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Das steht im Krankenhaus-Gutachten

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Prof. Norbert Roeder hat das Gutachten zur Zukunft der Krankenhaus Weilheim-Schongau GmbH verfasst.
Prof. Norbert Roeder hat das Gutachten zur Zukunft der Krankenhaus Weilheim-Schongau GmbH verfasst. © Foto: Sebastian Tauchnitz

Prof. Norbert Roeder hat das Gutachten zur Zukunft der Krankenhaus Weilheim-Schongau GmbH verfasst. Im Gespräch mit der Heimatzeitung erklärt er, warum die Erfolge der vergangenen Jahre nicht ausreichen werden, um das Unternehmen dauerhaft zu retten und warum eine Multimillioneninvestition in ein neues Großkrankenhaus unumgänglich sei.

Landkreis – „Eines möchte ich gleich vorausschicken, weil uns das immer wieder unterstellt wird: Unser Auftrag war nicht, Varianten zu erarbeiten, um das Defizit der Krankenhaus Weilheim-Schongau GmbH zu senken. Es ging darum, die Gesundheitsversorgung in der Region zu sichern“, sagt Prof. Norbert Roeder zu Beginn des Gesprächs.

Und tatsächlich redet er im Folgenden sehr wenig über Zahlen und sehr viel über Medizin. Das Problem, sagt Roeder, sei nicht unbedingt der Zuschuss, den der Landkreis Jahr für Jahr zahlt. Das Problem sei, dass das Schongauer Krankenhaus akut gefährdet ist, weil sich immer schwieriger Ärzte finden lassen wollen, die da arbeiten.

„Beim Pflegepersonal ist das weniger ein Problem – die Mitarbeiter kommen in der Regel aus der Region. Und da hat die Krankenhaus GmbH in den vergangenen Jahren einen guten Job dabei gemacht, Personal anzuwerben und zu binden.“ Beim ärztlichen Personal sehe das schon anders aus.

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„Die Ärzte, die im Weilheimer Krankenhaus arbeiten, wohnen zu 80 Prozent in München und pendeln“, so der Gutachter. Bis nach Schongau wolle aber kaum ein Mediziner täglich pendeln. „Deswegen sind dort manche Stellen seit anderthalb Jahren unbesetzt“, so Roeder. Einzig mit Ärzten aus dem Ausland ließe sich der Betrieb in Schongau noch aufrecht erhalten.

Das Problem werde sich in den kommenden Jahren verschärfen. Dabei spiele auch die Demografie eine Rolle. Es scheiden mehr Menschen aus dem Arbeitsleben aus, als junge Menschen den Job ergreifen. Und die Generation, die jetzt am Beginn ihres Berufslebens steht, die habe andere Ansprüche. „Die jungen Ärzte achten deutlich mehr als die früheren Generationen auf ihre Work-Life-Balance“, so der Gutachter.

Krankenhaus GmbH hat gute Vorarbeit geleistet

Sie würden engagiert und kompetent ihre Aufgaben erledigen – aber oft auch nur in dem Rahmen, den die Tarifverträge vorsehen. „Damit stellt sich die Frage, ob man bestimmte Leistungen am Standort Schongau noch erbringen kann“, argumentiert Roeder.

Das habe sich bereits in den vergangenen Jahren abgezeichnet. Die Krankenhaus GmbH habe das schon clever gemacht, indem in den meisten Abteilungen übergreifende Chefarzt-Zuständigkeiten für beide Häuser eingeführt wurden. Da könnten die Chefärzte dann ganz nach Bedarf ihre Leute an den einen oder anderen Standort schicken.

