2020 in Absprache mit den betreffenden Krankenkassen mehr als einen Prüfauftrag je gesetzlicher Krankenkasse nach dem 19.11.2020 für das Quartal 4/2020 durchzuführen, bis das Verfahren über den Widerspruch vom 06.05.2021 rechtskräftig abgeschlossen ist.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den Beschluss des SG Speyer für zutreffend und verweist ergänzend auf einen Beschluss des SG Detmold vom 05.10.2021 - S 16 KR 731/21 ER (Bl. 366 ff. der Gerichtsakte). Es liege nicht in seiner rechtlichen Kompetenz, die Gemeinsame Anzeige als rechtswidrig anzusehen oder die Datenbasis anzuzweifeln.

Der Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag.

Er macht geltend, dass er den Anteil unbeanstandeter Schlussrechnungen der Klinik der Antragstellerin im Quartal 2/2020 auf der Grundlage von § 275c Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB V aufgrund der von den Krankenkassen nach § 275c Abs. 4 Satz 2 SGB V übermittelten Angaben berechnet habe, wobei für die näheren Einzelheiten die „Festlegungen gemäß § 275c Abs. 4 Satz 5 SGB V“ in der Fassung vom 17.04.2020 (Bl. 205 ff. der Gerichtsakte) maßgeblich gewesen seien. Für die Zuordnung zum Quartal sei danach das Datum der Leistungsentscheidung der jeweiligen Krankenkasse maßgeblich gewesen, nicht das Datum der gutachterlichen Stellungnahme des Antragsgegners, von dem die Antragstellerin bei ihrer Aufstellung ausgehe. Für das Quartal 2/2020 seien 18 abgeschlossene Prüfungen von Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlungen gemeldet worden, von denen nur zwei unbeanstandet gewesen seien (gerundet 11 %). Des Weiteren sei das SG Speyer zu Recht davon ausgegangen, dass im Jahr 2020 keine starre Prüfquote von 5 % gegolten habe. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut, der Systematik und auch aus dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers, der § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V nicht aufgehoben habe und die Krankenhäuser nicht von der Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung habe entlasten wollen. So seien auch weder seine Auswertungspflicht nach § 275c Abs. 4 Satz 3 SGB V noch seine Berichtspflicht nach § 17c Abs. 6 Satz 1 und 4 KHG für das Jahr 2020 aufgehoben worden.

Die Beigeladenen zu 2) bis 5) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten den Beschluss des SG Speyer für zutreffend und verweisen ergänzend auf den Beschluss des SG Detmold vom 05.10.2021 - S 16 KR 731/21 ER. Über den Widerspruch der Antragstellerin gegen die Gemeinsame Anzeige vom 19.11.2020 sei nicht durch Widerspruchsbescheid entschieden worden und dies sei auch nicht beabsichtigt, weil kein Verwaltungsakt ergangen sei; die Klage S 17 KR 208/21 sei unzulässig. Die Gemeinsame Anzeige sei erfolgt, weil der Anteil unbeanstandeter Schlussrechnungen der Antragstellerin mit 11 % weit unterhalb von 20 % gelegen habe. Die Auffassung des BMG zur Auslegung von § 275c Abs. 2 SGB V werde nicht geteilt. Das Hauptsacheverfahren gegen den Antragsgegner sei offensichtlich unzulässig und unbegründet und die Antragstellerin bei fehlerhafter Rechnungslegung auch nicht schutzwürdig. Auch bei offenen Erfolgs­aussichten müsse bei einer Folgenabwägung das Interesse der Versichertengemeinschaft an korrekten Abrechnungen das Interesse der Antragstellerin überwiegen, von weiteren Prüfungen verschont zu bleiben. Die Gemeinsame Anzeige sei aufgrund eines bei der Besprechung der Geschäftsführer und Vorstände der Beigeladenen zu 2) bis 5) am 12.11.2020 gefassten Beschlusses federführend durch den Beigeladenen zu 3) erfolgt (Bl. 448 ff. der Gerichtsakte); aus dem Beschluss ergebe sich die Legitimation.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte S 17 KR 208/21 des SG Speyer (einschließlich Verwaltungsakte des Beigeladenen zu 3) und der Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das SG Speyer hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Statthaft ist hier ein Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Es liegt keine Konstellation nach § 86b Abs. 1 SGG vor, weil die Antragstellerin ihr Begehren in der Hauptsache nicht lediglich mit einer Anfechtungsklage verfolgen könnte. Sie begehrt in der Hauptsache vom Antragsgegner die Ablehnung von Prüfaufträgen nach § 275c Abs. 2 Satz 5 SGB V, mithin ein aktives Tun des Antragsgegners gegenüber der auftraggebenden Krankenkasse, und im Verhältnis zur Antragstellerin selbst die Unterlassung der entsprechenden Prüfungen. Im vorliegenden Eilrechtschutzverfahren kann dieses Hauptsachebegehren statthafterweise durch die mit den Haupt- und Hilfsanträgen beantragte vorläufige gerichtliche Unterlassungsanordnung zur Bewahrung des bestehenden Zustands gesichert werden.

Eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann (auch schon vor Klageerhebung, § 86b Abs. 3 SGG) ergehen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieses Recht vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn sich aus den glaubhaft gemachten Tatsachen ergibt, dass es die individuelle Interessenlage des Antragstellers - unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter - unzumutbar erscheinen lässt, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Rechts auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Ob die Anordnung derart dringlich ist, beurteilt sich insbesondere danach, ob sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung einer drohenden Gefahr oder aus anderen, ebenso schwerwiegenden Gründen nötig erscheint. Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass dem Antragsteller das zu sichernde Recht zusteht und er deshalb im Hauptsacheverfahren mit demselben Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen hierbei nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr verhalten sie sich in einer Wechselbeziehung zueinander, in welcher die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (des Anordnungsgrundes) zu verringern sind und umgekehrt. Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens hat das Gericht im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung der Hauptsache eher zuzumuten ist.

Nach diesen Maßstäben kommt der Erlass der begehrten einstweiligen Sicherungsanordnung nicht in Betracht. Es fehlt offensichtlich an einem Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner nun jeweils maximal einen Auftrag zur Prüfung der Schlussrechnungen der Antragstellerin wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung je gesetzlicher Krankenkasse für das Quartal 4/2020 annimmt und durchführt und die darüber hinausgehenden Prüfaufträge für das Quartal 4/2020 ablehnt.

Zutreffend hat das SG mit Blick auf den erforderlichen Anordnungsanspruch ausschließlich auf das Rechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner abgestellt. Etwaige Ansprüche der Antragstellerin gegen die Beigeladenen sind im vorliegenden Verfahren weder unmittelbar noch inzident zu prüfen. Begehrt die Antragstellerin diesbezüglich einstweiligen Rechtsschutz, so muss sie ein gerichtliches Verfahren gegen den betreffenden Beigeladenen einleiten. Unerheblich sind daher sämtliche Einwände der Antragstellerin gegen die Bestimmung und Veröffentlichung des Anteils unbeanstandeter Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung der Klinik der Antragstellerin im Quartal 2/2020 mit 11 % durch den Beigeladenen zu 1). Nach den gesetzlichen Bestimmungen in § 275c Abs. 4 und 5 SGB V handelt es sich bei der „Ermittlung der Prüfquote nach Absatz 4“ um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X, gegen den Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben. Für den Antragsgegner hat dieser Verwaltungsakt des Beigeladenen zu 1) Tatbestandswirkung. Er hat die Rechtmäßigkeit des veröffentlichten Anteils unbeanstandeter Schlussrechnungen nicht zu prüfen. Die Frage, ob der MD die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs eines Krankenhausträgers gegen die „Ermittlung der Prüfquote nach Absatz 4“ zu beachten hätte, stellt sich nicht. Die Antragstellerin hat schon keinen Widerspruch gegen den Verwaltungsakt des Beigeladenen zu 1) eingelegt; umso weniger ist die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs nach § 86a Abs. 2 SGG oder § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG angeordnet worden.

