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Kliniken: Gute Belegung, steigendes Defizit

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Klinik-Chefin Dr. Julia Hefty sieht mit Sorge auf die finanziellen Lagen der Kliniken, die sich weiter verschlechtern.
Klinik-Chefin Dr. Julia Hefty sieht mit Sorge auf die finanziellen Lagen der Kliniken, die sich weiter verschlechtern. © jens Priedemuth

Dr. Julia Hefty kritisiert finanzielle Ausstattung und fordert mehr Geld für Pflegepersonal

Hochtaunus -Hessens Kliniken befinden sich finanziell in einer Extremsituation. Die Pandemie hat die Haushaltslage in den Krankenhäusern schwer in die roten Zahlen getrieben. Und durch die Teuerungsraten auf allen Gebieten stehen die Verantwortlichen nicht mehr mit dem Rücken an der Wand, sondern bereits quasi dahinter. Das geht auch den Hochtaunus-Kliniken mit den Standorten Bad Homburg, Usingen und Königstein nicht anders.

Da kommt es doch zupass, dass der Gießener Regierungspräsident jüngst verkündete, dass der „Landesbasisfallwert“ in diesem Jahr um 4,3 Prozent steigt; 4,43 Milliarden Euro für die 147 hessischen Kliniken stehen bereit. Dieser Fallwert ist die Hauptfinanzierung der Kliniken. Das ist doch eigentlich eine gute Nachricht. Aber sie ringt der Geschäftsführerin Dr. Julia Hefty noch nicht einmal ein Lächeln ab. Denn die 4,32 Prozent sind etwa ein Drittel dessen, was die Teuerungsrate in nur einem Jahr ausmacht - etwa durch die hohen Preise bei Strom, Wasser, Personal, Anschaffungen und Ersatzmaterial. . . Was am Ende bedeutet: Die Kliniken im Hochtaunuskreis sind mehr denn je auf den Kreishaushalt angewiesen - derzeit rechnet Hefty mit einem Minus von über 18 Millionen Euro, die aber ohne Probleme auch schnell eine zwei vorne haben könnten.

„Und wir stehen mit diesem Problem nicht allein da. Eine Umfrage des hessischen Klinikverbundes unter allen Kliniken ergab, dass 80 Prozent der Häuser ein zweistelliges Millionen-Defizit ausweisen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnt vor flächendeckender Insolvenzgefahr.“ Und wie sich die neuen Energiepreise auswirken, ist nur sehr vage zu beziffern.

Betten für Covid vorhalten

Die Gründe für die gesamte Schieflage sind klar: Kliniken leben von Behandlungen, also Fallzahlen. Nur müssen im Hochtaunuskreis aktuell nach Vorgabe des Landes, was sich je nach Lage wöchentlich ändert, 36 Betten für Covid-Patienten vorgehalten werden. Damit entfallen weitere 36 Betten, da der Pflegeaufwand doppelt so hoch ist wie bei durchschnittlichen anderen Patienten. Die Pflege sei heutzutage aber neben den räumlichen Anforderungen der limitierende Faktor.

„Wir können also 36 Betten derzeit nicht mit Patienten belegen, die durch Operationen oder Behandlungen Geld für die Klinik bringen würden. Das allein führt schon zu Erlösausfällen von etwa 22 000 Euro je Bett pro Monat.“ Die Covid-Station der Hochtaunus-Kliniken ist nach wie vor voll. Vor allem ältere Menschen ab 70 Jahren leiden unter den Auswirkungen. Die Sterblichkeit ist relativ hoch und steigt mit zunehmendem Alter an. Nun hat der Hochtaunus noch ein anderes Problem - nämlich die Abzahlung der Klinik-Neubauten. „Die Besonderheit ist, dass die Klinik, und damit der Kreis, diese Kosten weitgehend selbst zu tragen haben. Von den 250 Millionen Baukosten damals hat das Land nur 70 Millionen übernommen, obwohl nach Krankenhausfinanzierungsgesetz solche Neubauten Ländersache sind“, erklärte Dr. Hefty. Das macht dann jährlich mit Zins und Tilgung rund 13,8 Millionen Euro, die aus der Kreiskasse stammen. „Und das angenommene Defizit für das Jahr 2023 mit 18 Millionen Euro ist noch optimistisch gerechnet“, sagte die Geschäftsführerin. Es gibt Kliniken, die mit 30 Millionen Verlust rechnen.

