S 5 KR 340/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 340/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KR 447/17
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.446,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2012 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.746,67 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung der stationären Behandlung eines Neugeborenen vom 14.01.2012 bis zum 02.03.2012.

Der am 00.00.2012 geborene U I (im folgenden Versicherter) befand sich in der Zeit vom 14.01.2012 bis zum 02.03.2012 in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Beklagten. Aufgrund der Frühgeburtlichkeit bestand bei ihm ein Atemnotsyndrom, so dass der Versicherte eine noninvasive Atemunterstützung mittels Maskenbeatmung erhielt.

Am 12.03.2012 stellte die Beklagte der Klägerin für die Behandlung des Versicherten einen Betrag in Höhe von 22.246,08 Euro in Rechnung. Dabei legte sie die DRG P04C zugrunde (Neugeborenes, Aufnahmegewicht 1500 bis 1999 Gramm mit signifikanter OR-Prozedur oder Beatmung mehr als 95 Stunden, ohne mehrere schwere Probleme, ohne mehrzeitige komplexe OR-Prozeduren). Die Klägerin zahlte die Rechnung und leitete aufgrund konkreter Zweifel das Prüfverfahren ein.

Der MDK führte in seinem Gutachten vom 07.08.2012 aus, dass die vom Krankenhaus mitgeteilten Beatmungsstunden (103 Stunden) nicht belegt seien. Entgegen der Mitteilung des Krankenhauses ergäben sich nach Prüfung der Unterlagen keine Beatmungsstunden. Die Streichung der Beatmungsstunden führe zu einer Änderung der DRG. Anstelle der von der Beklagten kodierten DRG P04C sei richtigerweise die DRG P65B (Neugeborenes, Aufnahmegewicht 1500 bis 1999 Gramm ohne signifikante OR-Prozedur ohne Beatmung mehr als 95 Stunden, mit schweren Problemen) zu kodieren, bei der der OPS 8-711.00 (maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen: Atemunterstützung mit kontinuierlich positiven Atemwegsdruck (CPAP): Bei Neugeborenen: Alter bis 28. Lebenstag) in Ansatz zu bringen sei. Hierdurch ergab sich eine Differenz in Höhe von 5.446,67 Euro, den die Klägerin mit Schreiben vom 09.08.2012 zurückforderte. Hierfür setzte sie eine Frist von vier Kalenderwochen.

Auf den Widerspruch der Beklagten wurde erneut der Medizinische Dienst eingeschaltet. Mit weiterem Gutachten vom 16.05.2013 bestätigte dieser das bisherige Ergebnis. Entgegen der Auffassung der Beklagten seien Atemhilfen der Spontanatmung mittels CPAP nicht nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) Nr 1001 d als maschinelle Beatmungszeit zu kodieren. Es werde lediglich die Eigenatmung des Kindes stimuliert. Dies stelle keine Beatmung im Sinne der Richtlinien dar.