Ein Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner auf Ablehnung der einen je Krankenkasse übersteigenden weiteren Prüfaufträge folgt nicht aus der einzig in Betracht kommenden Regelung des § 275c Abs. 2 Satz 5 SGB V. Danach hat der MD eine nach § 275c Abs. 1 Satz 3 SGB V eingeleitete Prüfung einer Schlussrechnung für vollstationäre Krankenhausbehandlung abzulehnen, wenn die nach § 275c Abs. 2 Satz 1 oder 4 SGB V zulässige quartalsbezogene Prüfquote eines Krankenhauses von der Krankenkasse überschritten wird; dafür ist die nach § 275c Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 SGB V veröffentlichte Anzahl der Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung, die die einzelne Krankenkasse vom einzelnen Krankenhaus im vorvergangenen Quartal erhalten hat, heranzuziehen. Vorliegend kann dahinstehen, ob diese Regelung ein subjektiv-öffentliches Recht eines Krankenhausträgers gegen den MD auf Ablehnung von die quartalsbezogene Prüfquote überschreitenden Prüfaufträgen begründet oder ob der Krankenhausträger darauf beschränkt ist, die Unzulässigkeit entsprechender Prüfaufträge gegenüber der jeweiligen Krankenkasse geltend zu machen. Auch wenn § 275c Abs. 2 Satz 5 SGB V ein solches Recht eines Krankenhausträgers gegen den MD begründen sollte, verhilft das dem Begehren der Antragstellerin nicht zum Erfolg. Denn § 275c Abs. 2 Satz 5 SGB V ist hier nicht einschlägig, weil für die Klinik der Antragstellerin für das Quartal 4/2020 die vorrangige Regelung des § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V gilt. 

§ 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V, der seit der Einfügung von § 275c SGB V mit Wirkung zum 01.01.2020 durch das Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) vom 14.12.2019 unverändert geblieben ist, besagt, dass dann, wenn der Anteil unbeanstandeter Abrechnungen eines Krankenhauses unterhalb von 20 % liegt oder ein begründeter Verdacht einer systematisch überhöhten Abrechnung besteht, die Krankenkasse bei diesem Krankenhaus auch nach Erreichen der Prüfquote vor Ende eines Quartals zu weiteren Prüfungen nach § 275c Abs. 1 SGB V befugt ist. Nach der ebenfalls unveränderten Regelung in § 275c Abs. 2 Satz 7 SGB V haben die anderen Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 und 2 KHG das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V unter Angabe der Gründe vor der Einleitung der Prüfung bei der für die Krankenhausversorgung zuständigen Landesbehörde gemeinsam anzuzeigen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Vornahme von Abrechnungsprüfungen im Quartal 4/2020 auch nach Erreichen der Prüfquote (respektive im Falle der Antragstellerin gemäß § 275c Abs. 2 Satz 8 SGB V von mehr als einer Prüfung einer Schlussrechnung je Krankenkasse) liegen vor, da der vom Beigeladenen zu 1) verbindlich festgestellte Anteil unbeanstandeter Abrechnungen der Klinik der Antragstellerin im Quartal 2/2020 unterhalb von 20 % lag. Zudem ist die Gemeinsame Anzeige der Beigeladenen zu 2) bis 5) an das zuständige MSAGD am 19.11.2020 tatsächlich erfolgt. Daher kann dahinstehen, ob die Gemeinsame Anzeige nach Satz 7 der Vorschrift überhaupt eine Voraussetzung für die in Satz 6 der Vorschrift eröffnete weitergehende Prüfbefugnis der Krankenkassen darstellt (so Felix, NZS 2020, 481 <483>) oder ob es sich lediglich um eine Ordnungsvorschrift handelt, die nur der Transparenz (vgl. BT-Drucks. 19/13547, S. 1) und Information der Aufsichtsbehörde über die Krankenhäuser mit besonders schlechter Abrechnungsqualität dient (so Seifert, in: Becker/ Kingreen/ Seifert, SGB V, 7. Auflage 2020, SGB V § 275c Rn. 32). Jedenfalls obliegt es nicht dem Antragsgegner, vor der Übernahme von Prüfaufträgen in eigener Zuständigkeit die Rechtmäßigkeit einer existenten Gemeinsamen Anzeige - hier etwa die von der Antragstellerin bezweifelte ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Beigeladenen zu 3) durch die Beigeladenen zu 2), 4) und 5) - zu prüfen. Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin insofern auch darauf, dass der Antragsgegner jedenfalls die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 14.04.2021 und ihrer Klage (SG Speyer, S 17 KR 208/21) gegen die Gemeinsame Anzeige zu beachten habe. Denn eine aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs. 1 SGG kommen Widerspruch und Klage nicht zu. Es handelt sich bei der Gemeinsamen Anzeige nach § 275c Abs. 2 Satz 7 SGB V nicht um einen Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X, sondern um einen bloßen Realakt. Der Gemeinsamen Anzeige fehlt es am Regelungscharakter, denn sie ist nicht darauf gerichtet, eine Rechtsfolge zu setzen. Es handelt sich vielmehr um die schlichte Information der zuständigen Aufsichtsbehörde über einen Sachverhalt, nämlich über das Vorliegen der Voraussetzungen von § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V bei einem bestimmten Krankenhaus. Der Verwaltungsakt, der dieser Information zugrunde liegt und der die erweiterte Prüfbefugnis der Krankenkassen eröffnet, wurde vorliegend vom Beigeladenen zu 2) durch die Bestimmung und Veröffentlichung des Anteils unbeanstandeter Abrechnungen nach § 275c Abs.  4 SGB V erlassen. Es würde zudem dem Sinn und Zweck sowie der Gesetzessystematik von § 275c SGB V ersichtlich widersprechen, die Gemeinsame Anzeige als Verwaltungsakt zu qualifizieren, weil die Regelung in § 275c Abs. 5 Satz 1 SGB V, mit der dem Interesse einer flächendeckenden Anwendung des gestuften Prüfsystems Rechnung getragen werden soll (vgl. BT-Drucks. 19/13397, S. 66), durch Widerspruch und Klage gegen die Gemeinsame Anzeige unterlaufen werden könnte. Es ist bei der Qualifizierung als Realakt ferner unerheblich, ob sich der Antragsgegner an die Gemeinsame Anzeige „gebunden“ fühlt. Aufgrund der Tatbestandswirkung rechtlich verbindlich ist für den Antragsgegner der Verwaltungsakt des Beigeladenen zu 2); hinsichtlich der Gemeinsamen Anzeige kann sich der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin auf deren faktische Existenz berufen.

