S 7 KR 772/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 7 KR 772/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Aus § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV ergibt sich kein Leistungsverweigerungsrecht in materiell-rechtlicher Hinsicht. Aus der Rechtsgrundlage des § 17 c Abs. 2 KHG ergibt sich unter Berücksichtigung des Zwecks des Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1 c SGB V keine Ermächtigung, eine Vereinbarung über eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist festzulegen.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.398,02 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 06.11.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Der Streitwert wird endgültig auf 4.398,02 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Krankenhausvergütung für die Versicherte C., geboren 1947, in der Kreisklinik D-Stadt vom 9. März 2015 bis 14. März 2015 i. H. v. noch 4.398,02 EUR (Gesamt: 5.925,99 EUR) nebst Zinsen seit 6. November 2015. Die Klägerin betreibt ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus.

Nachdem die bei der Beklagten Versicherte in der Zeit vom 9. März 2015 bis 14. März 2015 in der Klinik der Klägerin stationär medizinisch behandelt worden war, berechnete die Klägerin hierfür unter Ermittlung der DRG 901 D gegenüber der Beklagten mit Rechnung vom 25. März 2015 einen Betrag von 5.925,99 EUR, den die Beklagte zunächst vollständig zahlte. Die Beklagte zeigte am 17. April 2015 ein Prüfverfahren des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Hessen (MDK) an, welcher in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 16. Oktober 2015 die angegebene Prozedur nicht nachvollziehen konnte. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, für den Behandlungsfall sei die DRG I 68 D abzurechnen, wie es auch der Bewertung des MDK entspreche. Aus diesen Gründen ergebe sich im vorliegenden Fall ein Erstattungsanspruch in Höhe von 4.398,02 EUR. Diesen Betrag rechnete die Beklagte mit einer anderen Forderung der Klägerin auf (Schreiben der Beklagten vom 30.10.2015).

Mit der am 24. November 2016 bei dem Sozialgericht Kassel erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel der vollständigen Begleichung ihrer Rechnung i. H. v. 5.925,99 EUR weiter. Sie hat den Operationsbericht vom 12. März 2015 in ihren Anlagen zur Klageschrift vom 22. November 2016 bei Gericht vorgelegt.

Die Klägerin macht geltend, ihr stünde noch ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte i. H. v. 4.398,02 EUR zu. Denn die Beklagte habe zu Unrecht am 5.November 2015 mit diesem Betrag gegenüber einer anderen, der Höhe nach unstreitigen Forderung der Klägerin aufgerechnet. Zutreffend sei von der Klägerin mit Rechnung vom 25. März 2015 die DRG 901 D abgerechnet worden, welche zu einem Forderungsbetrag von 5.925,99 EUR führe. Der MDK sei in seinem Gutachten vom 19. Oktober 2015 nur deshalb zu der Einschätzung gelangt, der OPS 5-570.4 sei nicht gegeben, weil der Operationsbericht vom 12. März 2015 nicht vorgelegen habe. Diese Prozedur sei jedoch nach dem - nunmehr mit Klageerhebung vorgelegten - Operationsbericht vom 12. März 2015 vollständig belegt. Im Übrigen könne die Beklagte die Zahlung nicht wegen § 7 Abs. 2 S. 3 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) verweigern, da es sich bei dieser Vorschrift nicht um eine materiell-rechtlich bindende Ausschlussfrist handle, die im gerichtlichen Verfahren die Beteiligten binde. Sie liege nicht im Ermächtigungsrahmen der Vorschrift des § 17 c Abs. 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), wie bereits von unterschiedlichen Sozialgerichten entschieden; die entgegenstehende Rechtsprechung anderer Sozialgerichte sei nicht zutreffend.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr als Krankenhausträgerin aus Anlass der vollstationären Krankenhausbehandlung der Versicherten C., geb. 16.05.1947, in der Kreisklinik D-Stadt vom 09.03.2015 – 14.03.2015 weitere 4.398,02 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 06.11.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hat im Laufe des Gerichtsverfahrens nach Vorlage des Operationsberichtes vom 12. März 2015 erneut den MDK eingeschaltet, welcher in seiner Stellungnahme nach Aktenlage vom 19. April 2017 die Auffassung der Klägerin hinsichtlich des Prozedurenschlüssels (OPS 5-570.4) bestätigte und die geltend gemachte Prozedur für zutreffend erachtete. Die Beklagte verweigert trotz der hiernach unstreitigen Höhe der Rechnung die Zahlung des streitigen Geldbetrages weiterhin unter Berufung auf § 7 Abs. 2 S. 3, 4 PrüfvV, da die Klägerin aufgrund des erst verspätet vorgelegten Operationsberichtes zum 12. März 2015 mit ihrer Forderung ausgeschlossen sei. Selbst wenn die Prozedur und die Höhe des Rechnungsbetrages damit - wie hier - nunmehr als unstreitig anzusehen sei, könne die Klägerin ihre Forderung aufgrund des Anspruchsausschlusses nicht mehr geltend machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in Höhe des geltend gemachten Zahlungsanspruchs von 4.398,02 EUR und damit in vollem Umfang begründet. Gleiches gilt für den geltend gemachten Zinsanspruch.