Mit der am 16.07.2014 (Eingang bei Gericht am 21.07.2014) erhobenen Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Rückforderung des Differenzbetrages nebst Zinsen. Die Deutsche Kodierrichtlinie 1001 gebe zweifelsfrei vor, dass eine Sauerstoffversorgung mittels CPAP ausschließlich im Rahmen der Entwöhnung als Beatmungszeit zu berücksichtigen sei, ansonsten überhaupt nicht. Dementsprechend stelle eine Versorgung mittels CPAP keine Beatmung im Sinne der DKR 1001 dar. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf ein Urteil des Landessozialgericht für das Saarland vom 14.12.2011 (L 2 KR 76/10). Auch wenn die Kodierrichtlinien ab dem Kalenderjahr 2013 insoweit geändert worden seien, als die CPAP-Versorgung bei Neugeborenen mit der maschinellen Beatmung gleichzustellen sei und die Beatmungsstunden insoweit kodierfähig seien, könne dies nicht für den hier streitgegenständlichen Zeitraum im Jahr 2012 gelten. Die Abrechnungsvorschriften seien nach der Rechtsprechung des BSG eng nach dem Wortlaut auszulegen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.446,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass eine Beatmung im Sinne der Kodierrichtlinien stattgefunden hat. Dementsprechend habe sie 103 Beatmungsstunden trotz des Umstandes abrechnen dürfen, dass die Beatmung mittels CPAP erfolgt ist. Dabei sei zunächst zu berücksichtigen, dass die Beatmung vorliegend mittels des sogenannten Infant Flow SiPAP-Systems erfolgt sei. Hierbei handele es sich um eine besonders aufwändige Form der maschinellen Beatmungsunterstützung. Außerdem gehe aus den Kodierrichtlinien keinesfalls hervor, dass eine Versorgung mittels CPAP keine maschinelle Beatmung im Sinne der Kodierrichtlinien darstelle. Denn hierbei würden ebenfalls zweifellos Gase mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Lunge bewegt werden. Außerdem habe es sich um ein intensiv-medizinisch versorgtes Neugeborenes gehandelt, so dass auch die Bedingung der Definition aus der DKR 1001 (intensiv medizinische Versorgung bei Maskenbeatmung) erfüllt sei. Schließlich habe auch der MDK den OPS-Code 8-711.00 akzeptiert. Dies lege bereits zugrunde, dass man auch bei der Atemunterstützung mit kontinuierlichem positiven Atemwegsdruck von "maschineller Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen" ausgehen könne. Diese Begrifflichkeit rechtfertige es grundsätzlich, auch die unterstützende Atemhilfe mittels Maske als maschinelle Beatmung einzuordnen. Außerdem sei mittlerweile durch die DKR 1001l eindeutig klargestellt worden, dass eine CPAP-Atemunterstützung bei Neugeborenen und Säuglingen als Beatmungszeit zu berücksichtigen sei. Bei der Änderung der Kodierrichtlinie handele es sich um eine Klarstellung und nicht um eine Neuregelung. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Anhang B der Deutschen Kodierrichtlinien, Version 2013, in dem es zu DKR 1001l heißt, dass die Dauer der Atemunterstützung mit kontinuierlichem positiven Atemwegsdruck (CPAP) bei Neugeborenen und Säuglingen bei der Ermittlung der Beatmungsdauer zu berücksichtigen sei, als Klarstellung zu verstehen ist.

Unter Auswertung der beigezogenen vollständigen Patientendokumentation hat die Klägerin ein weiteres Gutachten des MDK vom 04.02.2016 vorgelegt, in dem Dr. B, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Neonatologie und Sozialmedizin weiterhin zu dem Ergebnis kam, dass bis Ende des Jahres 2012 nur im Fall der Entwöhnung eine Abrechnung von CPAP als Beatmungsstunden möglich gewesen sei. Unter Berücksichtigung der Kodierrichtlinien für 2012 sei der Behandlungsfall über die DRG P65 B abzubilden.

Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Klägerin. Ferner war Gegenstand der mündlichen Verhandlung die von der Beklagten vorgelegte Patientendokumentation.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Die Klägerin verfolgt den Anspruch auf Rückzahlung des Differenzbetrages zutreffend im Wege einer echten Leitungsklage im Sinne des § 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Ebenso wie bei einer Klage auf Zahlung von Behandlungskosten gegen eine Krankenkasse liegt ein Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis vor, wenn es um die Rückforderung einer solchen Leistung geht und eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt.

Die Klage ist auch begründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung des Differenzbetrages in Höhe von 5446,67 Euro nebst Zinsen zu.

Rechtsgrundlage für die Forderung der Klägerin ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Danach sind Leistungen, die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ohne Rechtsgrund erbracht worden sind, zu erstatten. Bei den öffentlich-rechtlichen Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern kommt ein solcher Anspruch in Betracht, wenn Zahlungen zur Erfüllung einer tatsächlich nicht bestehenden Verbindlichkeit erbracht worden sind (BSG, Urteil vom 22.07.2004, B 3 KR 21/03, www.juris.de).

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 5.446,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2012. Für die Behandlung des Versicherten stand der Beklagten ein Vergütungsanspruch für 103 Beatmungsstunden nicht zu.

Vielmehr durfte die Beklagten die stationäre Behandlung des Versicherten lediglich auf der Grundlage der DRG P65C abrechnen. Die DRG P04C bildet die Behandlung nicht zutreffend ab, denn die Kodierung der Beatmungsstunden erfolgte zu Unrecht.