§ 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V ist im Quartal 4/2020 anwendbar. Das ergibt die Auslegung von § 275c Abs. 2 SGB V in der aktuellen, ab dem 23.09.2020 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege (Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz - GPVG) vom 22.12.2020 (BGBl. I S. 3299) nach Wortlaut, Gesetzessystematik, Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte.

§ 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V enthält in seinem Wortlaut keinen Hinweis auf einen eingeschränkten zeitlichen Geltungsbereich. Anders als etwa § 275c Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB V enthält die Regelung auch nach den drei während der COVID-19-Pandemie erfolgten Änderungen von § 275c SGB V durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz zum 28.03.2020, durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.05.2020 (BGBl. I S. 1018) zum 23.05.2020 und durch das GPVG zum 23.09.2020 nicht die Formulierung „im Jahr …“ oder „ab dem Jahr …“. Der unveränderte Wortlaut von § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V bietet auch keinen Anhaltspunkt für die Annahme der Antragstellerin sowie des BMG, dass die darin enthaltene Ausnahmeregelung als vierte Stufe der in § 275c Abs. 2 Satz 4 SGB V normierten gestuften quartalsbezogenen Prüfquote anzusehen wäre, welche nach § 275c Abs. 2 Satz 2 SGB V erst ab dem Jahr 2022 gilt. Zwar stellen sowohl § 275c Abs. 2 Satz 4 SGB V als auch § 275c Abs. 2 Satz 6 Variante 1 SGB V auf den „Anteil unbeanstandeter Abrechnungen“ ab. Die Verwendung desselben Tatbestandsmerkmals in zwei getrennten Sätzen innerhalb von § 275c Abs. 2 SGB V verknüpft diese Regelungen aber nicht miteinander; vielmehr knüpft das Tatbestandsmerkmal jeweils eigenständig an den vom Beigeladenen zu 1) nach § 275c Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB V ab dem Jahr 2020 zu bestimmenden und zu veröffentlichenden Anteil unbeanstandeter Schlussrechnungen eines Krankenhauses an. Des Weiteren bietet der Wortlaut von § 275c Abs. 2 Satz 1 SGB V keinen Hinweis darauf, dass die dort seit dem 28.03.2020 für das Jahr 2020 normierte quartalsbezogene Prüfquote von bis zu 5 % eine „maximale“, „absolute“ oder „starre“ Prüfquote wäre. Derartige Attribute enthält der Gesetzeswortlaut auch nach den erfolgten Änderungen nicht.

