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Minus statt Gewinne

Millionen-Verlust: Warum Rostocks Uni jetzt mehr operieren soll

Gebäude der Universitätsmedizin Rostock in der Schillingallee Foto: Ove Arscholl Veröffentlichung ist honorarpflichtig! No Model Release!

Gebäude der Universitätsmedizin Rostock in der Schillingallee Foto: Ove Arscholl Veröffentlichung ist honorarpflichtig! No Model Release!

Rostock. Stürzen die personellen Querelen hinter den Kulissen eine der erfolgreichsten Kliniken in ganz Deutschland in die finanzielle Krise? Die Rostocker Uni-Klinik droht nach OZ-Informationen vom Branchenprimus zum Sanierungsfall zu werden.

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Nachdem das größte Krankenhaus in MV jahrelang Millionen-Gewinne eingefahren hat, läuft in diesem Jahr alles auf ein Riesen-Minus hinaus. 18 Millionen Euro soll das Defizit aktuell betragen. Welche Folgen das für Personal und Patienten hat, ist noch offen.

Kommentar zum Thema: Landesregierung muss endlich durchgreifen

Die Landesregierung hat bereits „Gegenmaßnahmen“ von der Klinikleitung eingefordert. Ein Weg: Die Klinik soll mehr Patienten behandeln – und so ihre Einnahmen steigern.

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Ministerium bestätigt Probleme

Das Schweriner Bildungsministerium – zuständig für die Uni-Kliniken im Land – bestätigt auf OZ-Anfrage die finanzielle Schieflage im einstigen Vorzeige-Krankenhaus. „Das laufende Geschäftsjahr gestaltet sich auf der Einnahme- und Ausgabeseite schwierig. Zum einen bleibt die Uni-Medizin in einzelnen Bereichen hinter den bisherigen Leistungen und Erlösen zurück, zum anderen sind die Kosten gestiegen“, sagt Ministeriumssprecher Henning Lipski.

Die Klinik müsse beispielsweise Millionen mehr für Personal ausgeben: „Die jüngsten Tarifabschlüsse waren zwar für die Fachkräftesicherung notwendig und sinnvoll.“ Aber sie kosten viel Geld: Tausende Mitarbeiter an den Uni-Kliniken in Rostock und Greifswald erhalten ab Jahresbeginn 2,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt.

Höhere Löhne führen zu steigenden Kosten

Auf Druck der Landesregierung wurden die Tarife in den Krankenhäusern an den Tarifvertrag der Länder (TVL) angeglichen. Allein das soll zehn Millionen Euro Mehrkosten für Rostock bedeuten. Weitere vier Millionen Euro fließen in Form höherer Löhne an die uni-eigene Service-Gesellschaft – für Fahrdienste, Wäscherei, Reinigung, das Essenkochen.

Zur Höhe des Defizits macht die Landesregierung keine Angaben. Die Zahl 18 Millionen Euro dementiert Lipski aber ausdrücklich nicht. Eine Prognose, wie hoch das Minus am Jahresende sein wird, will das Ministerium nicht abgeben – das wäre, so Lipski, „unseriös“.

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Regierung verlangt Gegenmaßnahmen

Aber: „Die Entwicklung der ersten Monate gibt Anlass zur Sorge und zum aktiven Eingreifen des Vorstandes. Aus heutiger Sicht ist davon auszugehen, dass das Jahresergebnis 2019 für die Krankenversorgung nicht ausgeglichen sein wird.“

Aufsichtsrat und auch Landesregierung haben die Klinikleitung um die kommissarische Vorstandsvorsitzende Gabriele Nöldge-Schomburg bereits aufgefordert, alle nötigen Maßnahmen zu treffen, um das Defizit zu minimieren. „Insbesondere müssen die Bereiche, in denen die Leistungen deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind, kurzfristig gestärkt und effizienter werden“, erklärt Lipski. „Die Abläufe im Haus müssen weiter optimiert werden.“ Der Aufsichtsrat habe den Vorstand aber aufgefordert, seine bisherige Strategie zu überdenken. Was das im Detail bedeutet, sagt Lipski nicht.

