Off-Label-Einsatz von Viabahn® Graftstents zur Blutstillung nach TAVI verstoße gegen Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V
L 10 KR 823/23 KH | Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.06.2025
Der Einsatz eines Viabahn® Graftstents zur Blutstillung nach einer TAVI-Operation stellt eine neue, nicht dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V entsprechende Behandlungsmethode dar. Die Abrechnung eines Zusatzentgelts ist unzulässig, wenn eine Standardtherapie – hier: gefäßchirurgische Naht – zur Verfügung steht und deren Unzumutbarkeit im Einzelfall nicht nachgewiesen wird.
Während einer TAVI-Operation im August 2019 kam es bei der Versicherten zu einer Blutung an der Oberschenkelarterie. Nachdem ein Versuch, die Blutung mit einem Gefäßverschlusssystem zu stoppen, scheiterte, implantierte das Ärzteteam den Viabahn® Graftstent.
Die Krankenkasse beauftragte den MDK, der die Abrechnung des Zusatzentgelts beanstandete. Der Stent sei außerhalb seiner Zulassung (Off-Label-Use) verwendet worden, und es hätte eine Standardalternative (offene gefäßchirurgische Naht) zur Verfügung gestanden. Es habe sich nicht um eine Ultima-Ratio-Entscheidung gehandelt. Gestützt auf dieses Gutachten rechnete die Krankenkasse den Betrag des Zusatzentgelts mit anderen Forderungen des Krankenhauses auf.
Das Sozialgericht wies die Klage des Krankenhauses ab. Es stützte sich auf ein Sachverständigengutachten und kam zu dem Schluss, dass es sich um eine neue Behandlungsmethode gehandelt habe. Die Voraussetzungen für deren Anwendung als Potentialleistung nach § 137c Abs. 3 SGB V seien nicht erfüllt, da mit der gefäßchirurgischen Naht eine Standardbehandlung zur Verfügung gestanden habe. Es sei nicht nachgewiesen, dass deren Durchführung zu einer unzumutbaren Zeitverzögerung geführt hätte.
Das Landessozialgericht wies die Berufung des Krankenhauses als unbegründet zurück. Das Zusatzentgelt für den Stent durfte nicht abgerechnet werden. Der Einsatz des Viabahn® Graftstents zur Blutstillung nach einer TAVI stellt einen Off-Label-Use dar und ist somit eine neue Behandlungsmethode. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass diese Methode nicht dem allgemeinen Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V entsprach, da die für einen Nutzennachweis erforderliche wissenschaftliche Evidenz (hochwertige Studien, wissenschaftlicher Konsens) fehlte.