Kölner Klinikverbund„Wie will man sonst die Defizite der Krankenhäuser beseitigen?“

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Bettenhaus der Kölner Universitätsklinik

Köln – An dem geplanten Verbund aus Uniklinik und städtischen Kliniken Köln scheiden sich die Geister. Über Chancen und Risiken sprach Michael Fuchs mit Gesundheitsökonomin Prof. Dr. Vera Winter von der Bergischen Universität Wuppertal. Ist es eine gute Idee, wenn Kliniken Verbünde bilden Winter: Grundsätzlich ja. Seit Einführung des Krankenhausstrukturfonds 2016 werden Verbünde und Konzentrationen bundesweit gefördert, das ist politisch klar gewollt. Interessanterweise zeigte sich jedoch zunächst, dass es viele Fusionsideen gab, die das Bundeskartellamt ablehnte. Es herrschte eine hohe Diskrepanz zwischen dem, was an Veränderungen im Krankenhaussektor gewünscht und was im Wettbewerbsrecht gewollt ist.

In Köln untersagte das Kartellamt 2018 die Fusion der Cellitinnen-Kliniken. Hätte ein Verbund aus Uniklinik und städtischen Kliniken kartellrechtlich keine Chance?

Nein, inzwischen hat sich die Lage geändert. Mit einer Novelle des Gesetzes für Wettbewerbsbeschränkungen wurden im Januar 2021 Fusionen zwischen Kliniken erleichtert. Hier gelten nun in Bezug auf mögliche Monopolstellungen weniger scharfe Maßstäbe als bei anderen Industrien. Das Ziel lautet: Man will zwar Wettbewerb im Gesundheitswesen, aber zugleich Strukturen schaffen, die für die Versorgung der Patienten am besten sind.

Sind Verbünde besser als kleine, wohnortnahe Kliniken?

In größeren Einrichtungen werden größere Mengen an gleichen Leistungen erbracht, also eine höhere Zahl bestimmter Operationen, sagen wir die Implantation eines künstlichen Hüftgelenks. Wissenschaftliche Studien belegen eindeutig, dass die Qualität der medizinischen Versorgung höher ist, wenn eine Klinik höhere Mengen an OPs des gleichen Typs durchführt. Der Zusammenhang zwischen Quantität und Qualität ist bei Gesundheitsleistungen enorm. Dabei spielt die Erfahrung der Operateure und der OP-Teams eine zentrale Rolle.

Läuft es also darauf hinaus, dass langfristig kleinere Kliniken zu Gunsten größerer Häuser geschlossen werden?

2019 hat das Gutachten zur Krankenhauslandschaft NRW in Köln, wie auch in anderen Ballungsgebieten, eine Tendenz zur Überversorgung festgestellt. Es gibt hohe Vorhaltekosten in den einzelnen Krankenhäusern, die nicht unbedingt notwendig sind. Das spricht dafür, ein bisschen Wohnortnähe aufzugeben zu Gunsten einer hochwertigeren medizinischen Versorgung.

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Prof. Dr. Vera Winter

Gibt es dafür schon Beispiele? In Dänemark, wo ich einige Jahre gearbeitet habe, wird dieser Ansatz radikal verfolgt. Dort hat man große Zentren gebildet. Das bedeutet teils weitere Entfernungen, dafür aber höhere Qualität. Natürlich muss man bestimmte Leistungen weiterhin wohnortnah anbieten, wie die Versorgung von Herzinfarktpatienten. Aber planbare OPs wie ein künstliches Hüftgelenk kann man genauso gut in einer Nachbarstadt beziehungsweise in einem etwas entfernteren Stadtteil durchführen. Da braucht es nicht mehrere Anbieter an einem Ort. Sind Verbünde wirtschaftlicher als kleine Kliniken? Wir haben bundesweit Daten über Klinikverbünde untersucht und konnten dabei sowohl positive Effekte auf die Effizienz nachweisen als auch eine – zumindest kurzfristige – Verbesserung der Finanzergebnisse. Als Haupttreiber der positiven Entwicklung werden die größeren Leistungsmengen sowie Synergieeffekte auf Verwaltungsebene wie bessere Einkaufskonditionen gesehen. Außerdem wird die Auslastung häufig besser.

Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund einen Verbund aus der Uniklinik Köln und den städtischen Kliniken?

Das ist ein Spezialfall. Hier wollen sich eine Landesklinik und die Kliniken einer Kommune unter dem Dach einer komplizierten Stiftungskonstruktion zusammenschließen. Dafür gibt es wenig Vorbilder. Welche Effekte dadurch möglich sind, muss man genau prüfen. Köln gewinnt bislang nur in unterdurchschnittlichem Maße Patienten aus anderen Regionen. Das könnte durch einen Verbund, in dem ja Kompetenz-Zentren aufgebaut werden sollen, verbessert werden.

Das vorgelegte Betriebskonzept sieht ein Synergiepotenzial von 42,7 Millionen Euro pro Jahr. Ist das realistisch?

Das scheint mir ein ambitioniertes Ziel zu sein. Potenzial für positive finanzielle Effekte ist zweifellos vorhanden, aber ob es in dieser Größenordnung gehoben werden kann, ist offen. Anderseits ist klar, dass etwas passieren muss mit den städtischen Kliniken. Es stellt sich die Frage, was wären die Alternativen? Wie will man das Defizit beseitigen? In Hamburg wurden praktisch alle Krankenhäuser außer der Uniklinik an Private verkauft.

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Bei einer Privatisierung wäre der Kontrollverlust der öffentlichen Hand aber noch größer. Dass es Vorbehalte gegen einen Verbund gibt, ist nachvollziehbar. Das Betriebskonzept klingt sehr optimistisch. Die dort genannten grandiosen Zahlen sind nur bedingt begründet. Die Gegenfrage lautet: Wie will die Stadt die Finanzen ihrer Kliniken sonst in den Griff bekommen? Ist eine Kooperation mit einem öffentlichen Träger da nicht doch eine gute Option?

Laut Betriebskonzept will der Verbund nicht nur mehr Umsatz erzielen, sondern auch bis zu 58,7 Millionen Euro zusätzliche Drittmittel pro Jahr einwerben. Wäre das machbar?

Den Drittmittelzuwachs will man vor allem über mehr klinische Studien erzielen. Das ist durchaus plausibel, da ein Verbund über deutlich mehr Patienten verfügen würde – rund 120 000 stationäre Fälle pro Jahr. Damit käme man in die Nähe führender Forschungsstandorte wie Charité Berlin und Uniklinik Heidelberg. Das eröffnet neue Chancen, mehr Fördermittel zu generieren – ob in dieser Höhe, vermag ich nicht zu sagen. Viel wird davon abhängen, wie stringent ein Verbund umgesetzt wird. Es ist nicht so, dass sich alle Potenziale automatisch realisieren, nur weil man sich zusammenschließt.

Klinikverbund

Droht ein Kölner Verbund daran zu scheitern, dass andere Unikliniken in NRW um ihre Fördergelder fürchten und beim Land, das ihn genehmigen müsste, intervenieren?

Natürlich können Fördergelder nur einmal vergeben werden, und die Mittel des Landes sind begrenzt. Andererseits fördert der Bund Klinikverbünde ausdrücklich. Das gilt insbesondere in NRW mit seiner Tendenz zur Überversorgung in Ballungsräumen. Möglicherweise könnte Köln künftig Mittel anziehen, die sonst in anderen Bundesländern landen würden.

Ist der zunehmende Personalmangel ein Problem für den Klinikverbund?

Der Wettbewerb um Pflegekräfte wird sich weiter verstärken. Es ist vernünftig, dass man in Köln mit einem eigenen Ausbildungszentrum dagegen steuern will. Strategisches Personalmanagement ist ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer Fusion und für die Verringerung des Fachkräftemangels im Allgemeinen. Ein Verbund hat das Potenzial, alles noch mal neu aufzustellen, das Personal stärker zu beteiligen und gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Damit würde er für Pflegekräfte besonders attraktiv. Das Potenzial dafür ist da. Es auch zu nutzen, wird die Herausforderung sein.

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