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Personalengpässe: Lage in Hanauer Krankenhäusern spitzt sich zu

Vor einer Versorgungskrise in den Kliniken warnt die Deutsche Krankenhausgesellschaft. In Hanau sorgt man sich im Klinikum und im St. Vinzenz-Krankenhaus besonders um den Nachwuchs für die geriatrischen und intensivmedizinischen Abteilungen. Symbolbild: Pixabay
Vor einer Versorgungskrise in den Kliniken warnt die Deutsche Krankenhausgesellschaft. In Hanau sorgt man sich im Klinikum und im St. Vinzenz-Krankenhaus besonders um den Nachwuchs für die geriatrischen und intensivmedizinischen Abteilungen. Symbolbild: Pixabay © -

Hanau. Die Probleme bei der Besetzung von Pflegestellen in den Krankenhäusern verschärfen sich, darauf hat das Deutsche Krankenhaus-Institut hingewiesen. Drei von vier Häusern suchen Ärzte, bundesweit sind 17 000 Pflegestellen vakant. Auch an den beiden Hanauer Kliniken wird es zunehmend schwieriger, Personal zu finden.

Von Jutta Degen-PetersBesonders dramatisch ist die Lage in Geriatrie und Intensivmedizin. Bislang gab es an beiden Häusern nur kurzzeitige Bettenschließungen. Unsere Fragen beantwortete für das Klinikum die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, für das St. Vinzenz-Krankenhaus Pflegedienstleiterin Jutta Berg.

Wie viele Pflegekräfte und wie viele Ärzte versorgen in Ihrem Krankenhaus wie viele Patienten?

Klinikum: Im Jahr 2019 versorgten circa 540 Vollzeitkräfte in der Pflege sowie rund 250 Vollzeitkräfte im ärztlichen Dienst rund 100 000 ambulante und stationäre Patienten im Klinikum Hanau. St. Vinzenz: 12 100 Patienten werden bei uns stationär versorgt, weitere 12 000 ambulant. Wir haben 74 Ärzte und 191 Pflegekräfte im rein stationären Bereich. Rechnet man die Funktionsdienste dazu, sind es 270 bis 280 (nur examiniertes Personal).

St. Vinzenz: 12 100 Patienten werden bei uns stationär versorgt, weitere 12 000 ambulant. Wir haben 74 Ärzte und 191 Pflegekräfte im rein stationären Bereich. Rechnet man die Funktionsdienste dazu, sind es 270 bis 280 (nur examiniertes Personal).

Kinder- und Intensivmedizin erfordern am meisten Personal

Welche Bereiche sind besonders personalintensiv?

Klinikum: Besonders personalintensiv sind die Bereiche der Intensivmedizin, der Kinderintensivmedizin und der psychiatrischen Versorgung. Die Situation wird zusätzlich durch die gesetzliche Personaluntergrenzen-Verordnung für die sogenannten Pflegesensitiven Bereiche (für das Klinikum Hanau: Kardiologie, Unfallchirurgie, Intensivmedizin, Neurologie und Schlaganfall-Versorgung) verschärft.

St. Vinzenz: Besonders personalintensiv sind die Bereiche Geriatrie, Intensivmedizin, Innere Medizin, Onkologie und Unfallchirurgie/-traumatologie. In der Geriatrie dürfen auf eine Pflegekraft maximal zehn Patienten kommen, beim Nachtdienst gilt 1:20. Jeden Tag muss neu geschaut werden, und Personal muss danach besetzt werden.

Gibt es Engpässe beim Pflegepersonal und wenn ja wo?

Klinikum: Die Personalsituation ist auch bei uns generell angespannt, vor allem in den unter Punkt zwei genannten Bereichen.

St. Vinzenz: Besonders schwer können wir Stellen in Geriatrie, Intensiv, Innerer, Onkologie und Unfallchirurgie nachbesetzen, wenn Mitarbeiter nach der Elternzeit nicht mehr einsteigen wollen und Ältere in Rente gehen.

Noch mussten keine Abteilungen geschlossen werden

Mussten in Ihrem Krankenhaus auch schon Abteilungen oder Betten geschlossen werden?

Klinikum: Auch bei uns ist die Personalsituation angespannt. Wir können jedoch derzeit eine Stilllegung von Betten bis auf kurzzeitige Ausnahmen abwenden. Wir gehen aktuell davon aus, dass wir auch in nächster Zeit keine Bettenschließungen größeren Ausmaßes vornehmen müssen. Hierzu wird aber auch immer der Einsatz von Leihkräften notwendig sein.

St. Vinzenz: Abteilungen mussten wir noch nicht schließen, aber ich schließe Betten (auch in der Intensivmedizin), wenn Mitarbeiter wegen Krankheit ausfallen. Bei der derzeitigen Grippewelle kann nicht immer jemand einspringen. Wenn viele Beatmungs- oder Isolierpatienten da sind, müssen wir schneller reagieren und haben da schon zwei bis drei Betten geschlossen. Auch auf der Inneren oder in der Geriatrie haben wir schon drei bis vier Betten unbelegt gelassen, wenn nachmittags die Mitarbeiter Land unter gemeldet haben. Wir müssen nämlich neben der Versorgung der Patienten immer auch unsere Mitarbeiter im Blick haben, dass die nicht am Limit sind.

Woher kommt der Pflegenachwuchs in Ihrem Haus?