Rechtsgrundlage der von der Beklagten geltend gemachten Vergütung ist § 109 Abs 4 S 3 Sozialgesetzbuch, 5. Buch (SGB V) i.V.m. § 7 S 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz-KHEntgG) und § 17 b des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG), die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2012 und die von den Vertragsparteien auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) für das Jahr 2012.

Maßgebliche Kriterien für die Zuordnung eines Behandlungsfalles zu einer DRG sind die Hauptdiagnose, die Nebendiagnosen, evtl. den Behandlungsverlauf wesentlich beeinflussende Komplikationen, die im Krankenhaus durchgeführten Prozeduren sowie weitere Faktoren (Alter, Geschlecht etc.). Die Diagnosen werden mit einem Code gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen ICD-10 verschlüsselt. Die Prozeduren werden nach dem ebenfalls vom DIMDI herausgegebenen OPS kodiert. Aus diesen Codes wird dann zusammen mit den weiteren für den Behandlungsfall maßgeblichen Faktoren unter Verwendung einer bestimmten vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zertifizierten Software ("Grouper") die entsprechende DRG ermittelt (sogenannte Groupierung), anhand derer die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird (hierzu ausführlich: BSG, Urteil vom 18.09.2008, B 3 KR 15/07 R, BSG, Urteil vom 08.11.2011, B 1 KR 8/11R, www.juris.de).

Streitentscheidend ist vorliegend allein die Frage, ob die Beklagte die Beatmungsstunden, die als Zeiten der Atemunterstützung mittels Masken-CPAP dokumentiert worden sind, ebenfalls (gesondert) abrechnen durfte.

Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht der Fall.

Nach der Definition der DKR, Version 2012 (DKR 1001h) ist maschinelle Beatmung ("künstliche Beatmung") ein Vorgang, bei dem Gase mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Lunge bewegt werden. Die Atmung wird unterstützt durch das Verstärken oder Ersetzen der eigenen Atemleistung des Patienten. Bei der künstlichen Beatmung ist der Patient in der Regel intubiert oder tracheotomiert und wird fortlaufend beatmet. Bei intensivmedizinisch versorgten Patienten kann eine maschinelle Beatmung auch über Maskensysteme erfolgen, wenn diese anstelle der bisher üblichen Intubation oder Tracheotomie eingesetzt werden.

Bei der Kodierung ist nach DKR 1001h im Fall von Neugeborenen und Säuglingen zu zusätzlich ein Code aus 8-711 (maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen) anzugeben. Dabei wird in den Kodierrichtlinien, Version 2012 angemerkt, dass bei Neugeborenen darüber hinaus auch andere atmungsunterstützende Maßnahmen wie z.B. Sauerstoffzufuhr (8-720) zu verschlüsseln sind, soweit nicht eine maschinelle Beatmung erfolgt. Hierbei ist die Beatmungsdauer nicht zu kodieren. Dementsprechend greifen die Kodierrichtlinien am Ende der DKR 1001 den kontinuierlichen positiven Atemwegsdruck (CPAP) auf und legen fest, dass Codes aus 8-711.0 (Atemunterstützung mit kontinuierlichem positiven Atemwegsdruck-CPAP) bei Neugeborenen und Säuglingen zu kodieren sind unabhängig von der Beatmungsdauer (also auch unter 24-Stunden; bei OPS Code 8-711.00 mindestens aber 30 Minuten). Ferner legen die Kodierrichtlinien fest, dass für den Fall, dass CPAP bzw. Masken-CPAP als Entwöhnungsmethode von der maschinellen Beatmung verwendet wird, Codes aus 8-711.0 und 8-712.0 nicht zu verwenden sind; vielmehr ist insoweit die Beatmungsdauer zu berücksichtigen. Die Kodierrichtlinien verweisen auf die Definition der maschinellen Beatmung und die Methode bzw. die Dauer der Entwöhnung sowie das Ende der Beatmung.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist die Atemunterstützung mittels CPAP bei der Beatmungszeit nicht gesondert zu berücksichtigen.