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Die Klage eines Krankenhauses auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein so genannter Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (ständige Rspr., zuletzt u.a. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015, Az.: B 1 KR 26/14 R – juris Rn. 12). Der Zahlungsanspruch ist auch konkret beziffert.

Das Sozialgericht war trotz der bei dem Hessischen Landessozialgericht anhängigen Berufung (L 8 KR 221/18) gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 14. Februar 2018 (S 12 KR 171/17, juris) an einer Entscheidung nicht gehindert. Die Beteiligten konnten sich auf ein weitergehendes Ruhen des Verfahrens nicht verständigen, so dass der Rechtsstreit angesichts der unstreitigen Höhe des Rechnungsbetrages entscheidungsreif war.

Die Klage ist begründet. Denn die Beklagte hatte keine öffentlich-rechtliche Erstattungsforderung, mit der sie gegenüber einer unstreitigen Forderung der Klägerin aufrechnen konnte (analog § 387 BGB).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist eine erklärte Aufrechnung einer Krankenkasse mit einem öffentlich-rechtlichem Erstattungsanspruch gegenüber einem Vergütungsanspruch des Krankenhauses (oder Trägers eines Krankenhauses) analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) möglich (hierzu BSG, Urteil vom 25.10.2016, Az. B 1 KR 7/16 R, juris, Rn. 11 ff.; BSG, Urteil vom 08.11.2011, Az. B 1 KR 8/11 R, juris, Rn. 9 ff m. w. N.). Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Die Beklagte konnte jedoch vorliegend nicht mit einer Gegenforderung aus öffentlich-rechtlicher Erstattung gegen die Hauptforderung aufrechnen, da ihr Erstattungsanspruch in der erklärten Höhe nicht bestand. Deswegen kann dahinstehen, ob die Beklagte die Aufrechnung unter Berücksichtigung der Anforderungen an eine wirksame und hinreichend bestimmte Aufrechnungserklärung aufgerechnet hat. Mangels aufrechnungsfähiger Gegenforderung kommt eine Aufrechnung nicht in Betracht.

Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i. S. von § 39 Abs. 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (vgl. z.B. Bundessozialgericht, Urteil vom 19.12.2017, B 1 KR 18/17 R, juris, Rn. 11 ff. mit weiteren umfangreichen Nachweisen; ständige Rechtsprechung).

