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Intensivmedizin | Intensive Care Medicine
J. Baierlein · P. Leibinger · K. Zacharowski · P. Meybohm

Ansätze zur Versorgungsforschung mit öffentlich verfügbaren Routinedaten – Chancen und Grenzen der Auswertung stationär kodierter Transfusionen (OPS-Code 8-800*) in Deutschland

Schlüsselwörter Versorgungsforschung – Routine­daten – PBM – Transfusion – OPS 8-800*
Keywords Health Care Research –Costing data – PBM – Blood Transfusion – OPS 8-800*
Zusammenfassung

Hintergrund: Die WHO fordert seit 2010 den ressourcenschonenden Umgang mit Blutprodukten. Entsprechende Konzepte zum Patient Blood Management (PBM) wurden inzwischen publiziert, sodass eine zunehmende Zahl an Krankenhäusern einen ressourcenschonenden Umgang mit Blutprodukten im Sinne von PBM umsetzt. 

Drei Ziele verfolgt diese Arbeit. Erstens wird geprüft, ob anhand öffentlich verfügbarer Routinedaten die Kodierung und damit der Umgang mit Bluttransfusionen im stationären Krankenhausbereich dargestellt werden kann. Etwaige Möglichkeiten sowie Limitationen der Auswertung werden aufgezeigt. Zweitens wird der Frage nachgegangen, wie die Kodierung der Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) im Vergleich zu berichteten Verbrauchszahlen zu sehen ist. Drittens wird diskutiert, ob mit diesen oder anderen Daten eine prozedurenspezifische Transfusionswahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann.

Methodik: In die Analyse wurden öffentlich verfügbare Daten zur Anzahl von Patienten mit Transfusion von Vollblut, Erythrozytenkonzentraten und Thrombozytenkonzentraten (OPS-Code 8-800; Statistisches Bundesamt – Destatis), zur Anzahl von Patienten mit Transfusion von Erythrozytenkonzentraten (OPS-Code 8-800.c*; Qualitätsberichte) sowie Verbrauchsdaten von Blutprodukten (Paul-Ehrlich-Institut) einbezogen.

Ergebnis: Anhand der öffentlich verfüg-baren Datenquellen wird aufgezeigt, dass die Anzahl der Fälle mit kodierten Transfusionen zwischen den Jahren 2013 und 2017 um 3% pro Jahr rück-läufig ist, ebenso bestehen starke regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern. So zeigt sich beispielsweise, dass in Baden-Württemberg mit 914 dokumentierten OPS bzw. Fällen je 100.000 Einwohner deutlich seltener transfundiert wird als in Sachsen-Anhalt mit 1.466 dokumentierten OPS bzw. Fällen je 100.0000 Einwohner. Zudem zeigt sich eine Altersabhängigkeit bei der Transfusionshäufigkeit in allen Datensätzen. Weitere Auswertungen der kodierten Transfusionshäufigkeit, z.B. nach Krankenhausgröße, Trägerschaft oder Case Mix Index, werden als mögliche Einflussfaktoren dargestellt. Die kodierte Transfusionshäufigkeit steigt sowohl mit der Anzahl der Betten als auch mit der Höhe des Case Mix Index. Ein weiteres Ergebnis ist die Feststellung, dass die mittels Kodierung abgeleiteten Mengenangaben mit den vom Paul-Ehrlich-Institut gemäß § 21 Abs. 2 Transfusionsgesetz gemeldeten Daten zum Verbrauch von Bluteinheiten in Deutschland korrelieren. Limitationen treten dann zutage, wenn der Rückschluss der Transfusionswahrscheinlichkeit auf die individuelle Diagnose/Prozedur des Patienten notwendig wird. 

Schlussfolgerung: Die Anzahl der Fälle mit kodierten Transfusionen geht seit Jahren leicht um 3% pro Jahr zurück. Die Transfusionshäufigkeit hängt vor allem vom Alter und der Erkrankungsschwere des Patienten ab. Überraschenderweise ist auch eine Abhängigkeit von der Region, der Krankenhausgröße sowie der Trägerschaft nachzuweisen. Erstmalig wurden die jährlich publizierten Verbrauchsdaten mit OPS-Kodierungen abgeglichen. Die von der Richtlinie Hämotherapie geforderte Analyse der (hauseigenen) Transfusionswahrscheinlichkeit ist anhand öffentlich verfügbarer Daten nicht möglich. Hier können nur krankenhausinterne Daten die richtigen Ansatzpunkte liefern.

Summary

Background: In 2010, the WHO has been calling for a resource-saving use of blood products. Since then, concepts for patient blood management (PBM) have been published and an increasing number of hospitals are implementing PBM as a resource-saving approach.

This study has three objectives. First, to examine how handling of blood transfusions in hospitals can be assessed on the basis of the Operation and Procedure Classification System  (OPS). Second, to assess how OPS codes perform in comparison to calculated consumption data. Finally, to test whether a procedure-specific transfusion probability can be derived.

Methods: The analysis included publicly available data on the number of cases with transfusion of whole (full) blood, red blood cell concentrates and platelet concentrates (OPS code 8-800; Destatis), on the number of cases with transfusion of red blood cell concentrates (OPS code 8-800.c*; quality reports) as well as consumption data of blood products (Paul-Ehrlich-Institute).

Result: From 2013 to 2017, the number of cases with coded blood transfusions has been declining by 3% per year. The analysis also revealed regional differences between federal states. For example, transfusions are significantly less frequent in Baden-Wuerttemberg with 914 OPS codes or cases per 100,000 inhabitants compared to Saxony-Anhalt with 1,466 OPS codes or cases  per 100,000 inhabitants. 

In addition, the frequency of transfusions was age-dependent in all data sets. Further evaluations of the coded transfusion frequency, e.g. by hospital size, hospital owner or case mix index, as possible influencing factors were analysed. The coded transfusion frequency increased both with the number of beds per hospital and with the Case Mix Index. It could also be shown that the quantities derived by coding correlate with the data on the consumption of blood units in Germany reported by the Paul-Ehrlich-Institute pursuant to Art. 21 (2) Transfusion Act. 

Conclusion: The number of cases with coded transfusions has been decreasing slightly by 3% per year since 2013. The frequency of transfusions depends mainly on the patient‘s age and severity of disease, but is also related to the region of Germany, the number of beds in the hospital and the hospital owner. The annually published consumption data were compared with OPS codes. As a limitation, data on (in-house) transfusion probability required by the Haemotherapy Guideline cannot be analysed on the basis of publicly available data. Here, only hospital-internal data can provide the correct starting points.

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