Keine stationäre Vergütung für ambulant mögliche Knorpelentnahme zur Zellzüchtung (M-ACI/M-ACT) trotz fehlender ambulanter Abrechnungsmöglichkeit
L 11 KR 1961/24 | Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.01.2025
Die fehlende Abrechnungsmöglichkeit einer medizinisch ambulant durchführbaren Leistung (hier: Entnahme von Knorpel zur Zell- und Gewebezüchtung (matrixassoziierte autologe Chondrozyten-Implantation/Transplantation – M-ACI/M-ACT)) im vertragsärztlichen Bereich sowie der Ausschluss dieser Leistung aus der vertragsärztlichen Versorgung begründen keine medizinische Notwendigkeit für eine stationäre Krankenhausbehandlung und damit keinen Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse.
Eine Patientin wurde geplant zur arthroskopischen Entnahme von Knorpel zur Zell- und Gewebezüchtung (matrixassoziierte autologe Chondrozyten-Implantation/Transplantation – M-ACI/M-ACT) am linken Knie stationär aufgenommen und am Folgetag entlassen. Das Krankenhaus rechnete mit der DRG-Fallpauschale I18A ab, welche die Krankenkasse zunächst beglich.
Nach einer Überprüfung durch den Medizinischen Dienst (MD) kam dieser zu dem Ergebnis, dass die stationäre Durchführung des Eingriffs ohne überwachungspflichtige Begleiterkrankungen und bei unauffälligem postoperativem Verlauf medizinisch nicht notwendig gewesen sei und ambulant hätte erfolgen können. Die Krankenkasse forderte daraufhin eine Stornogutschrift und kündigte die Aufrechnung des bereits gezahlten Betrags an, welche später erfolgte.
Das Sozialgericht (SG) wies die Klage des Krankenhauses ab. Es stellte fest, dass die stationäre Behandlung der Versicherten im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht erforderlich gewesen sei. Die Erforderlichkeit richte sich allein nach medizinischen Gesichtspunkten. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit liege vor, wenn der Einsatz besonderer Mittel eines Krankenhauses notwendig sei. Die arthroskopische Knorpelentnahme habe im vorliegenden Fall aus medizinischer Sicht keiner stationären Aufnahme bedurft, da die Versicherte gesund war (ASA-Risikoklasse 1), der Eingriff komplikationslos verlief und keine postoperativen Komplikationen auftraten. Auch der gerichtlich beauftragte Gutachter bestätigte die ambulante Durchführbarkeit.
Das Sozialgericht führte aus, dass die fehlende Abrechnungsmöglichkeit im ambulanten vertragsärztlichen Bereich sowie der Ausschluss der M-ACI aus der vertragsärztlichen Versorgung die medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung nicht begründen könnten. Die Mittel eines Krankenhauses gingen nicht allein deshalb über die ambulante Versorgung hinaus, weil eine ambulant durchführbare Leistung vertragsärztlich mangels positiver Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht werden dürfe. Die Erforderlichkeit stationärer Behandlung richte sich nach medizinischen Kriterien und nicht danach, ob der G-BA die Methode ambulant empfohlen habe.
Die Berufung des Krankenhauses vor dem Landessozialgericht (LSG) blieb erfolglos. Das LSG schloss sich der Auffassung des Sozialgerichts an und wies die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück. Ergänzend wies das LSG darauf hin, dass weder die fehlende ambulante Abrechnungsmöglichkeit noch der Ausschluss der M-ACI aus der vertragsärztlichen Versorgung die Notwendigkeit der stationären Leistungserbringung begründen könnten.
Das LSG stellte klar, dass die unterschiedlichen Regelungen in § 135 SGB V (vertragsärztliche Versorgung) und § 137c SGB V (Krankenhausbehandlung) bewusst vom Gesetzgeber geschaffen wurden, um Innovationen in Krankenhäusern zu fördern. Im ambulanten Bereich gelte ein strengerer Prüfmaßstab hinsichtlich der Qualität und Wirksamkeit neuer Methoden, während im stationären Bereich der Potentialmaßstab (§ 137c Abs. 3 SGB V) greife.
Auch die Argumentation der Klinik, dass eine medizinisch notwendige Versorgung aus Gründen der Rechtsordnung nur stationär habe erbracht werden dürfen, da die M-ACI im Jahr 2016 von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen war und keine ambulante Abrechnungsziffer existierte, wies das LSG zurück. Zwar dürfe die GKV rechtliche Strukturvorgaben nicht außer Acht lassen, jedoch seien Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die lediglich mangels positiver G-BA-Empfehlung aus der ambulanten Versorgung ausgeschlossen seien, nicht mit Behandlungen gleichzusetzen, die aus Gründen der Rechtsordnung generell verboten seien.
Das LSG betonte, dass neben der generellen Zulässigkeit einer Behandlungsmethode im Krankenhaus auch die individuelle medizinische Erforderlichkeit der stationären Behandlung im Einzelfall gegeben sein müsse, welche hier nicht vorlag. Die fehlende ambulante Abrechenbarkeit einer an sich ambulant möglichen Leistung führe nicht automatisch zur Erforderlichkeit einer stationären Behandlung und begründe somit keinen Vergütungsanspruch des Krankenhauses. Die vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommene Folge sei, dass eine medizinisch indizierte, aber ambulant nicht abrechenbare Leistung, wenn sie medizinisch nicht zwingend stationär erbracht werden muss, auch nicht stationär abgerechnet werden kann.