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (KHEntgG) sowie § 17b Abs. 1 Satz 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in Verbindung mit § 39 Abs. 1 SGB V und dem Fallpauschalenkatalog. Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie hier nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs. 4 S 3 SGB V i. V. m. § 7 KHEntgG und § 17b KHG. Der Fallpauschalenkatalog gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 i. V. m § 9 KHEntgG ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (zur rechtlichen Einordnung des Gruppierungsvorgangs vgl. BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr. 2, Rn. 19 ff.). Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus -, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs. 1 S 1 KHG und § 9 Abs. 1 S 1 Nr. 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind (vgl. BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 58 Rn. 13).

Zwischen den Beteiligten selbst ist die von der Klägerin in der Rechnung vom 25. März 2015 abgerechnete DRG 901 D sowie der Prozedurenschlüssel OPS 5-570.4 mittlerweile unstreitig, nachdem die Klägerin mit der Klageschrift vom 22. November 2016 den Operationsbericht vom 12. März 2015 erstmals vorgelegt hat. Auch die Höhe der Rechnung in Höhe von insgesamt 5.925,99 EUR ist hiernach zwischen den Beteiligten unstreitig, nachdem der MDK im Klageverfahren den Operationsbericht ausgewertet, die Rechnungshöhe der Klägerin bestätigt und die Beklagte diese Bestätigung der Rechnungshöhe zu ihrem eigenen Vortrag gemacht hat. Das Gericht selbst sieht ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Rechnung vom 25. März 2015 - soweit der MDK in seinem Gutachten vom 19. April 2017 im Klageverfahren den von der Klägerin geltend gemachten OPS aufgrund des vorgelegten Operationsberichtes vom 12. März 2015 über die an diesem Tage durchgeführte Operation als zutreffend angesehen hat, begegnet diese Einschätzung auch von Seiten des Gerichtes keinen Zweifeln. Die von der Klägerin gestellte Rechnung vom 25. März 2015 in Höhe des Gesamtbetrages von 5.925,99 EUR erweist sich daher in voller Höhe als zutreffend.

Die Beklagte kann ihre Zahlung auch nicht in Höhe der Klageforderung verweigern. § 7 Abs. 2 S. 3, 4 PrüfvV stellt keine der Auffassung der Beklagten zur Seite stehende Vorschrift dar, welche im Gerichtsverfahren ihre Zahlungsverweigerung begründen könnte.

Die Frage, ob § 7 Abs. 2 S. 3, S. 4 PrüfvV eine materiell-rechtliche, somit auch die Gerichte bindende, Ausschlussvorschrift darstellt, ist in der sozialrechtlichen Rechtsprechung umstritten. § 17 c Abs. 2 S. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) regelt, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 c Sozialgesetzbuch (SGB) V regeln. Nach Satz 2 der Vorschrift haben sie insbesondere Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über den Zeitpunkt der Beauftragung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über die Prüfungsdauer, über den Prüfungsort und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen. § 17 c Abs. 2 S. 3 KHG bestimmt, dass auf Antrag einer Vertragspartei die Schiedsstelle nach § 18 a Abs. 6 KHG die ausstehenden Entscheidungen trifft, wenn eine Vereinbarung bis zum 31. März 2014 ganz oder teilweise nicht zustande kommt. § 17 c Abs. 2 S. 4 KHG bestimmt sodann, dass die Vereinbarung oder Festsetzung durch die Schiedsstelle für die Krankenkassen, den medizinischen Dienst der Krankenversicherung und die zugelassenen Krankenhäuser unmittelbar verbindlich ist. Hieraus ist die "Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung-PrüfvV) gemäß § 17 c Abs. 2 KHG" entstanden (konsentierte Fassung aus der Sitzung der Bundesschiedsstelle vom 18. Juli 2014 zwischen dem GKV-Spitzenverband, Berlin, und der deutschen Krankenhausgesellschaft e. V., Berlin). Nach § 7 Abs. 2 S. 1 PrüfvV richtet sich die Prüfung des MDK vor Ort nach den Vorgaben des § 276 Abs. 4 SGB V. Nach § 7 Abs. 2 S. 2 PrüfvV kann der MDK bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Nach § 7 Abs. 2 S. 3 PrüfvV hat das Krankenhaus die Unterlagen innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln. Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus nach der Bestimmung des § 7 Abs. 2 S. 4 PrüfvV einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag.