Die Systematik von § 275c Abs. 2 SGB V spricht ebenfalls dafür, dass § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V bereits im Jahr 2020 anwendbar ist. So ist die Geltung von § 275c Abs. 2 Satz 5, Satz 8 und Satz 9 SGB V zweifellos nicht auf das Jahr 2022 aufgeschoben. Die darin enthaltenen Regelungen gelten seit dem Inkrafttreten von § 275c SGB V, obwohl auch diese Sätze den Sätzen 2 und 4 innerhalb von § 275c Abs. 2 SGB V nachfolgen. Es gibt keinen systematischen Grund, weshalb dies für Satz 6 und Satz 7 anders zu beurteilen sein sollte. Zudem enthält § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V nicht nur den vorliegend erfüllten Ausnahmetatbestand eines Anteils unbeanstandeter Abrechnungen unterhalb von 20 %, sondern den weiteren Ausnahmetatbestand des begründeten Verdachts einer systematisch überhöhten Abrechnung. Der letztgenannte Ausnahmetatbestand ist eigenständig; er kann ersichtlich nicht als vierte Stufe der gestuften quartalsbezogenen Prüfquote nach § 275c Abs. 2 Satz 2 und 4 SGB V qualifiziert werden. Dies spricht eindeutig dafür, dass die in § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V enthaltenen zwei Ausnahmetatbestände die Krankenkassen gleichermaßen von der einheitlichen quartalsbezogenen Prüfquote nach § 275c Abs. 1 Satz 1 SGB V als auch von der gestuften quartalsbezogenen Prüfquote nach § 275c Abs. 1 Satz 2 und 4 SGB V entbinden. Würde der Ausnahmetatbestand des Anteils unbeanstandeter Abrechnungen unterhalb von 20 % hingegen die vierte Stufe der erst ab 2022 geltenden gestuften quartalsbezogenen Prüfquote darstellen, so hätte er nach der Gesetzessystematik dort als § 275c Abs. 2 Satz 4 Nr. 4 SGB V normiert werden müssen. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass der Beigeladene zu 1) nach § 17c Abs. 6 Satz 1 Nr. 6 in Verbindung mit Satz 4 KHG bereits für das Jahr 2020 über die Anzahl und Gründe der Anzeigen nach § 275c Abs. 2 Satz 7 SGB V berichten soll. Diese Regelung setzt die Anwendung von § 275c Abs. 2 Satz 7 SGB V und mittelbar auch von § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V bereits im Jahr 2020 voraus.

Ebenso sprechen Sinn und Zweck von § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V für eine Anwendung der Regelung bereits im Jahr 2020. Die Regelung dient ersichtlich dem Zweck, Krankenkassen - und damit letztlich die Beitragszahler - vor der Bezahlung fehlerhaft erstellter Schlussrechnungen zu schützen. Wenn ein Krankenhaus in der Vergangenheit weniger als 20% der überprüften Abrechnungen beanstandungsfrei erstellt hat oder wenn ein begründeter Verdacht einer systematisch überhöhten Abrechnung besteht, ist das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Rechnungstellung erheblich beeinträchtigt und der Krankenkasse wird es zum Schutz ihrer Interessen ermöglicht, ausnahmsweise auch nach Ausschöpfung der zulässigen Prüfquote Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlungen zu prüfen. Schlechte Abrechnungsqualität oder systematische Falschabrechnungen sind nicht akzeptabel und die jeweiligen Krankenhausträger, die die Ausnahmetatbestände des § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V durch eigenes Verhalten verwirklicht haben, sind gegenüber dem Aufwand der Prüfungen durch dem MD nicht schutzwürdig (vgl. Felix, NZS 2020, 481 <483>: „gleichsam für ‚schwarze Schafe‘ geltende Sonderregelung“). § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V bietet zugleich für die Krankenhäuser einen dauerhaften Anreiz, durch ordnungsgemäße Abrechnungen zukünftige MD-Prüfungen oberhalb der quartalsbezogenen Prüfquote zu vermeiden. Dieser bei der Schaffung von § 275c SGB V zum 01.01.2020 verfolgte Gesetzeszweck ist durch die Bedingungen der COVID-19-Pandemie nicht berührt. Das öffentliche Interesse, erfahrungsgemäß schlecht abrechnende Krankenhäuser engmaschiger als durch die quartalsbezogene Prüfquote vorgegeben überprüfen können, kann vor dem Hintergrund der finanziellen Gesamtbelastung der Krankenkassen durch die Folgen der Pandemie jedenfalls nicht geringer geschätzt werden als außerhalb von Pandemiezeiten. 