Auch durch die Konzentration von Abteilungen habe man bereits gute Vorarbeit geleistet, so Roeder weiter. In Schongau gebe es keinen Herzkatheterplatz und keine Schlaganfallbehandlungen mehr – ganz einfach, weil es nicht genügend Spezialisten gebe, um an beiden Standorten immer einsatzbereit zu sein. Zudem konnte dadurch, dass diese Fälle nur noch nach Weilheim eingeliefert werden, auch die notwendige moderne Technik vorgehalten werden. Durch die Kooperation mit dem Uni-Klinikum Rechts der Isar seien so auch komplizierte Schlaganfallbehandlungen möglich.

Weilheim ist das „Blaulicht-Krankenhaus“, in das die Notfälle eingeliefert werden

Weilheim sei zum „Blaulicht-Krankenhaus“ geworden, in das alle Notfälle eingeliefert werden. Einzige Ausnahme: Die Unfallchirurgie wurde in Schongau etabliert, schwerere Fälle werden allerdings nach Murnau geflogen.

Doch all das werde in Zukunft nicht ausreichen, um beide Standorte dauerhaft erhalten zu können, so der Gutachter weiter. Das liege nicht am Geld, sondern „schlichtweg daran, dass die Spezialisten fehlen“.

Es gehe also darum, sich attraktiv zu machen für die Fachärzte. Und da führe an einem Neubau kein Weg vorbei. Ein Großkrankenhaus, in dem das gesamte gesundheitliche Angebot zusammengefasst werden soll. 300 bis 350 Betten, geschätzte Kosten für den Neubau: 300 bis 350 Millionen Euro.

Entscheidung musste jetzt fallen, weil Bau acht bis zehn Jahre dauert

„Da sind natürlich noch viele Fragen zu klären. Aber die Entscheidung müsste jetzt getroffen werden, weil so ein Krankenhaus-Neubau mindestens acht bis zehn Jahre in Anspruch nehmen wird“, so Roeder. Und weil er die Debatte über die Zukunft der Krankenhäuser in Weilheim und Schongau natürlich auch verfolgt, sagt er deutlich: „Das bedeutet auch, dass sich an der heutigen Situation erst einmal in den kommenden acht bis zehn Jahren nichts ändern wird.“

Dann allerdings werde es einschneidende Änderungen geben. Der heutige Krankenhaus-Standort in Schongau könnte nach Ansicht des Gutachters dabei zu erheblichen Teilen erhalten bleiben, würde aber ein vollkommen neues Profil bekommen.

Am Standort in Schongau gäbe es noch freie Flächen.
Am Standort in Schongau gäbe es noch freie Flächen. © Foto: Hans-Helmut Herold

Grund seien einschneidende Änderungen in der Gesundheitspolitik, führt Roeder aus. In Zukunft sollen die Patienten weniger häufig stationär aufgenommen, sondern überwiegend ambulant behandelt werden. Das sei in anderen europäischen Ländern bereits üblich und solle nun auch in Deutschland durchgesetzt werden. Das Druckmittel der Krankenkassen dabei ist einmal mehr das Geld. Wenn Krankenhäuser Patienten stationär aufnehmen, obwohl diese auch ambulant versorgt werden könnten, müssten die Krankenhäuser ab dem kommenden Jahr 300 Euro Strafe pro Patient zahlen. „Das bedeutet, dass Sie am Ende bei der Behandlung noch draufzahlen“, so Roeder. In Schongau solle daher – am besten schon beginnend im kommenden Jahr – ein Ambulanzzentrum eingerichtet werden. Bis zu 2000 Behandlungen pro Jahr sollen dort in Zukunft durchgeführt werden – sowohl von fest angestellten Ärzten der Krankenhaus GmbH, aber auch niedergelassenen Ärzten, die die Kapazitäten nutzen oder bei den Medizinischen Versorgungszentren beschäftigt sind.