Klinikum: Wir generieren unseren Nachwuchs zum Großteil aus dem eigenen Ausbildungszentrum. Vereinzelt aus dem Umfeld des Klinikums. Gleichfalls akquirieren wir Pflegekräfte aus dem Ausland (Serbien, Tunesien und den Philippinen)

St. Vinzenz: An unserer eigenen Krankenpflegeschule hatten wir bis zu 20 Schülern, im letzten Jahr 15. Davon blieb die Hälfte bei uns, der Rest ging fort oder studierte. Darüber hinaus gewinnen wir neue Mitarbeiter über Anerkennungsmaßnahmen, und viele bleiben dann. Mitarbeiter, die ihre Ausbildung in Rumänien, Moldavien, Polen oder Serbien gemacht haben, melden sich beim Regierungspräsidium, damit sie das deutsche Staatsexamen bekommen. Sie melden sich an Häusern mit Krankenpflegeschule und wir machen dann die Anerkennungsmaßnahmen.

Und wie locken Sie ihn angesichts großer Konkurrenz im Rhein-Main-Gebiet nach Hanau (gibt es Vergünstigungen, Jobtickets?)

Klinikum: Neben fortschrittlichen Unterrichtsmaßnahmen, wie der Einsatz einer Klinik-Cloud, jungen motivierten Lehrkräften sowie Praxisanleitern und dem breiten fachlichen Spektrum, welches wir als Krankenhaus der Maximalversorgung bieten, erhalten unsere Auszubildenden auf Wunsch die International Student Identity Card (ISIC) – durch ISIC erhalten sie Vergünstigungen auf Verkehrsmittel und verschiedene Freizeitangebote. Weiterhin haben alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit an verschiedenen Sportangeboten im Klinikum teilzunehmen und Vergünstigungen wie Corporate Benefits in Anspruch zu nehmen. Abrundend bieten wir eine Vergütung nach Tarif des öffentlichen Dienstes in Krankenhäusern. Wir versuchen zudem durch Pflegeentlastende Maßnahmen durch Servicekräfte eine gute und entlastende Arbeitssituation zu schaffen.

St. Vinzenz: Wir werben mit flexiblen Arbeitszeiten. Pflegekräfte dürfen uns ihre Dienste vorgeben und dann so arbeiten wie gewünscht. Das nennt sich (Springer-Pool oder Flex-Pool und ist vergleichbar mit der Leiharbeit. Aber mit dem Unterschied, dass die Mitarbeiter einen festen Arbeitsvertrag bekommen. Darüber bekommen wir eine Reihe interessanter Mitarbeiter. Wir werben ferner mit dem Job-Rad oder betrieblicher Gesundheitsförderung.

Situation auch bei Ärzten angespannt

Gibt es Engpässe bei den Ärzten?

Klinikum: Auch hier ist die Situation angespannt, aber aktuell zu bewältigen.

St. Vinzenz: Geradezu dramatisch ist die Lage im Bereich Geriatrie. Da gibt es wenig Nachwuchs. Auch Gynäkologie ist schwierig. Eine gute Bewerberlage besteht bei Unfall-, Gelenk- und Allgemeinchirurgie und Innerer. Auch bei der Anästhesie gibt es keinerlei Probleme.

Wo kommt hier der Nachwuchs her?Klinikum und St. Vinzenz: Der Nachwuchs kommt zu großen Teilen aus dem Rhein-Main Gebiet.

Welche Rahmenbedingungen müsste Ihrer Meinung nach der Gesetzgeber schaffen, um die Lage zu entschärfen?

Klinikum: Neben einer grundsätzlich positiveren Darstellung des Pflegeberufes und einer guten Vergütung insbesondere der Schichtdienstzeiten/Bereitschaftsdienste muss eine annehmbare Arbeitsbelastung erreicht werden.

St. Vinzenz: Der Beruf soll nicht nur über Geld attraktiv gemacht werden, es muss um Imageverbesserung gehen. 35-Stunden-Woche bei Vollbeschäftigung und die zusätzliche Anrechnung von extra-Punkten auf die Rente für Kräfte, die lange in der Pflege arbeiten, müssten her oder auch ein früherer Renteneintritt. Solche Anreize gibt es ja auch für andere Berufsgruppen.

Kooperationen könnten helfen

Praktizieren Sie oder planen Sie Kooperationen mit anderen Krankenhäusern, um Engpässe zu vermeiden?

Klinikum: Grundsätzlichen bestehen in verschiedenen Bereichen Kooperationen mit dem benachbarten St. Vinzenz-Krankenhaus. Auch in der Akquise ausländischer Pflegekräfte gibt es ein gemeinsames Projekt.

St. Vinzenz: Unsere Kooperation mit dem Klinikum läuft seit Jahren erfolgreich, etwa mit dem Labor, das wir outgesourct haben. Unsere Röntgenabteilung wird von Röntgenärzten des Klinikums mitbetreut. Auch bei der Hebammenausbildung praktizieren wir jetzt mit dem Klinikum und dem Klinikum Wetteraukreis eine Zusammenarbeit mit der FH Fulda. Die Studentinnen werden in unseren drei Häusern eingesetzt. Außerdem sucht ein gemeinsam von unseren beiden Häusern eingesetzter Personalvermitteler in Rumänien Interessierte für Deutschland. Gemeinsam mit dem Klinikum gehen wir in die Schulen und werben für den deutschen Arbeitsmarkt.

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