Die Gesetzeshistorie und die Gesetzesmaterialien schließlich legen das von der Antragstellerin bevorzugte Auslegungsergebnis keineswegs so eindeutig nahe, dass die vorgenannten gegenläufigen Gesichtspunkte dahinter zurücktreten würden. So ist zunächst festzuhalten, dass § 275c Abs. 2 SGB V in seiner am 01.01.2020 in Kraft getretenen ursprünglichen Fassung des MDK-Reformgesetzes in Satz 1 für das Jahr 2020 bereits eine einheitliche quartalsbezogene Prüfquote vorsah, namentlich in Höhe von 12,5 %. Die gestufte quartalsbezogene Prüfquote sollte nach § 275c Abs. 2 Satz 3 SGB V erst ab dem Jahr 2021 gelten. Ohne Zweifel bezogen sich die Ausnahmekonstellationen in § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V ab dem 01.01.2020 auch auf die einheitliche quartalsbezogene Prüfquote und sollten mithin im Jahr 2020 gelten. Mit Wirkung zum 28.03.2020 wurde durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz in § 275c Abs. 2 Satz 1 SGB V lediglich die Zahl 12,5 durch die Zahl 5 ersetzt; sonst erfolgte im gesamten Absatz 2 des § 275c SGB V keine Änderung. Es ist nicht plausibel, dass der Gesetzgeber die Sätze 6 und 7 der Regelung nicht ändert, wenn er tatsächlich hätte regeln wollen, dass die dort normierten Ausnahmetatbestände anders als zuvor nur noch für die erst zukünftige gestufte quartalsbezogene Prüfquote gelten sollten. Die zeitliche Anwendbarkeit sowohl des Aufschlages nach § 275c Abs. 3 SGB V (durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz) als auch der gestuften quartalsbezogenen Prüfquote (durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite) sind durch die Änderung bzw. die Einfügung von Jahreszahlen pandemiebedingt aufgeschoben worden; für § 275c Abs. 2 Satz 6 und 7 SGB V hingegen hat der Gesetzgeber davon abgesehen. Mit dem COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz wurde zwar die einheitliche quartalsbezogene Prüfquote von 12,5 % auf 5 % reduziert, um die Krankenhäuser von den MD-Prüfungen deutlich zu entlasten. In der Gesetzesbegründung wird insoweit von der „maximal zulässigen Prüfquote“ gesprochen (vgl. BT-Drucks 19/18112, S. 35). Die Gesetzesbegründung verhält sich indes nicht zu den in § 275c Abs. 2 SGBV enthaltenen Ausnahmetatbeständen zu der Prüfquote. Es ist fernliegend, dass der Gesetzgeber im Jahr 2020 nur zur Aufwandsvermeidung selbst bei einem Verdacht einer systematisch überhöhten Abrechnung (§ 275c Abs. 2 Satz 6 Variante 2 SGB V) eine Prüfung von mehr als 5 % der Krankenhausabrechnungen endgültig ausschließen wollte. Zudem war die einheitliche quartalsbezogene Prüfquote des § 275c Abs. 2 Satz 1 SGB V schon im Gesetzgebungsverfahren zum MDK-Reformgesetz als „maximal zulässige Prüfquote“ bezeichnet worden (vgl. BT-Drucks 19/14871, S. 106). Konnte die damalige „maximale“ Prüfquote von 12,5 % unter den Voraussetzungen des § 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V überschritten werden, so spricht die erneute Verwendung derselben Bezeichnung in der Gesetzesbegründung zum COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz für sich genommen nicht dafür, dass dies nach dem Willen des Gesetzgebers für die neue „maximale“ Prüfquote von 5 % ausgeschlossen sein sollte.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es entspricht der Billigkeit, die Kosten der Beigeladenen zu 2) bis 5), die einen eigenen Antrag gestellt haben, der Antragstellerin aufzuerlegen, weil diese Beigeladenen - anders als der Beigeladene zu 1) - dadurch ein eigenes Kostenrisiko eingegangen sind.

Bei der Streitwertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 4, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) geht der Senat für das vorläufige Rechtsschutzverfahren von einem Viertel der Summe der von den Prüfaufträgen betroffenen Vergütungsforderungen der Antragstellerin aus (vgl. A.I.10 des Streitwertkatalogs für die Sozialgerichtsbarkeit <5. Auflage 2017>).

Die Beschwerde gegen diesen Beschluss an das Bundessozialgericht ist nicht statthaft (§ 177 SGG).

Rechtskraft
Aus
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