Findet sich kein Nachfolger, könnten Praxen in MVZ integriert werden

Letzteres soll in Schongau erweitert werden. Denn der Bedarf werde in Zukunft steigen, so Roeder. Das liege – wieder einmal – an den geänderten Ansprüchen der kommenden Ärztegenerationen. Da zeichne sich der deutliche Trend ab, dass immer weniger Mediziner eine eigene Praxis betreiben, sondern lieber in Voll- oder Teilzeit arbeiten wollen. „Darauf sollte man reagieren, indem man, falls niedergelassene Ärzte keine Nachfolger finden, die die Praxis übernehmen wollen, das Angebot in das MVZ integriert“, so Roeder. Das solle nicht als Konkurrenz verstanden werden, sondern als Option, um eine medizinische Versorgung dauerhaft zu sichern. Zudem plädiert der Gutachter dafür, die bestehenden Pflegeschulen in Schongau deutlich auszubauen, um auch in Zukunft ausreichend Pflegekräfte ausbilden zu können. Die bestehende Geriatrie und die geriatrische Reha sollen auch nach der Eröffnung des neuen Großkrankenhauses in Schongau verbleiben, könnten bei Bedarf um palliativmedizinische Angebote und eine Station zur Entwöhnung von Beatmungspatienten ergänzt werden.

Für den Standort Weilheim, der gerade erst für 50 Millionen Euro saniert wurde, soll es nach Ansicht des Gutachters keine Zukunft geben. „Alle heute dort angesiedelten Abteilungen würden dann mit Sack und Pack in das neue Krankenhaus ziehen, das Gebäude in Weilheim könnte veräußert werden“, so Roeder klar.

Die Robotik-Sparte in Weilheim lockt mittlerweile Patienten aus dem weiteren Umkreis an.
Die Robotik-Sparte in Weilheim lockt mittlerweile Patienten aus dem weiteren Umkreis an. © Foto: Krankenhaus GmbH

Es gebe mit Blick auf den möglichen Standort des neuen Krankenhauses keinen Grund, das Haus in Weilheim weiter zu betreiben. „Wir haben im Gutachten einen fiktiven Standort festgelegt, von dem 98 Prozent des Landkreises innerhalb der vorgeschriebenen Zeiten erreicht werden können. Dieser Standort liegt zwischen Peißenberg und Weilheim“, so der Gutachter. Dort könne ein „Gesundheitscampus“ entstehen, schlägt er vor. Neben dem neuen Krankenhaus könnten sich dort auch weitere Praxen und Apotheken ansiedeln. Die Investitionen in derartige Zusatzgebäude und Parkhäuser ließen sich über Mieten und Parkgebühren komplett refinanzieren. Beim Land und beim Landkreis blieben nur die reinen Baukosten für das neue Krankenhaus.

Freistaat in der Pflicht, die nötigen Investitionen zu finanzieren

Roeder sieht dabei den Freistaat in der Pflicht: „Von Gesetzes wegen ist der Freistaat dafür zuständig, die Investitionen für die Krankenhaus-Infrastruktur zu übernehmen. Daran hält man sich seit einigen Jahren allerdings nicht mehr, sondern fordert in der Regel einen Eigenanteil von 50 Prozent“, erklärte der Gutachter.

So sei das aber nicht gedacht: „Die Fallpauschalen, die für die Behandlung der Patienten bezahlt werden, sind ausschließlich dafür da, die Betriebskosten auszugleichen. Da ist kein Investitionskostenanteil dabei.“ Roeder schlägt also vor, dass der Freistaat den Neubau des Krankenhauses komplett übernimmt. Ob sich München darauf einlässt, darf aber bezweifelt werden. Noch herrscht große Unsicherheit, ob der Freistaat überhaupt schon wieder Geld zusteuern würde, nachdem gerade erst Millionen in die Sanierung des Weilheimer Krankenhauses investiert wurden.

Für den Gutachter ist der Neubau dennoch alternativlos, daran lässt er keinen Zweifel aufkommen: „Wenn der Landkreis diesen Weg nicht geht, ist die künftige Krankenhausversorgung in der Region akut gefährdet“, warnt er.

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