Wirtschaftlichkeitsgebot und Aufklärung des Patienten
b 1 kr 20/19 r | bundessozialgericht, Urteil vom 19.03.2020 – Kommentar Rechtsanwalt Friedrich W. Mohr
Das Bundessozialgericht hat sich erneut mit der Fragestellung befasst, welchen Leistungsanspruch ein Patient hat, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und der Patient eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung aufweist. Neu ist in dem Zusammenhang die Abwägung zwischen einer kurativen Behandlung und einer palliativen Behandlungsmöglichkeit unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots. Dabei misst das BSG der Aufklärung des patienten über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten eine besondere Bedeutung zu. […]
Das Urteil des BSG hat weitreichende Auswirkungen, wenn Behandlungsmöglichkeiten in Fällen gewählt werden, in denen eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliegt. Aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots sind bei der abstrakten und bei der konkret-individuellen Chancen-/Risikoabwägung nicht nur kurative sondern auch palliative Behandlungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen und abzuwägen. Einer palliativen Behandlung ist dann der Vorrang bei einer tödlichen Erkrankung einzuräumen, wenn sie einen größeren relativen Überlebensvorteil eröffnet als der als Alternative in Betracht kommende kurative Behandlungsansatz. Dies kann z. B. dann gegeben sein, wenn der kurative Behandlungsansatz ein höheres Mortalitätsrisiko aufweist, etwa durch die Behandlung selbst, typische Komplikationen und ggf. durch die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls mit tödlichem Ausgang (BSG, aaO, Rdz. 22). […]
Quelle: Rechtsanwalt Friedrich W. Mohr
Siehe auch:
- Verstoß gegen Aufklärungspflicht des Arztes gefährdet den Vergütungsanspruch
- Verlust des Vergütungsanspruchs aufgrund fehlerhafter Aufklärung möglich
- Mangelhafte Aufklärung bei riskanter Behandlung kann den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses wegfallen lassen
- Aufklärungsmangel kann Abrechenbarkeit der stationären Behandlung entgegenstehen
- Nicht anerkannte Behandlungsmethoden – Vergütungsanspruch für den „letzten Strohhalm“
- Wie die Patientenaufklärung die Krankenhausvergütung beeinflusst
- Stationäre Erprobungsbehandlung im GKV-System – es bleibt ein steiniger Weg!
- Wirtschaftlichkeitsgebot und Aufklärung des Patienten
- Fehlende Aufklärung bei risikoreicher Behandlung kann Vergütungsanspruch eines Krankenhauses entfallen lassen
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