Rettungsschirm gestrichen: Kliniken in Finanznot

Bielefeld/Berlin. Mit dem Ende der epidemischen Notlage in Deutschland ist im April auch der Rettungsschirm für Krankenhäuser ausgelaufen. Die ersatzlose Streichung der Ausgleichszahlungen bringt Kliniken nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) in finanzielle Not, weil die Kosten steigen, die Erlöse jedoch nicht. Bundesweit drohe vielen Kliniken deshalb ein ruinöser Sparkurs samt Stellenabbau. Um das zu verhindern, fordert die DKG weitere Finanzspritzen. Auch, um die Versorgung der Corona-Patienten weiter gewährleisten zu können. Doch welche Rolle spielt Covid-19 derzeit noch in Kliniken?Mit dem Wegfall vieler Einschränkungen wird weniger über das Coronavirus gesprochen, doch Zahlen der DKG zeigen, dass noch immer viele Covid-Patienten im Krankenhaus behandelt werden. Insgesamt sind es derzeit 12.237, davon 1.094 auf Intensivstationen. Während die Zahl der Intensivpatienten seit März deutlich und kontinuierlich sinkt, geht die Zahl der Covid-Patienten auf Normalstationen nur langsam zurück. Diese Entwicklung zeigt sich auch in NRW. &bdquo;Auf den Normalstationen bessert sich die Lage nur sehr langsam“, erklärt Georg Rüter, Geschäftsführer der katholischen Hospitalvereinigung (KHO). &bdquo;Allerdings kommt der Großteil der Covid-Patienten nicht wegen, sondern mit einer Infektion ins Krankenhaus. Trotzdem müssen Betroffene isoliert werden.“ Die Behandlung infizierter Patienten sei unabhängig von der Virusvariante aufwendig, erklärt Mathias Kreft, Vorsitzender Geschäftsführer des Evangelischen Klinikums Bethel (EvKB). &bdquo;Auch bei Omikron-Infektionen gelten dieselben hohen Schutzmaßnahmen wie bei vorherigen Varianten.“EvKB: Ein Drittel des Personals seit Pandemiebeginn mit dem Coronavirus infiziert Während der Hochinzidenzphase im ersten Quartal 2022 mussten in den deutschen Kliniken so viele Covid-Patienten versorgt werden wie noch nie. Im EvKB wurden laut Kreft in der Spitze bis zu 120 Infizierte gleichzeitig versorgt, aktuell sind es 45. &bdquo;In dieser Phase kam es zudem zu massiven Personalausfällen. Wir mussten auf bis zu 120 infizierte Mitarbeiter gleichzeitig verzichten, aktuell sind es noch etwa 50. Hinzu kamen Personalausfälle wegen anderer Gründe.“ Seit Pandemiebeginn haben sich im EvKB laut Kreft 1.700 Mitarbeiter infiziert. &bdquo;Das entspricht einem Drittel des Personals.“Auch die Häuser der KHO in Bielefeld, Herford und Rheda-Wiedenbrück verzeichneten massive Personalausfälle. &bdquo;In Spitzenzeiten lag der Krankenstand bei 9,6 Prozent und damit doppelt so hoch als sonst“, erklärt Rüter. &bdquo;Beim Ausgleich dieser Ausfälle sind hohe Kosten durch den Einsatz von Leiharbeitern und Überstunden entstanden.“&bdquo;Die Kosten für Lebensmittel, Medizinprodukte und Energie belasten auch Krankenhäuser" Zudem haben Kliniken aufgrund der Personalausfälle weniger Erlöse generieren können. &bdquo;Wenn Personal fehlt, müssen Angebote gestrichen werden“, sagt Kreft. Insgesamt ist das Patientenaufkommen in der Pandemie in Kliniken laut der DKG im Schnitt um zwölf Prozent zurückgegangen und dementsprechend auch die Erlöse. Hinzu kommen steigende Kosten als Folge der Inflation. &bdquo;Die Kosten für Lebensmittel, Medizinprodukte und Energie belasten auch Krankenhäuser. Durch fehlende Investitionsmittel sind viele Klinikgebäude in NRW nicht energieeffizient. Ich kenne Häuser im Ruhrgebiet mit Fenstern mit Einfachverglasung, die nun besonders leiden“, sagt Rüter. Besonders groß seien jedoch die finanziellen Belastungen durch Personalkostensteigerungen. &bdquo;Das fehlkonstruierte Pflegepersonalstärkungsgesetz hat die Kosten erhöht, die nun vielerorts zu Liquiditätsproblemen führen“, erklärt Rüter, Vorstandsvorsitzender des Zweckverbandes freigemeinnütziger Krankenhäuser Münsterland und Ostwestfalen mit 51 Häusern.Laut der DKG haben bislang nur 50 Prozent der Kliniken ihre Verhandlungen zu den Pflegebudgets für 2020 mit den Kostenträgern erfolgreich abgeschlossen. Für 2021 noch weniger. Der aus diesem Verhandlungsstau resultierende Liquiditätsentzug beläuft sich laut eines Sprechers auf drei Milliarden Euro und ist für Kliniken nicht länger zu schultern. Eine Rettung ist jedoch nicht in Sicht, denn laut der DKG läuft die politische Zusage, die Pflegepersonalkosten zu erstatten, aktuell ins Leere.&bdquo;Die Bundesregierung darf sich nicht nur an Inzidenzen orientieren" &bdquo;Krankenhäuser können im Vergleich zu anderen Unternehmen gestiegene Kosten nicht weitergeben. Deshalb muss es für die Bereitstellung von Kapazitäten in der Pandemie weiterhin Ausgleichszahlungen geben“, fordert Kreft, der die Bundesregierung für die kurzfristige Streichung der Ausgleichszahlungen kritisiert. &bdquo;Vier Wochen vor der Streichung wurden die Kliniken darüber informiert, doch so schnell können sie nicht reagieren. Werden Kliniken jetzt dazu gezwungen, sich durch Personalabbau betriebswirtschaftlich zu optimieren, wird sich das erst im Herbst bemerkbar machen.“ Also in einer Zeit, in der Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und viele weitere Experten wieder mit steigenden Inzidenzen rechnen. &bdquo;Doch anstatt uns darauf vorzubereiten, streicht der Bund die Ausgleichszahlungen und lässt die Kliniken bis dahin allein.“ Kreft wirft der Bundesregierung vor, die Verantwortung für die Bevölkerung ungefragt auf die Kliniken abzuwälzen. &bdquo;Die Liquiditätsprobleme werden billigend in Kauf genommen. Im Herbst klatschen wieder alle, doch was ist bis dahin?“Kreft fordert, dass die Politik nicht länger auf Sicht fährt. &bdquo;Die Bundesregierung darf sich nicht nur an Inzidenzen orientieren, sondern an der Lage der Kliniken.“ Rüter fordert zudem, dass die Strukturprobleme der Krankenhausfinanzierung, insbesondere die der fehlenden Investitionsmittel, endlich angepackt werden. &bdquo;Fördermittel lösen diese grundsätzlichen Probleme nicht.“

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