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Marburg Mordversuch auf Frühchenstation - lebenslange Haft für Krankenschwester

Sie sollte sich um Frühchen kümmern - und brachte sie beinahe um: Eine Kinderkrankenschwester muss lebenslang ins Gefängnis. Aus Sicht des Landgerichts Marburg handelte die 30-Jährige aus Profilierungssucht.
Foto: Britta Pedersen/zb/DPA

Eine frühere Kinderkrankenschwester ist unter anderem wegen versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Marburg sprach die 30-Jährige schuldig, drei frühgeborenen Mädchen ärztlich nicht verordnete Beruhigungs- und Narkosemittel verabreicht und damit zum Teil in Lebensgefahr gebracht zu haben - aus Geltungsdrang.

Die Angeklagte habe den Tod zweier Kinder "um ihrer Selbstdarstellung willen in Kauf genommen", sagte der Vorsitzende Richter. Noch im Gerichtssaal erging Haftbefehl wegen Fluchtgefahr.

Die Frau hatte auf der Frühchenstation des Marburger Uniklinikums gearbeitet. Die Taten wurden laut Gericht zwischen Dezember 2015 und Februar 2016 verübt. Motiv: Die Angeklagte, die sonst mit durchschnittlichen oder schwachen Leistungen aufgefallen sei, habe sich als Retterin profilieren wollen.

Die Eltern der betroffenen Babys reagierten mit Erleichterung auf das Urteil. "Für diese abscheuliche Tat, was sie den Kindern angetan hat, muss so jemand hinter Gitter", sagte eine Mutter. Während zwei Kinder die Medikamentenvergiftung überlebten, starb ihre Tochter Leni - aus Sicht des Gerichts allerdings an einer anderen Ursache. Sie sei zwar enttäuscht, dass die Richter in ihrem Fall nicht von Mord ausgingen, aber "unendlich froh" über das Urteil.

"Russisches Roulette mit dem Leben des Kindes gespielt"

Die erste Tat werteten die Richter als versuchte gefährliche Körperverletzung, auch wenn die kleine Leni starb. Es habe kein Zusammenhang zwischen der - in diesem Fall moderaten - Medikamentengabe und dem Tod des Babys nachgewiesen werden können, sagte der Richter. "Es war ein schicksalhafter Verlauf."

Die Angeklagte suchte sich nach Überzeugung des Gerichts ein zweites kleines Opfer, dann ein drittes. Diesem Mädchen soll die 30-Jährige gleich mehrfach Medikamente gegeben haben, in "hochtoxischen" Dosen. Sie habe "bewusst russisches Roulette mit dem Leben des Kindes gespielt", sagte der Vorsitzende Richter. Die Angeklagte habe sich von den Taten eine "Reanimationssituation" erhofft, in der sie sich als exzellente Krankenschwester hätte hervortun können. Oder im Falle des Scheiterns als Trostspenderin für trauernde Eltern.

Kollegen wurden misstrauisch

Das Gericht attestierte der Frau narzisstische Züge. Das spiele bei den Taten ebenso eine Rolle wie ihr Anerkennungswunsch. Die 30-Jährige stammt demnach aus einer Akademikerfamilie, ihr Vater ist Kinderarzt, doch bei ihr habe es "nur" zur Krankenschwester gereicht. Während ihrer Tätigkeit auf der Frühchenstation sei sie zudem mit Fehlern aufgefallen.

Die Angeklagte hatte während des zehn Monate dauernden Prozesses  zu den Vorwürfen geschwiegen, die unter anderem auch auf gefährliche Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen lauten. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert und angemerkt, dass weitere Personen als Täter infrage kämen. Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass die 30-Jährige Opfer eines Komplotts geworden sein könnte. Das hielt das Gericht für abwegig und betonte: Bei allen Vorfällen sei die Angeklagte die zuständige Nachtschwester gewesen. Es gebe zudem viele weitere Indizien, die sie belasteten.

Kollegen der Angeklagten waren am Ende misstrauisch geworden. Die umfassende Aufklärung der Vorfälle sei für das Klinikum "vom ersten Verdachtsmoment an von höchster Priorität gewesen", teilte das Krankenhaus mit. "Daher haben wir die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft stets umfassend unterstützt."

wit/dpa