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Ulrich Mohl geht nach 17 Jahren

Ärztlicher Direktor verlässt Sana-Klinikum Biberach

Biberach / Lesedauer: 10 min

Ulrich Mohl blickt auf 17 ereignisreiche Jahre mit Standortschließungen, Umzug und Corona-Pandemie zurück. So geht es für ihn weiter.
Veröffentlicht:23.02.2024, 05:00

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Der Ärztliche Direktor Dr. Ulrich Mohl verlässt das Biberacher Sana-Klinikum Ende März. 2007 kam er als Chefarzt des Zentrums für Anästhesiologie zu den damaligen Kreiskliniken und übernahm 2012 zusätzlich das Amt des Ärztlichen Direktors. Im Interview blickt der 57-Jährige auf ereignisreiche 17 Jahre zurück, nennt die größten Herausforderungen im Gesundheitswesen und verrät, welche beruflichen und privaten Ziele er ab April verfolgen wird.

Herr Mohl, welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Anfangszeit?

Ich war junge 40 Jahre alt und hatte die Verantwortung für die größte Abteilung in den vier Kreiskliniken mit 35 Ärzten. Vorher wurden Anästhesiologie und Intensivmedizin von zwei Chefärzten geleitet. Zudem ist es bis heute meine Aufgabe den Notarztdienst im Landkreis zu organisieren. Die vierte Aufgabe war die Schmerztherapie. Das waren sehr große, aber auch sehr schöne Aufgaben. Ich war vorher 16 Jahre am Universitätsklinikum Ulm, davon fünf Jahre als Oberarzt, und habe von dort viele moderne Verfahren mitgebracht.

Im Januar 2007 begrüßte der damalige Verwaltungsleiter Winfrid Dullenkopf (rechts) Dr. Ulrich Mohl als neuen Chef der Anästhesie. Links im Bild seine Ehefrau Dr. Michaela Mohl, damals Oberärztin an den Kreiskliniken.
Im Januar 2007 begrüßte der damalige Verwaltungsleiter Winfrid Dullenkopf (rechts) Dr. Ulrich Mohl als neuen Chef der Anästhesie. Links im Bild seine Ehefrau Dr. Michaela Mohl, damals Oberärztin an den Kreiskliniken. (Foto: Wolfgang Manecke)

Die Privatisierung habe ich als Sprecher der Ärzteschaft und medizinischer Sachverständiger im Kreistag hautnah miterlebt.

Ulrich Mohl

Noch kurz bevor Sie Ihr Amt als Ärztlicher Direktor antraten, wurde mit Ochsenhausen der erste Klinikstandort geschlossen, wenig später folgte die Privatisierung. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Ochsenhausen war damals das kleinste Akutkrankenhaus in Baden-Württemberg und es war naheliegend, dass es nicht fortgeführt werden konnte. Die Privatisierung habe ich als Sprecher der Ärzteschaft und medizinischer Sachverständiger im Kreistag hautnah miterlebt. Es gab damals viel Widerstand und Unverständnis seitens der Bevölkerung. Es gab aber damals bereits ein jährliches Defizit in Höhe von zwölf Millionen Euro und auch der reiche Landkreis Biberach kann sein Geld nur einmal ausgeben. Das fehlt dann an anderer Stelle, zum Beispiel für Schulen oder Sozialprojekte.

Die Klinik musste dringend wirtschaftlich erneuert werden und es wäre unrealistisch gewesen, dass das unter kommunaler Trägerschaft hätte gelingen können. Natürlich gab es auch kritische Fragen, warum man die Geburtshilfe oder die Intensivmedizin zentralisiert. Aber die Konzentration der Fachabteilungen, der Diagnostik und der Therapie an einem Ort ermöglichte aus medizinischer Sicht eine bessere Versorgung der Patienten.

Wie hat sich die Arbeit nach der Übernahme durch Sana verändert?

