Ein höheres Gehalt, mehr Entlastung, bessere Bedingungen – das sind an diesem Dienstagnachmittag nur drei der Forderungen, die Bremer Pflegeschülerinnen und -schüler der Politik mit auf den Weg geben. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi haben sie die gesundheitspolitischen Sprecher der Fraktionen zu einer Debatte ins Gewerkschaftshaus eingeladen. Deutlich wird dabei: Aus Sicht der Pflegeschüler muss sich das gesamte System verändern.
In den vergangenen Jahren habe es schon diverse Gesetze gegeben, um die Pflegebedingungen zu verbessern, es seien allerdings nur „die Symptome bekämpft“ worden, sagt Merle Köppelmann in ihrem Vortrag. Sie ist eine der einleitenden Rednerinnen. Die Pflegefachkräfte stünden wegen des Fachkräftemangels unter großem Druck. „Wir wollen einen Systemwechsel“, beendet Köppelmann ihre Rede.
Als Beispiele für einen solchen Systemwechsel zieht Sabine Helmbrecht, Auszubildende bei der Bremer Heimstiftung, die Niederlande und das Burgenland in Österreich heran. „In Deutschland geht es nicht um die Bedürfnisse der Menschen, sondern einfach nur um Kohle“, fasst sie zusammen. Eine Aussage, bei der die Zuhörer laut klatschen.
Jann Wegner, Ausbilder im Bremer Zentrum für Gesundheit, bittet die Politiker schließlich aufs Podium. Bis auf Rainer Bensch von der CDU konnten es alle gesundheitspolitischen Sprecher einrichten, an diesem Nachmittag in das Gewerkschaftshaus zu kommen. „Wie würden Sie sich persönlich gute Pflege vorstellen?“, fragt Wegner in die Runde. „Kern von guter Pflege sollte sein, dass man das bekommt, was man braucht. Nicht das, was gerade am meisten Profit gibt oder am schnellsten geht“, sagt Nelson Janßen von den Linken. Ilona Osterkamp-Weber von den Grünen spricht sich dafür aus, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Lust darauf machen in dem Berufsfeld zu arbeiten.
Der Saal des Gewerkschaftshauses ist bis auf den letzten Platz besetzt, viele Besucher sitzen auf Tischen, die an den Wänden aufgestellt sind. Gekommen sind sowohl Auszubildende und Pflegeschüler als auch bereits ausgelerntes Pflegepersonal und Menschen, die selbst Angehörige gepflegt haben. Sie alle wollen hören, was die Politiker vorhaben, um ihre Situation zu verbessern.
„Haben Sie den Mut für einen Systemwechsel? Können Pflegeeinrichtungen raus aus dem ökologischen Imperativ“, fragt Wegner weiter. Magnus Buhlert von der FDP sieht das kritisch: „Es ist nicht nur das Geld, aber es ist auch das Geld.“ Auch mit gemeinnützigen Einrichtungen sehe er keinen Ausweg aus dieser Maschinerie, es müsse immer einen Kostenträger geben. Die Sozialdemokratin Ute Reimers-Bruns hingegen plädiert darauf, den genauen Bedarf an Pflegepersonal zu ermitteln und daraus die Konsequenzen zu ziehen. Man müsse die Pflegebedürftigen zur Priorität machen, denn für Prioritäten seien Mittel vorhanden. „Was sind uns unsere Bürger wert?“, fragt sie.
Dass mit Pflege Profit gemacht wird, darüber sind sich die Gesundheitssprecher einig, dürfe nicht sein. „Ein Wechsel von privat zu gemeinwirtschaftlich reicht nicht“, sagt Osterkamp-Weber. „Ich denke, dass das Maß dessen, was eine einzelne Pflegekraft leisten kann, erreicht ist.“ Ein großes Thema sei die Frage, wie in Zukunft Pflege finanziert werden solle. Wenn es nach dem Publikum geht: aus Steuermitteln. „Wir sind eines der reichsten Länder der Erde, aber wir nutzen das Geld für die Rüstung und nicht für die Menschlichkeit“, moniert Zuschauerin Margot Konetzka.
„Ob unser Versicherungssystem noch das Richtige ist – ich weiß es nicht“, sagt Janßen. Allerdings sei am Beispiel von England zu sehen, dass auch steuerfinanzierte Systeme Probleme im Bereich der Pflege haben können. „Umverteilen finde ich natürlich immer super. Aber die Frage muss auch sein: Wie wird das Geld verteilt?“ FDP-Politiker Buhlert mahnt allerdings, dass auch im Falle einer Systemänderung am Ende der Bürger dafür zahle. „Der Anteil für Pflege- und Krankenversicherung müsste dann auf die Steuer draufgelegt werden. Ob das besser ist?“, fragt er.
Einigkeit herrscht bei den Sprechern hingegen darüber, dass Tariflöhne erhöht und Pflegeschulen besser ausgestattet werden müssen. „Das Wichtigste ist, dass man Leute dazu bekommt, diese Ausbildung zu machen. Dafür müssen die Leute von diesem Beruf leben können“, erklärt Reimers-Bruns.
Um die Politiker in Zugzwang zu bringen, haben die Organisatoren der Podiumsdiskussion einen Antrag für die Bürgerschaft vorbereitet. So einfach geht das allerdings nicht: „Wir müssen uns beraten und diesen Antrag überarbeiten“, sagt Janßen.