Aus den Regelungen der Sätze 3 und 4 des § 7 Abs. 2 PrüfvV kann die Beklagte jedoch auch bei Nichteinhaltung der darin vorgesehenen Fristen – wie hier – kein Leistungsverweigerungsrecht in materiell-rechtlicher Hinsicht ableiten. Die erkennende Kammer schließt sich bei der Beurteilung der rechtlichen Wirkungen der vorstehenden Regelungen den Auffassungen des Sozialgerichts Gießen (Urteil vom 10. November 2017, S 7 KR 70/16, juris, Rn. 32 ff) und des Sozialgerichts Kassel (u.a. Urteil vom 14. Februar 2018, S 12 KR 171/17, juris, Rn. 45 ff., nicht rechtskräftig, Berufungsaktenzeichen bei dem Hessischen Landessozialgericht: L 8 KR 221/18), des Sozialgerichts Detmold (Urteil vom 31. März 2017, S 24 KR 230/16, juris) und des Sozialgerichts Dortmund (Urteil vom 5. Mai 2017, S 49 KR 580/16, juris) in vollem Umfang an.

Aus der Rechtsgrundlage des § 17 c Abs. 2 KHG ergibt sich unter Berücksichtigung des Zwecks des Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1 c SGB V keine Ermächtigung, eine Vereinbarung über eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist zur nachträglichen Rechnungskorrektur vor Ablauf der gesetzlichen 4-jährigen Verjährungsfrist und der in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes festgelegten Zeit eines Einwendungsausschlusses zur Verwirkung festzulegen. Es kann daher im hier zu entscheidenden Fall letztlich dahinstehen, ob die Klägerin die vom MDK verlangten Unterlagen außerhalb der Frist des § 7 Abs. 2 S. 3 PrüfvV vorgelegt hat, da kein Beweisverwertungsverbot besteht, welches das Sozialgericht bindet. Denn selbst wenn die Beteiligten der PrüfvV eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist in der genannten Vorschrift habe vereinbaren wollten, so bindet dies die Gerichte nicht, da diese Vereinbarung einer 4-wöchigen Ausschlussfrist nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 17 c Abs. 2 KHG gedeckt ist. Die Annahme eines materiell-rechtlichen Ausschlusses überschreitet den Gesetzeswortlaut ("das Nähere zum Prüfverfahren") (so Sozialgericht Kassel, a. a. O., Rn. 48, Sozialgericht Gießen, a. a. O., Rn. 34). Dem Gesetz ist kein vergleichbar weitreichender Ausschluss des Vergütungsanspruches zu entnehmen, da § 275 Abs. 1 c S. 2 SGB V als einzige erhebliche Frist die für die Krankenkassen geltende Einleitungsfrist von 6 Wochen benennt. Systematisch betrachtet verzichtet § 7 Abs. 2 S. 3 PrüfvV außerdem im Gegensatz zu den ausdrücklich als Ausschlussfristen benannten Fristen der §§ 6 Abs. 2, 8 PrüfvV auf die Bezeichnung als Ausschlussfrist, was mit der Argumentation des Sozialgerichts Gießen den Schluss nahelegt, dass die Parteien sich auf diese weitreichende Folge in diesem Kontext gerade nicht geeinigt haben, so dass zumindest eine ausdrückliche Bezeichnung als Ausschlussfrist erforderlich gewesen wäre (SG Gießen, a. a. O.). In Anbetracht dieser systematischen Erwägungen vermag auch die erkennende Kammer nicht den Schluss zu ziehen, dass die Vertragsparteien sich auf die von der Beklagten und dem GKV-Spitzenverband für sich in Anspruch genommene weitreichende Folge eines Anspruchsausschlusses geeinigt haben sollten. Dies führt dazu, dass eine Entscheidung der Krankenkasse bei Nichtvorlage der angeforderten Unterlagen innerhalb der Frist des § 7 Abs. 2 S. 3 PrüfvV nur auf Grundlage der der Krankenkasse bekannten Informationen erfolgen kann, ein Ausschluss der Möglichkeit des Krankenhauses, die nicht innerhalb der genannten Frist vorgelegten Unterlagen später vorzulegen, jedoch nicht ausgeschlossen ist (Sozialgericht Kassel, a. a. O., Rn. 54). Es sind die Inhalte der PrüfvV (§ 2 Abs. 2 PrüfvV) für die Krankenkassen, den MDK und die zugelassenen Krankenhäuser zwar unmittelbar verbindlich, diese Verbindlichkeit bezieht sich aber nur auf das Prüfungsverfahren selbst, nicht auf ein sich hieran anschließendes Gerichtsverfahren. Die PrüfvV als untergesetzliche Norm ist nicht geeignet, den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nach dem SGB V einzuschränken, da nach der Besprechung des Bundessozialgerichtes (Urteil vom 19. April 2016, B 1 KR 33/15 R, juris) materiell-rechtliche Ausschlussfristen zu Lasten der Versichertengemeinschaft unzulässig sind (Sozialgericht Detmold, Urteil vom 31. März 2017, S 24 KR 230/16, juris, Rn. 31). Schließlich ist die Auffassung des Sozialgerichts Dortmund beachtlich (Urteil vom 5. Mai 2017, S 49 KR 580/16, juris, Rn. 46), dass wegen der besonders tiefgreifenden Auswirkungen des Leistungsausschlusses eine ausdrückliche Bezeichnung in der PrüfvV erforderlich gewesen wäre, insbesondere im Hinblick auf die gesetzliche Verjährungsfrist und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zur Verwirkung (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 23. Mai 2017, B 1 KR 27/16 R). Da die Vertragsparteien in der Prüfverfahrensvereinbarung solche ausdrücklichen Bezeichnungen gerade nicht gewählt haben, ist von einer materiell-rechtlichen Ausschlusswirkung, welche einvernehmlich vereinbart bzw. bezweckt gewesen sein sollte, aufgrund eines versteckten Einigungsmangels nicht auszugehen (§§ 139, 155 BGB analog).