Die Versorgungsqualität wurde besser, Prozesse wurden optimiert und so effizienter gearbeitet. Es gab ein riesiges Potenzial an Einsparungen, ohne Personal reduzieren zu müssen. Wir hatten zum Beispiel früher acht Systeme für Endoprothetik mit einem gigantischen Lager. Das war nicht notwendig, auch weil immer wieder viele Produkte verfallen sind und dadurch hohe Kosten entstanden. Drei Systeme reichten völlig aus.

Es macht auch einen großen finanziellen Unterschied, ob man für eine Klinik einkauft oder in einem Einkaufsverbund mit 600 Kliniken. Und viele Dinge, die früher zum Beispiel durch den Aufsichtsrat mussten, wurden schneller umgesetzt. Es wurden entsprechend der Konzernvorgaben viele Strukturen neu eingeführt, zum Beispiel ein Ethikkomitee.

Ich habe zwar Input gegeben zu medizinischen Notwendigkeiten, aber solche strategischen Entscheidungen trafen immer die Geschäftsführung und der Konzernvorstand.

Ulrich Mohl

Haben Sie noch ein Beispiel aus der alltäglichen Arbeit?

Früher wurde jedes frisch aufbereitete Bett mit einer Baumwolldecke bezogen. Sana hat dann eingeführt, anstatt der Decke eine hauchdünne Einmalfolie drüberzulegen. Der Aufwand war viel geringer und es war auch ökologisch sinnvoll, weil die vielen Decken nicht mehr gewaschen werden mussten.

Am 1. Juli 2020 folgte mit Schließung der Riedlinger Klinik ein weiterer Einschnitt.

Das waren Entscheidungen auf Vorstandsebene des Gesamtkonzerns und nicht nur der Geschäftsführung im Landkreis Biberach. Ich selbst habe das mehr als Außenstehender beobachtet. Ich habe zwar Input gegeben zu medizinischen Notwendigkeiten, aber solche strategischen Entscheidungen trafen immer die Geschäftsführung und der Konzernvorstand.

Die Notfallversorgung in den kleinen Außenstandorten war ohnehin nur begrenzt möglich.

Ulrich Mohl

Zweieinhalb Jahre später folgte die Schließung des Standorts Laupheim. Welche Auswirkungen hatten die Schließungen aus Ihrer Sicht?

Insgesamt hat es zu einer Erhöhung der medizinischen Versorgungsqualität geführt. Die Notfallversorgung in den kleinen Außenstandorten war ohnehin nur begrenzt möglich. Zum Beispiel wurde früher jemand mit Verdacht auf Herzinfarkt vielleicht zuerst in Riedlingen oder Laupheim diagnostiziert und dann nach Biberach gebracht, weil die notwendige Behandlung ein sofortiger Herzkatheter ist, den es aber nur in Biberach gibt. Da wäre es besser gewesen, ihn gleich nach Biberach zu bringen.

Auch einen Computertomografen gab es in Laupheim nie, oder eine Versorgung durch Radiologen bei einem Schlaganfall. Im Bereich der Grundversorgung waren die Schließungen dennoch ein Verlust für diesen großen Flächenlandkreis, weil einfache Krankheiten wie eine normale Lungenentzündung oder eine Schnittverletzung dort gut versorgt werden konnten.

Video: Simon Schwörer / Marcus Fey

Eine große Herausforderung für das Sana-Klinikum war auch die Corona-Pandemie. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?

Das war eine super stressige und höchst anstrengende Zeit für uns, die anstrengendste Phase in meiner Zeit als Arzt. Wir haben uns in der Klinikleitung damals an sieben Tagen in der Woche zu Lagebesprechungen getroffen und überlegt, wo wir die Patienten unterbringen. Da sind wir vielfach an Kapazitätsgrenzen gestoßen. Dann hatten wir oft auch Personalmangel, weil ja auch viele Mitarbeiter coronapositiv waren. Viele Routinetätigkeiten sind liegengeblieben und teilweise mussten wir einen Mangelzustand verwalten.