Der Rotstift regiert bereits. Der gesamte Verwaltungstrakt liegt im Dämmerlicht, denn im Flur sind die Lampen aus, die Mitarbeiter haben dicke Fleecejacken an, weil die Heizkörper heruntergedreht sind - analog zu den öffentlichen Verwaltungen. Mit vielen kleinen Sparmaßnahmen konnten so etwa 20 Prozent der früheren Energiekosten verhindert werden. „Doch das Ende der Fahnenstange ist damit erreicht“, sagte Hefty. Und schmunzelt: „Wir haben brutalst möglich gespart. Aber die großen Stromfresser können wir nicht abschalten - wie ein MRT, Röntgengeräte oder Linearbeschleuniger. Und die Lüftungsanlage als Hauptverbraucher ist nötig für alle Reinräume und OP-Säle.“

Sie blickt mit dunkler Vorahnung auf die Tarifverhandlungen mit Marburger Bund oder Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst - mit über vier Prozent Steigerung rechnet sie. „Klar ist: Das Pflegepersonal muss besser bezahlt werden, damit wir endlich aus der personellen Krise kommen. Ich könnte derzeit ohne Probleme 70 neue Kräfte in diesem Bereich einstellen.“

Markt ist leer gefegt

Könnte. Kann aber nicht, denn der Markt ist leer gefegt. Unter allen Kliniken herrscht derzeit der rege Versuch, Mitarbeiter abzuwerben. Was nicht illegal ist, aber je nach Standort und finanzieller Ausstattung des Trägers durchaus Verlockungen bietet.

Dass die Kliniken von sich aus einen Aufschlag zahlen, geht aufgrund der Tarifbindung nicht. „Nur mit Ausnahmegenehmigungen und bei extremen personellen Notlagen können wir kleine Zulagen zahlen, die aber an hohe Hürden gebunden sind - und so ist klar, dass die Kliniken sich das Personal nur gegenseitig abwerben können.“

Die Belastung in der Pflege ist zudem seit mehr als zwei Jahren extrem hoch; die Krankheitstage nehmen zu. „Und eine grundlegende Besserung ist nicht in Sicht, das Thema wird völlig falsch angegangen. Die von Verdi angestrebten Entlastungstarifverträge, die vorsehen, dass ab einer bestimmten personellen Belastung und über ein Punktesystem freie Tage zu gewähren sind, werden nicht einen einzigen Schulabgänger davon überzeugen, dass die Pflege ein attraktiver Beruf ist. Ich denke, dass uns ein ordentlicher Aufschlag beim Gehalt in der Pflege mehr helfen würde als solche Konstrukte.“

Bei diesen düstereren finanziellen Aussichten muss die Frage nach den Standorten erlaubt sein. Dr. Hefty winkt ab: In Königstein wird hauptsächlich Geriatrie, Fälle des Bereichs Innere Medizin und konservative Chirurgie angeboten. Usingen ist als Notfallstandort unverzichtbar und zudem mit 100 Prozent ausgelastet. Denn die ländliche Klinik hat inzwischen die komplette Pneumologie, also den Lungenbereich, eingegliedert. Patienten kommen aus dem ganzen Umland. Hinzu kommt die Handchirurgie, eine Abteilung, die ihresgleichen im weiten Rund sucht. Zudem ist Neurochirurgie ein Thema - noch: Denn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat Pläne, die Kliniklandschaft umzukrempeln.

Salopp formuliert: Kleine Kliniken sollen nur Notfallversorgung bieten. Dann wäre der derzeitige steigende Kurs in Usingen wieder ausgebremst. Hefty: „Da warten wir mit Spannung auf den Gesetzentwurf und auf Antworten zur Frage der Finanzierung.“

Generell hat die Usinger Klinik zugelegt. Denn durch die Schließungen ganzer Abteilungen in der Kreisstadt durch die Pandemie wurden Patienten ausgelagert. „Das hat die Akzeptanz der Patienten für diese Klinik deutlich erhöht“, betont Dr. Hefty.

Sperriger Name für sperrige Berechnung

Der Landesbasisfallwert ist die Grundlage zur Finanzierung der Kliniken. Dieser lag bisher bei 3826,61 Euro und beträgt seit dem 1. Januar 3993,73 Euro. Alle Operationen und Behandlungen haben einen Grundwert für die Behandlung, der je nach Schwere und Schwierigkeit der Behandlung variiert. Sprich: Ein Beinbruch hat einen geringeren Grundpreis als eine Krebsbehandlung.

Beispiel: Für eine natürliche Geburt ohne Komplikationen, die vom 1. Januar 2023 an mit einer Bewertungsrelation von 0,491 Punkten belegt und mit einem Landesbasisfallwert inklusive Ausgleichen in Höhe von 3995,60 Euro zu multiplizieren ist, erhalten hessische Krankenhäuser eine Vergütung in Höhe von 1961,84 Euro. Die Werte finden sich im Fallpauschalen-Katalog des Krankenhausfinanzierungsgesetzes. Eine Lebertransplantation wird mit dem Basiswert 3,2 angesetzt, kostet also rund 12 779 Euro. Damit werden alle Behandlungskosten abgedeckt, also Personal-, Sach- und Infrastrukturkosten. Zusätzlich dazu werden die Pflegepersonalkosten der Krankenhäuser über ein krankenhausindividuelles Pflegebudget nach dem Selbstkostendeckungsprinzip finanziert. Der Landesbasisfallwert wird jährlich mit dem Spitzenverband der Kassen und der Landeskrankenhausgesellschaft neu verhandelt. Insgesamt stehen den Kliniken in Hessen 4,43 Milliarden Euro zu.

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