Berlin. Laut „Kontraste“ lehnte die Krebsstation ein Kind ab, das kurz darauf starb. Staatssekretär Krach fordert: Nie wieder Aufnahmestopp.

Nachdem die Berliner Charité ein leukämiekrankes Kind nicht aufgenommen habe, sei es gestorben. Das berichtete das ARD-Magazin „Kontraste“ vorab zu einem Beitrag am Donnerstagabend. Nun habe die Klinik Fehler bei der Personalführung in der Kinderkrebsstation eingeräumt.

Unter Berufung auf mehrere anonyme Quellen – darunter einer der Kinderärzte auf der Station – wird der Fall so geschildert: In einer anderen Berliner Klinik ohne Kinderkrebsstation sei dem Kind Leukämie diagnostiziert worden. Deshalb sollte es in das Virchow-Klinikum der Charité in Wedding verlegt werden. Auf der dortigen Kinderkrebsstation sei wegen Personalnot kein Bett zu finden gewesen, das schwer kranke Kind sei abgelehnt worden. Nachdem sich der Zustand des Kindes über Nacht verschlechtert habe, sei es schließlich am nächsten Tag in die Charité gekommen – und kurz darauf gestorben.

„Wir mussten die Verlegung des Kindes daher zunächst ablehnen“

„Bei uns auf Station hatten wir leider keine freien Betten und auch sonst im Haus war trotz intensiver Bemühungen kein Bett zu finden“, zitiert "Kontraste" einen Kinderarzt der Charité. „Wir mussten die Verlegung des Kindes daher zunächst ablehnen.“

In der ersten, im Beitrag nicht konkret benannten Klinik habe sich der Zustand des Kindes über Nacht dann weiter verschlechtert. „Am nächsten Tag konnte das Kind dann zu uns verlegt werden, aber es verstarb leider rasch. Das hat uns alle sehr mitgenommen“, wird der Kinderarzt der Charité zitiert. „Man kann es nie wissen, aber vielleicht wäre das Kind noch am Leben, wenn wir es rechtzeitig hätten übernehmen können.“

Charité weist Vorwürfe von sich

Die Charité hat am Freitagmittag Stellung zu dem Bericht genommen. "In der aktuellen Berichterstattung wird der schwerwiegende Vorwurf erhoben, dass ein Kind verstorben sei, weil die Charité die Übernahme abgelehnt habe“, teilte das Universitätsklinikum am Freitag der Berliner Morgenpost mit.

„Nach sorgfältiger interner Prüfung, die bis heute Morgen angedauert hat, stellen wir fest, dass dieser Vorwurf nach allen uns vorliegenden Informationen falsch ist“, sagte die Sprecherin der Charité, Manuela Zingl, der Berliner Morgenpost.

Die Charité sei jederzeit bereit, dies durch unabhängige Gutachter überprüfen zu lassen. Was konkret an den Vorwürfen aus der Sendung vom Donnerstag falsch sei, sagte Zingl nicht. Man habe noch keine Entbindung der ärztlichen Schweigepflicht.

Im „Kontraste“-Beitrag über den Personalmangel am Kinderkrebszentrum der Charité war am Donnerstagabend anonymisiert ein Kinderarzt zu Wort gekommen, der vom Tod eines krebskranken Kindes im Zusammenhang einer nicht sofort möglichen Aufnahme an dem Spezialzentrum berichtete.

Seit langem herrscht Fachkräftemangel an der Charité

Der Mangel von Pflegekräften in den Einrichtungen der Charité ist seit langem bekannt. Im Dezember vergangenen Jahres gab es deshalb sogar einen Aufnahmestopp auf der Kinderkrebsstation. Der Staatssekretär für Wissenschaft, Stefan Krach (SPD), forderte die Charité in Reaktion auf den „Kontraste“-Bericht auf, ein Aufnahmestopp dürfe sich nicht wiederholen. Zingl sagte am Freitag, der Fall des verstorbenen Kindes habe sich nicht im fraglichen Zeitraum im Dezember zugetragen.

Bei der Berliner Staatsanwaltschaft lagen zu dem Fall auch am Freitag keine Informationen vor.

"Gegen den bundesweit herrschenden Personalmangel nicht immun"

Steffen Krach (SPD), der als Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung auch für die Charité zuständig ist, hatte am Donnerstag auf den allgemeinen Fachkräftemangel verwiesen: „Auch die beste Uniklinik in unserem Land ist gegen den bundesweit herrschenden Personalmangel nicht immun.“ Man investiere Hunderte Millionen Euro und arbeite daran, in Berlin mehr Pflegekräfte auszubilden. Eine von der Charité eingesetzte Task-Force erarbeite interne Verbesserungen. Gleichzeitig formulierte Krach einen deutlichen Auftrag: „Die Klinik muss gewährleisten, dass so drastische Situationen wie ein temporärer Aufnahmestopp in der Kinderonkologie im Dezember 2019 nicht mehr vorkommen.“ Damals fehlten nach Klinikangaben 10 von 50 Mitarbeitern.

Laut Zahlen der Senatsverwaltung für Gesundheit und Pflege sind im vergangenen Jahr 880 Kinder von der Kinderklinik der Charité auf andere Krankenhäuser verlegt worden. Allerdings betonte die Senatskanzlei, es handle sich dabei um Fälle, die ohne Probleme auch in weniger spezialisierten Kliniken behandelt werden konnten. Nach Angaben der Charité seien 2019 insgesamt gut 90.000 Fälle an den Kinderkliniken auf dem Campus Virchow behandelt worden. Laut Senatskanzlei hat die Charité während des Aufnahmestopps zwei Patienten an die Kinderonkologie in Buch vermittelt. Ob und wie viele Fälle abgelehnt wurden, wurde nicht genannt.

Allein die Charité sucht 100 Pflegekräfte

Der Staatssekretär für Wissenschaft betonte, es sei der Charité in den vergangenen vier Jahren gelungen, 378 zusätzliche Pflegekräfte zu rekrutieren. Allerdings sucht alleine die Charité an die 100 Pflegekräfte, wie sie während des Aufnahmestopps im Dezember mitteilte.

„Kontraste“ zitierte den Charité-Vorstand der Krankenversorgung, Ulrich Frei, im Beitrag zum verstorbenen Patienten der Kinderkrebsstation so: „Gerade in der Kinderonkologie gerät man sehr leicht in eine Zwickmühle, dass man auch dem Personal gegenüber [...] mit der Krankheit der Kinder argumentiert.“ Dieser Druck sei möglicherweise zu stark ausgeübt worden.

Anmerkung der Redaktion: Der "RBB" hat seine Berichterstattung korrigiert. Er verweist nun darauf, dass ein kausaler Zusammenhang des Todes mit der vorangegangenen Ablehnung nicht belegt sei.

Mehr zum Thema:

Der Pflegenotstand in der Charité kann tödlich sein