Die Kammer vertritt hierbei die Auffassung, dass die Maskenbeatmung keine maschinelle Beatmung im Sinne der Kodierrichtlinien darstellt. Die Wirkweise der CPAP-Beatmung geht nämlich dahin, dass ein Gasstrom am Patienten dauerhaft vorbeifließt, der bei eigenen Atemanstrengungen des Patienten in die Lunge gelangt. Es handelt sich damit um eine Form der Atemunterstützung, während die maschinelle Beatmung voraussetzt, dass aktiv mittels einer mechanischen Vorrichtung Gase in die Lunge bewegt werden. Die CPAP ist dabei eine Beatmungsform, die die Spontanatmung des Patienten mit einem dauerhaften Überdruck kombiniert. Der Patient kann seine Atemtiefe, Atemfrequenz und auch den Flow (Luftdurchfluss) selbst bestimmen. Voraussetzhung für die Anwendung dieser Atemtherapie ist folglich die prinzipielle Fähigkeit des Patienten zur eigenen Atmung (www.wikipedia.org/wiki/CPAP-Beatmung). Dass die Kodierrichtlinien die maschinelle Beatmung von der CPAP-Beatmung abgrenzen, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass geregelt ist, welche Codes aus 8-711.0 bei Anwendung dieser Atemtherapie zu kodieren sind (vgl. Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 14.12.2011, L 2 KR 76/10; LSG Hamburg, Urteil vom 27.03.2014, Az. L 1 KR 119/12, www.juris.de). Damit unterscheiden die DKR nach Auffassung der Kammer zwischen künstlicher Beatmung und Atemunterstützung, so dass die Kodierung zunächst von dieser Einordnung abhängt und in der Folge zu prüfen ist, welche weiteren Prozeduren aufgrund einer die vorhandene Eigenatmung unterstützenden Atemtherapie vorzunehmen ist. Auch das BSG hat in seinem Beschluss vom 10.03.2015 ausgeführt, dass ein Modus, in der die Beatmungsmaschine nur einen gewissen Druck in den Atemwegen aufrecht erhält, die Atembewegungen jedoch nicht aktiv unterstützt, keine künstliche Beatmung im Sinne der Definition darstellt. Der Patient - und nicht die künstlich beatmende Beatmungsmaschine - leistet bei der CPAP die Atemarbeit, er atmet spontan. Die Beatmungsmaschine stellt nur sicher, dass der Atemwegsdruck nie unter ein bestimmtes Niveau fällt (Beschluss vom 10.03.2015, B 1 KR 82/14 B, www.rechtsportal.de).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Versicherte mit dem sogenannten Infant flow SiPAP-System behandelt wurde. Nach Angaben des Herstellers CareFusion (inzwischen übernommen durch das Medizintechnologie-Unternehmen Becton, Dickinson and Company) handelt es sich auch insoweit um ein weiterentwickeltes CPAP-System, das eine vollständige Lösung für die nicht-invasive Atemhilfe insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern bietet und verschiedene Modalitäten in der Anwendung zur Verfügung stellt (http://www.carefusion.de/our-products).

Vor diesem Hintergrund ist auch die CPAP-Therapie eine Beatmungsform, die eine Eigenatmung voraussetzt. Eine der Definition der DKR 1001h entsprechende künstliche Beatmung liegt hingegen nicht vor.

Die Argumentation der Beklagten, die Atemunterstützung mittels CPAP bei Neugeborenen müsse der künstlichen Beatmung im Sinne der DKR 1001h gleichgestellt werden, greift nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sind Vergütungsregelungen stets streng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Vielmehr ist das Vergütungssystem als weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt. Zutage tretende Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen müssen in erster Linie von den Vertragsparteien mit Wirkung für die Zukunft beseitigt werden (vgl. hierzu BSGE 107, 140, Randnr 18). Auch wenn für die Kammer verständlich ist, dass der Aufwand in der Vergütung nicht hinreichend abgebildet wird, wenn anstelle der notwendigen künstlichen Beatmung das schonendere System der CPAP-Beatmung durchgeführt wird, rechtfertigt dieser Umstand keine andere Auslegung der Kodierrichtlinien.

Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Vertragsparteien für das Kalenderjahr 2013 eine Änderung der Kodierrichtlinien vorgenommen haben und seit dem die Dauer der Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) bei Neugeborenen und Säuglingen zu berücksichtigen ist. Damit wurde durch die DKR 1001l die CPAP-Therapie im Falle der Anwendung bei Neugeborenen und Säuglingen der Kodierung der maschinellen Beatmung gleichgestellt. Nach wie vor ist jedoch die CPAP-Beatmung keine maschinelle Beatmung im Sinne der DKR 1001l, da anderenfalls die Vertragsparteien dies im Rahmen der Definition zum Ausdruck gebracht hätten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Neuregelung der DKR 1001l nicht auf Behandlungsfälle für die Zeit vor ihrer Geltung anzuwenden. Hiergegen spricht bereits nach Auffassung der Kammer der Umstand, dass Kodierrichtlinien grundsätzlich eng und getreu ihrem Wortlaut auszulegen und anzuwenden sind. Wenn die Auslegung der für den Behandlungsfall gültigen DKR eine bestimmte Abrechnung nicht ermöglicht, kann daher eine von den Vertragsparteien später geänderte Version keine andere Sichtweise begründen. Die Neuregelung der DKR für das Kalenderjahr 2013 zeigt die Notwendigkeit der Weiterentwicklung der Kodierrichtlinie. Sie verdeutlicht, dass die Vertragsparteien erkannt haben, dass die aufwändige CPAP-Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen nicht ungünstiger bewertet werden darf als die bis vor einigen Jahren auch bei Neugeborenen regelhaft durchgeführte künstliche Beatmung. Dieser medizinischen Weiterentwicklung tragen die Kodierrichtlinien seit 2013 Rechnung. Eine rückwirkende Anwendung dieser Intention ist jedoch nicht möglich.

Dass bei der Zusammenfassung der Änderungen der DKR Version 2013 gegenüber der Vorversion 2012 (Anhang B Deutsche Kodierrichtlinien, Version 2013) zu Kapitel 10 (Krankheiten des Atmungssystems) von einer "Klarstellung" gesprochen wird, ändert an dieser Auslegung nichts. Die Verwendung des Wortes "Klarstellung" zeigt nach Auffassung der Kammer allenfalls, dass die Vertragsparteien sich über die Notwendigkeit der Änderung einig waren. Die "Klarstellung" ist insoweit als Abänderung oder Richtigstellung zu verstehen. Hätten die Vertragsparteien den DKR durch eine "Klarstellung" eine rückwirkende Anwendbarkeit beimessen wollen, so hätte dies in jedem Fall eindeutig im Wortlaut zum Ausdruck kommen müssen. Unabhängig davon, dass eine rückwirkende Regelung bei der Änderung der Kodierrichtlinien bereits begriffsnotwendig ausgeschlossen sein dürfte, müsste jedenfalls bei einer gewollten rückwirkenden Anwendung eine eindeutige zeitliche Vorgabe erfolgen, ab welchem Zeitpunkt Sachverhalte von der Neuregelung erfasst werden sollen. Insoweit genügt die Verwendung des Begriffes "Klarstellung" sicherlich nicht, um eine Bindung der Vertragsparteien an die Neuregelung auch für bereits abgeschlossene Sachverhalte herstellen zu wollen. Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass eine Klarstellung nur dann zu erfolgen hatte, wenn zuvor die Auslegung der Kodierrichtlinien unklar war. Dies ist jedoch, wie oben dargestellt, nicht der Fall. Die CPAP ist im Grundsatz als Atemunterstützung anzusehen und nicht als künstliche Beatmung und sollte für stationäre Aufenthalte ab 2013 im Falle von Neugeborenen und Säuglingen einer dem Aufwand des Krankenhauses besser gerecht werdenden Abrechnung zugeführt werden.

Ohne Berücksichtigung der von der Beklagten angeführten Beatmungsstunden war der stationäre Aufenthalt mit der DRG P59C zu vergüten. Daher ist es zu einer Überzahlung in Höhe von 5.446,67 Euro gekommen.

Der Zinsanspruch ist ab dem 10.09.2012 in der geltend gemachten Höhe gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197 a Abs 1 SGG i.V.m. 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs 3, 45 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt die zwischenzeitlich erhobene und im Termin vom 03.05.2017 zurückgenommene Widerklage.
Rechtskraft
Aus
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