Die entgegenstehende Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 17. April 2018, L 4 KR 936/17, juris) und des Sozialgerichts Marburg (Urteil vom 2. Januar 2019, S 14 KR 1/18) hat die Kammer bei ihren Erwägungen berücksichtigt. Die Kammer folgt den dortigen Einschätzungen jedoch nicht.

Der Zinsanspruch folgt wegen des eingetretenen Verzuges der Beklagten aus § 10 Abs. 5 des Hessischen Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung i. V. m. § 112 Abs. 2 S.1 Nr. 1 SGB V und § 288 Abs. 1 BGB (zum Zinsanspruch im Leistungserbringungsrecht vgl. u.a. BSG, Urteile vom 4. März 2004, Az.: B 3 KR 4/03 R und vom 19. April 2007, Az.: B 3 KR 10/06 R). Die Verzinsung beginnt mit dem Tag nach der vollzogenen Aufrechnung (BSG, Urteil vom 17. September 2013, B 1 KR 67/12 R).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a, 183 SGG i.V.m. § 154, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Denn § 193 Abs. 1, 4 SGG findet gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGG hier keine Anwendung, da die Beteiligten nicht zu dem in § 183 SGG genannten privilegierten Personenkreis gehören.

Einer gesonderten Entscheidung über eine Zulassung der Berufung bedurfte es nicht, weil der Beschwerdewert 750,- Euro übersteigt und Berufungsausschließungsgründe nicht vorliegen (Rechtsmittelbelehrung I).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, 1. HS SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG), da es sich um eine bezifferte Geldsumme handelt (Rechtsmittelbelehrung II).
Rechtskraft
Aus
Saved