Mehr Stellen – nicht weniger

Aber: Einen weiteren Stellenabbau soll es nach OZ-Informationen nicht geben. Im Gegenteil: „Es zeichnet sich eher ab, dass die Personalstärke weiter erhöht wird“, sagt Volker Steinhagen, Vorsitzender des Gesamtpersonalrates der Uni-Klinik. In den vergangenen Jahren habe sich die angespannte Personaldecke „leicht entspannt“. Aktuell arbeiten mehr als 3700 Menschen in dem Krankenhaus. „Eine Uni-Klinik ist ein Stück weit wie eine Behörde. Und die machen auch keine Gewinne“, sagt Steinhagen zur Finanzdebatte.

Das Land hat gegen die Finanzmisere aber bereits auch konkrete Maßnahmen eingefordert: Die Kardiologie und die Chirurgie sollen mehr Patienten behandeln und somit mehr Geld verdienen. Freie Stellen dort sollen schnellstmöglich neu besetzt werden, so Ministeriumssprecher Lipski.

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Aus Sicht des Gesamtpersonalrates mache das Sinn: Weil bisher Personal fehlt, müssten Operationen und Behandlungen „auf die lange Bank“ geschoben werden – oder anderen, privaten Kliniken überlassen werden. „Mit mehr Ärzten und Pflegepersonal könnten wir diese Behandlungen aber durchführen – und Geld verdienen.“ Steinhagen betont: „Es geht aber in allen Fällen stets um notwendige und sinnvolle Therapien. Kein Arzt bei uns wird grundlos einen Menschen operieren.“

Greifswald im Plus

Die Rostocker gehörten jahrelang zu den wenigen Uni-Kliniken in ganz Deutschland, die Gewinne einfuhren. Allein im Jahr 2017 waren es 9,3 Millionen Euro. In Greifswald hingegen wurden in dieser Zeit satte Verluste gemacht. 2014 zum Beispiel 14,3 Millionen Euro.

Nun haben sich die Verhältnisse umgekehrt: „Die Schwester-Universitätsmedizin in Greifswald hat übrigens im Jahr 2018 wieder ein positives Ergebnis erreicht, nachdem sie zuvor in den roten Zahlen war. Es sollte auch in Rostock gelingen, dem negativen Trend entgegenzuwirken“, sagt Lipski.

Die Verluste muss die Klinik aus eigener Kraft abbauen: „Ein Ausgleich aus Landesmitteln ist dafür weder erforderlich noch vorgesehen.“ Und es droht weiteres Ungemach: Die Budgetverhandlungen mit den Krankenkassen sind noch nicht abgeschlossen. Auch neue Bundesgesetze – zum Beispiel die geplanten höheren Löhne für das Pflegepersonal – könnten Rostocks Uni-Klinik weiter in die Miesen treiben.

Querelen als Ursache?

Hinter vorgehaltener Hand heißt es, das Land sehe einen Grund für die Finanznot in den personellen Querelen in der Uni-Klinik. Im Sommer 2018 hatte ein Professor den Ärztlichen Vorstand und damaligen Vorstandschef Christian Schmidt der Untreue bezichtigt. Schmidt wurde beurlaubt, mehrere Kanzleien und Gutachten prüften die Anschuldigungen.

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Nachdem Schmidt nur kleinere Vergehen nachgewiesen werden konnten, durfte er zurückkehren – musste aber den Posten des Vorstandschefs an die Interimschefin Gabriele Nöldge-Schomburg abgeben. Unter Schmidt hatte die Klinik noch Gewinne gemacht.

Auch unter neuer Chefin keine Ruhe

Seit den Vorfällen 2018 kehre – so Insider – keine Ruhe mehr in der Klinik ein. Von Grüppchenbildung ist die Rede und Fronten innerhalb der Führungsriege. Auch Nöldge-Schomburg gelinge es nicht, Frieden zu stiften.

Ministerin Bettina Martin (SPD) will sich nach OZ-Informationen gleich nach ihrem Urlaub der Klinik annehmen. Im Frühjahr 2020 soll zudem der ehemalige Europapolitiker und Arzt Harald Terpe (Grüne) einen Bericht zum Zustand der Uni-Klinik vorlegen – gemeinsam mit einer Experten-Kommission.

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OZ

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