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Verfahren wegen sexueller Belästigung

Ex-Chefarzt aus Bad Berleburg muss 15000 Euro zahlen

Ein 61-jähriger Mediziner musste sich am Freitag im Bad Berleburger Amtsgericht wegen sexueller Belästigung verantworten.

Ein 61-jähriger Mediziner musste sich am Freitag im Bad Berleburger Amtsgericht wegen sexueller Belästigung verantworten.

howe Bad Berleburg. Das Sprichwort ist geläufig: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Vielleicht traf das am Freitagmorgen im Bad Berleburger Amtsgericht auf den ehemaligen Chefarzt der damaligen Helios-Klinik in Bad Berleburg zu. Der blieb neben seinen Rechtsanwälten Rüdiger Weidhaas (Bad Dürkheim) und Alexander Klein (Ludwigshafen) – bis auf die Angaben zur eigenen Person – stumm. Aus seiner Sicht verständlich, denn die Vorwürfe der sexuellen Belästigung wogen durchaus schwer, wenn man die Anklage der Staatsanwalt schaft verfolgt hatte. Da stellte sich aus Verteidigersicht die berechtigte Strategiefrage, ob der Mandant besser zur Sache nichts sagt. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft klagte den 61-jährigen Mediziner an, zwischen 2015 und 2017 in fünf Fällen Frauen sexuell belästigt zu haben. Konkret sei der Arzt in die Frauen-Umkleidekabine gegangen, habe eine Fachkrankenschwester in die Ecke gedrängt, sie am Körper berührt, ihr an den Mund gedrückt und seine Zunge in ihren Mund gesteckt. Er habe sie „fest angepackt“, hieß es, und ein Einverständnis zu der Handlung habe auch nicht vorgelegen. In einem weiteren Fall im Juni 2017 soll der Arzt eine Patientin im Aufwachraum durch die OP-Kleidung an die Brust gepackt haben. Sie habe ihn geschubst, er habe daraufhin von ihr abgelassen. Im August 2017, so der dritte Vorwurf, sei der Mediziner einer Zeugin im Flur begegnet. Er sei auf sie zugegangen und habe sie auf den Hals geküsst. Im Oktober 2017 sei eine Patientin in die Klinik zur Operation an der Schulter eingeliefert worden. Auf dem OP-Tisch habe er sie auf die Stirn geküsst. Eine Mitarbeiterin habe den Arzt daraufhin ermahnt, er solle bitte darüber nachdenken, ob die Patientin das auch wolle. Fall Nummer Fünf spielte sich erneut in der Umkleidekabine ab. Wieder hatte der 61-Jährige ein Auge auf die Fachkrankenschwester geworfen, sie am ganzen Körper – auch im Genitalbereich – berührt. Und auch diesmal habe er „gewaltsam“ seine Zunge in ihren Mund gesteckt. Allerdings sei das von der Zeugin nicht gewollt gewesen. Wie mit Reden und Schweigen umgegangen werden kann, das demonstrierte auf jeden Fall Richter Torsten Hoffmann in ganz eindrucksvoller Weise. Der Vorsitzende bat gleich zu Beginn der Verhandlung zu einem Rechtsgespräch – in der Hoffnung, das Verfahren beenden zu können und den Frauen lange und detaillierte Aussagen vor Gericht zu ersparen. Nach einer Stunde nicht-öffentlicher Beratung verkündete Torsten Hoffmann das ernüchternde Ergebnis: „Zwischen den Beteiligten hat ein Rechtsgespräch stattgefunden. Eine abschließende Verständigung ist nicht zustande gekommen.“ Ein kluger Schachzug gelang dem Richter dennoch. Gleich im Anschluss rief er die wichtigste Zeugin in den Zeugenstand – die Fachkrankenschwester, die zweimal in der Frauen-Umkleide bedrängt und belästigt wurde. Bevor die im Beisein des Angeklagten vis à vis zweier hochkarätiger Fachanwälte ihre Aussage machte, zückte Torsten Hoffmann den § 68b (Zeugenbeistand). Für die Zeugin habe er als Richter eine gewisse Fürsorgepflicht, begründete der Vorsitzende. „Ich halte es für erforderlich, Ihnen einen Zeugenbeistand beizuordnen.“ Und da sitze ja bekanntlich die Rechtsanwältin Jennifer Kohse als Nebenklägerin für eine andere Zeugin. Kurz gefragt, stimmte die Fachkrankenschwester zu, die Anwältin als Zeugenbeistand zuzulassen. Torsten Hoffmann unterbrach die Sitzung erneut für eine gute Stunde, um der Zeugin und ihrer neuen Anwältin Gelegenheit zum Gespräch zu geben. Nach der zweiten Unterbrechung eröffnete der Richter die Sitzung erneut, bat aber gleich zu einem weiteren Rechtsgespräch. Diesmal mit Erfolg: Die Strafprozessordnung biete die Möglichkeit, das Verfahren unter gewissen Umständen einzustellen, um die Interessen aller Beteiligten zu wahren. Torsten Hoffmann sprach von einer „erheblichen Belastung für die Zeuginnen“. Mit der Verfahrensbeendigung werde man allen Beteiligten am besten gerecht, formulierte der Richter. Was die Strategie der Verteidigung anbetrifft, so dürfte die Schweigetaktik dazu beigetragen haben, dass nicht alle Einzelheiten ans Tageslicht gekommen sind. Dabei hätten die Frauen nach SZ-Informationen sicher heikle Details berichten können. Das blieb den Zeuginnen und dem Angeklagten nach der Verfahrenseinstellung erspart. Die Auflagen benannte Torsten Hoffmann auch: 6000 Euro muss der 61-jährige Mediziner, der seine Zelte in Bad Berleburg längst abgebrochen hat und in seine Geburtsstadt gezogen ist, an das Kinder- und Jugendhospiz Olpe zahlen. „Um das öffentliche Interesse einer Strafverfolgung zu bedienen“, wie Richter Torsten Hoffmann erläuterte. An die beiden Nebenklägerinnen muss der Angeklagte jeweils 4500 Euro überweisen – als eine Art Schmerzensgeld. Insgesamt sind damit also 15 000 Euro fällig, die bis Juli dieses Jahres gezahlt werden müssen.

SZ

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