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Untersuchung gegen Chefarzt am Zürcher Unispital

Der Klinikdirektor der Gynäkologie in Zürich muss sich einer externen Überprüfung stellen. Laut den Operationsplänen operiert er bis zu drei Patientinnen gleichzeitig. Das Spital will wissen, was da vorgeht.

Michael Furger 3 min
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Hat der Chef der Gynäkologie operiert oder nicht? Das Universitätsspital Zürich lässt das überprüfen.

Hat der Chef der Gynäkologie operiert oder nicht? Das Universitätsspital Zürich lässt das überprüfen.

Shannon Fagan / Getty Images

Die externe Untersuchung richtet sich gegen Chefarzt Daniel Fink. Angeordnet hat sie die Direktion des Zürcher Universitätsspitals, nachdem die «NZZ am Sonntag» vergangenes Wochenende über ihn berichtet hatte. Das gab die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli bekannt. «Der Artikel wirft grosse Fragen auf. Ich begrüsse, dass das Universitätsspital den Fall sorgfältig abklären lässt», sagt Rickli. Ihre Gesundheitsdirektion hat die Aufsicht über das Spital.

Laut den Recherchen der «NZZ am Sonntag» hat Daniel Fink, der Direktor der gynäkologischen Klinik, sich über Jahre systematisch für Operationen eintragen lassen, die gleichzeitig stattfanden. Parallel dazu setzte er häufig eine mehrstündige, dicht getaktete Sprechstunde an. Im Extremfall hätte Fink an bis zu vier Orten gleichzeitig sein müssen, zum Teil in verschiedenen Gebäuden. Das geht aus rund 130 Operationsplänen hervor. Ausgeführt haben die Eingriffe aber massgeblich andere Ärzte. Quellen versichern, dass Fink jeweils nur für wenige Minuten im Operationssaal war und meistens nicht aktiv ins Geschehen eingegriffen hat.

Seit zehn Jahren toleriert

Seit der Publikation haben sich bei der «NZZ am Sonntag» gegenwärtige und ehemalige Angestellte des Universitätsspitals (USZ) gemeldet und den geschilderten Sachverhalt bestätigt. Das Vorgehen von Daniel Fink sei seit mindestens zehn Jahren allen Angestellten in der Gynäkologie und in anderen Kliniken des USZ bekannt und werde schweigend toleriert, sagen die Personen.

Klinikdirektor Daniel Fink hingegen sagt, er führe bei allen Eingriffen die entscheidenden Operationsschritte selbst aus und wechsle bei gleichzeitig stattfindenden Operationen zwischen den Sälen hin und her. Chefärzte von anderen Spitälern erachten das angesichts der vorliegenden Operationspläne allerdings als praktisch unmöglich und halten die Operationsagenda von Fink für sehr unüblich. Eine mögliche Erklärung eines solchen Verhaltens sei, dass der Operateur möglichst viel Geld für sich abzweigen wolle, sagen sie.

Wenige Ärzte wagen es, intern Kritik zu üben oder gar nach aussen zu tragen.

Tatsächlich betreffen die untersuchten Operationen privat oder halbprivat Versicherte. Sie sind für Ärzte besonders interessant. Am Universitätsspital (USZ) dürfen die Kaderärzte einen Teil der Honorare, die sie für Operationen von Zusatzversicherten verrechnen, für sich behalten. Sie müssen sich bei der Verteilung des Geldes aber an bestimmte gesetzliche Vorgaben halten.

Die nun angeordnete Untersuchung von externen Experten soll nun unter anderem klären, ob es dabei und bei der Planung von Operationen zu Unregelmässigkeiten gekommen ist. Wie die Spitaldirektion mitteilte, wolle man sicherstellen, «dass sämtliche Regelungen, Guidelines, Qualitätsstandards und Governance-Vorgaben umfassend eingehalten wurden». «Wir nehmen die Angelegenheit sehr ernst», sagt auch Martin Waser, Präsident des Spitalrats, des obersten Führungsorgans des USZ. «Sollten Unregelmässigkeiten festgestellt werden, wird das Spital Massnahmen ergreifen.» Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung.

Gegen Willen der Patientin

Auf die unübliche Praxis in der Klinik für Gynäkologie weist auch ein Fall einer privat versicherten Patientin hin, die vergangenes Jahr zu einer Operation an der Gynäkologie am USZ angemeldet wurde. Die Frau, Unternehmerin und FDP-Politikerin aus dem Kanton Zürich, hat dabei den Wunsch geäussert, von ihrem bisherigen Arzt – einem Arzt der Klinik – operiert zu werden. Das Sekretariat von Daniel Fink hat ihr aber mitgeteilt, dass sie von Fink operiert werden müsse, weil sie privat versichert sei.

Als sie das abgelehnt habe, habe man ihr mitgeteilt, dass in diesem Fall kein Operationstermin verfügbar sei, sagt die Frau. «Ich ging davon aus, dass ich als Privatversicherte wählen kann, wer mich operiert. Diese Entscheidung ist mir vorenthalten worden.» Schliesslich musste sie in eine Operation durch Fink einwilligen. Das USZ und auch Fink wollen zu diesem Fall wegen des Arzt- und Patientengeheimnisses keine Stellung nehmen.

Die Angelegenheit am Universitätsspital deutet auf ein weiteres Problem, das über den Fall Fink hinaus seit langem zu reden gibt: Angebliche Missstände werden anscheinend schweigend akzeptiert, wenige Ärzte wagen es, intern Kritik zu üben oder gar nach aussen zu tragen. Ein Grund dafür ist offenbar die grosse Macht von Chefärzten in Spitälern. Mitarbeiter, die sich gegen Missstände wehren oder auf sie aufmerksam machen, müssen intern mit harten Repressionen rechnen. Sie können so weit gehen, dass ihre Berufskarriere behindert wird.

Das Universitätsspital teilt dazu mit: «Unsere Kultur im Umgang mit Kritik schliesst mit ein, Vorgänge sachlich und systematisch zu prüfen und – falls angezeigt – jederzeit auch Verbesserungen und Optimierungen umzusetzen.»

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