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Ärzte an Berliner Kliniken arbeiten laut Marburger Bund im Schnitt 50 Stunden pro Woche.

© imago/Westend61

Update

Umfrage unter Klinikärzten in Berlin: 60 Prozent der Mediziner nennen Behandlungen „oberflächlich“

Klinikärzte arbeiten in Berlin am Limit. Neben Ärzten werden in den Krankenhäusern der Region auch Pflegekräfte und Hebammen gesucht.

Massive Überstunden, bürokratisierte Abläufe und stellenweise Unsicherheit im Stationsalltag – Klinikärzte in der Hauptstadtregion klagen über enormen Druck. Das geht aus einer Umfrage des Marburger Bundes (MB) hervor. Die Ärztegewerkschaft hatte Experten der Universität Hamburg mit einer Studie beauftragt; 2060 Mediziner in Berlin und Brandenburg hatten dazu Fragen beantwortet, 90 Prozent von ihnen arbeiteten in Krankenhäusern.

Das Ergebnis ist nicht repräsentativ, gilt aber als belastbar: Die Ärzte arbeiteten demnach im Schnitt 50 Stunden pro Woche – das sind fast zwölf Stunden mehr als im Arbeitsvertrag vereinbart. Knapp 60 Prozent der Befragten gaben an, oft oberflächlicher zu arbeiten, als es ihnen lieb sei - um die Aufgaben absolvieren zu können. So klagen fast 70 Prozent über ständigen, mindestens aber täglichen Zeitdruck.

Kinder ohne Hilfe durch Klinikpersonal entbunden?

Wie berichtet, steigt die Zahl der Ärzte in Deutschland. Allerdings nimmt die Zahl der Patienten in Berlin noch viel deutlicher zu. In Krankenhäusern werden neben Medizinern auch Pflegekräfte, Hebammen, IT-Fachleute gesucht. Der Senat plant, eine Ausbildungsakademie aufzubauen.

Wie Mitarbeiter einer Berliner Klinik dem Tagesspiegel berichteten, hatte es in diesem Jahr dort „personalfreie“ Geburten gegeben. Demnach ist mindestens in einem, wahrscheinlich aber in zwei oder drei Fällen eine Schwangere in den Kreißsaal des Krankenhauses in der Innenstadt gebracht worden. Das Personal aber musste sich zuerst um die Schwangeren in den anderen Sälen kümmern. Schließlich soll der Begleiter – mutmaßlich der Ehemann – bei der Geburt geholfen haben, bis Mitarbeiter kamen.

"Das System der Fallpauschalen ist am Ende"

Der Marburger Bund forderte neben mehr Personal, klarere Personaluntergrenzen für Ärzte und angemessene Arbeitszeiterfassung. „Wer eine gute Gesundheitsversorgung will“, sagte MB-Landeschef Peter Bobbert, „der muss dafür Geld ausgeben.“ Die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens aber führe zu falschen Anreizen. „Das System der Fallpauschalen ist am Ende“, sagte Bobbert. „Wir brauchen eine patientengerechte Finanzierung der Kliniken – die Medizin, nicht die Abrechungsarithmetik muss im Mittelpunkt.“

Die Krankenkassen zahlen den Kliniken seit 2004 pauschal pro Fall und Diagnose eine Summe, von der das Personal entlohnt werden soll. Für Bau und Technik müssen die Bundesländer aufkommen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte nach Druck aus der Branche schon die Pflegevergütung aus den Pauschalen herausgenommen. Ab kommendem Jahr sollen sich die Pflegekosten in den Kliniken eher am tatsächlichen Aufwand, nicht an einem Mittelwert orientieren. Zudem werden die Personalquoten in der Pflege ausgeweitet.

Um die Personalnot in der Pflege zu linden, kündigte Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) an, Leiharbeit in Kliniken und Heimen verbieten lassen zu wollen. Sie plane dazu eine Bundesratsinitiative. Während Krankenhausgesellschaft und Pflegeheimbetreiber dies begrüßen, kritisieren Zeitarbeitsfirmen den angekündigten Vorstoß deutlich: Er werde zu größerer Personalnot führen.

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