In diese Zeit fiel auch der Umzug in den Klinikneubau am 11. September 2021.

Die Planung ging während Corona natürlich weiter. Am Ende war es eine erfolgreiche Sache. Wir haben an einem Samstag alle Patienten vom Gigelberg zum Hauderboschen überführen können, ohne dass jemand zu Schaden kam. Dabei waren mehr als 60 Krankenwagen im Einsatz.

Die Ausstattung im alten Krankenhaus wurde den heutigen Ansprüchen überhaupt nicht mehr gerecht.

Ulrich Mohl

Welche sind die größten Unterschiede zwischen alter und neuer Klinik?

Sämtliche alte Gerätschaften wurden hochwertig erneuert. Außerdem wurde die Ausstattung im alten Krankenhaus den heutigen Ansprüchen überhaupt nicht mehr gerecht. Auf der normalen Station gab es keine Nasszellen in den Zimmern, keinen Fernseher und kein WLAN.

Das hat uns damals auch viele negative Patientenbewertungen eingebracht. Leider wird dabei nicht zwischen medizinischer Versorgung und Zimmerstandard unterschieden. Heute haben wir weit und breit das modernste Klinikum.

Video: Simon Schwörer / Marcus Fey

Dennoch bleiben einige Herausforderungen. Welche sind Ihrer Ansicht nach die größten?

Ein großes Thema ist die Notfallversorgung. Dafür gibt es viele Ursachen. Es hat sich beispielsweise das Anspruchsdenken der Patienten verändert. Sie müssen oft viele Monate auf einen Facharzttermin warten, beanspruchen aber auch bei geringfügigen Beschwerden eine sofortige Behandlung. Ambulante Behandlungen sind aber nicht Aufgabe der Notaufnahme.

Die platzt dadurch aus allen Nähten und die Wartezeiten steigen. Doch diese Probleme haben fast alle anderen Kliniken auch. Dabei haben wir die Notaufnahme im neuen Krankenhaus schon viel größer dimensioniert und nun 14 statt sechs Versorgungsplätze. Doch diese extreme Entwicklung war nicht absehbar.

Früher wurde ja mal eine Praxisgebühr von zehn Euro erhoben, das hat etwas gebracht.

Ulrich Mohl

Wie lässt sich das lösen?

Das ist schwierig. Wir haben in Deutschland eine Notfallversorgung, die es so fast in keinem anderen Land gibt, haben viel mehr Arztkontakte wegen Bagatellfällen, mehr stationäre Behandlungen und so weiter. Früher wurde ja mal eine Praxisgebühr von zehn Euro erhoben, das hat etwas gebracht.

Besonders ärgerlich ist, wenn wir wegen der Überlastung der Notaufnahme langfristig geplante Eingriffe akut verschieben müssen. Das ist furchtbar für die Betroffenen, aber Notfallpatienten dürfen wir nicht abweisen.

Wie sieht es mit dem Fachkräftemangel aus?

Gerade die Pandemie hat dazu geführt, dass viele Mitarbeiter jetzt nur noch Teilzeit arbeiten oder von besonders belastenden Tätigkeiten wie auf der Intensivstation in andere Bereiche gewechselt sind. Der Markt bietet derzeit keinen Ersatz. Vielleicht ist es nicht mehr so attraktiv, in der Pflege zu arbeiten. Bei den Ärzten stehen wir verhältnismäßig gut dar. Biberach ist als Arbeitsplatz attraktiv, der Landkreis gesund, es gibt wenig Kriminalität und man ist schnell in Stuttgart, München oder am Bodensee.

In der öffentlichen Wahrnehmung kommt das Sana-Klinikum trotzdem oft schlecht weg. Wie erklären Sie sich das?

Wir bieten ein supermodernes medizinisches Angebot, das von vielen Laien nicht unbedingt geschätzt wird. Es gibt auch Einzelpersonen, die mit Ausdauer negativ über die Klinik reden. Da gibt es eine große Diskrepanz zu dem Monitoring, das wir jede Woche machen. Jeder stationäre Patient kann anonym einen Bogen ausfüllen und die Ergebnisse hier sind extrem positiv. Es ist wohl eine Daueraufgabe, darauf hinzuweisen, dass wir eine moderne Klinik mit motivierten Mitarbeitern und sehr guter Qualität haben.

Über kurz oder lang werden wir aber den Roboter brauchen, auch aus Imagegründen.

Ulrich Mohl

Welche Dinge könnten denn noch verbessert werden? Das Klinikum Memmingen hat sich gerade mit der Anschaffung des OP-Roboters DaVinci gerühmt.

Da gibt es einen Konflikt zwischen ärztlichem Ethos und wirtschaftlichen Erfordernissen. Dieser Roboter ist beispielsweise wahnsinnig teuer in der Anschaffung, auch jede einzelne OP ist viel teurer. Wir Ärzte hätten natürlich gerne einen solchen DaVinci, weil er tatsächlich eine medizinische Verbesserung darstellt. Doch in Zeiten, in denen es Klinikinsolvenzen hagelt, ist das schwierig. Über kurz oder lang werden wir aber den Roboter brauchen, auch aus Imagegründen.

Das werden Sie jedoch nicht mehr in Ihrer jetzigen Funktion erleben. Warum haben Sie sich entschieden, das Sana-Klinikum zu verlassen?

Ich bin mittlerweile der dienstälteste Chefarzt und seit zwölf Jahren auch Ärztlicher Direktor. Es wird immer schwieriger, beide Ämter zugleich so auszufüllen, wie ich es mir wünsche. Da meine Anästhesieabteilung sehr gut funktioniert, konnte ich mich hier in Teilen zurückziehen, um die Aufgaben als Ärztlicher Direktor stärker auszufüllen.

Ich gehe jetzt nicht, weil es mir zu viel wurde und gerade die Tätigkeit in der Anästhesie hat mir sehr viel Freude gemacht. Aber ich habe mir über einen längeren Zeitraum überlegt, dass ich meinen Arbeitsumfang reduzieren möchte. Ich möchte auch nicht länger zwei Ämter unter einen Hut bringen müssen, weil es mir nie so gelungen ist, wie ich es gern gehabt hätte.

Ich werde zum Beispiel als Notarzt im Landkreis Biberach arbeiten.

Ulrich Mohl

Wie geht es nun beruflich bei Ihnen weiter?

Ich arbeite weiter als Arzt, aber künftig als freiberuflicher Notarzt und in der Anästhesie. Ich werde zum Beispiel als Notarzt im Landkreis Biberach arbeiten. Hier gibt es ja sechs Notarztstandorte, die Tag und Nacht zu besetzen sind.

Ich hab mich für April schon für einige Dienste eingetragen. Im Bereich Narkose ist es wirklich gewaltig, wie viele Möglichkeiten es da gibt. Da werde ich zum Beispiel in einem ambulanten OP-Zentrum einige Narkosen machen.

Wie werden Sie die frei werdende Zeit sonst noch nutzen?

Ich werde mich nicht überall zurückziehen. Ich bleibe im Vorstand der Kreisärzteschaft, des Vereins Spezialisierte Ambulante Palliative Versorgung, bei Unsere Brücke und als Prüfer im Weiterbildungsausschuss der Ärztekammer.

Es gibt aber schon einige Dinge, die zuletzt zu kurz gekommen sind, vor allem der Sport. Ich will wieder mehr Rennrad fahren und ich möchte einmal auf den Kilimandscharo hoch. Dazu brauche ich eine gewisse Fitness und davon bin ich noch weit entfernt.