Die zuteffende Kodierung von Krankenhausleistungen und deren Abrechnung stellen rechtliche Fragen dar, die keinem Beweis zugänglich sind und zu denen deshalb die Einholung eines Sachverständigengutachtens unzulässig ist

L 7 KO 7/18 (KR) | Landessozialgericht -Bremen 7. Senat, Beschluss vom 08.03.2021

Derartige Gutachten zur Kodierung von Krankenhausleistungen und deren Abrechnung werden in Anlage 1 zu § 9 JVEG a.F. nicht aufgeführt. Sie können als auch nicht erfasst sein, weil die gerichtliche Einholung von Rechtsgutachten, soweit nicht die in § 293 ZPO geregelten Ausnahmefälle eingreifen, unzulässig ist. Das von dem Antragsteller erstellte Gutachten lässt sich daher auch nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG a.F. unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuordnen. Diese Auffangvorschrift des JVEG a.F. zur Sachverständigenvergütung ist auf gerichtlich eingeholte, nicht § 293 ZPO unterfallende Rechtsgutachten nicht anwendbar. […]

Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, die Abrechnung und Kodierung von Krankenhausleistungen nach DRG-Fallpauschalen stellten im Kern ein medizinisches dar, dessen Vergütung sich nach den Honorargruppen M1 bis M3 zu richten habe (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Juli 2017 – L 2 SF 122/17 B E – juris RdNr. 6), folgt dem der Senat nicht. Zwar erkennt das LSG Berlin-Brandenburg, dass die Abrechnung selbst und die Subsumtion unter bestimmte Fallgruppen ein Verwaltungshandeln oder eine juristische Subsumtion darstellen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Juli 2017 – L 2 SF 122/17 B E – juris RdNr. 8). Es argumentiert jedoch, welche abrechenbare Leistung vorliege, entscheide sich auf medizinischem Gebiet, nämlich danach, welche Haupt- und nach ärztlicher Feststellung vorliegen würden. Die Abrechnung und die Subsumtion unter bestimmte Fallgruppen seien daher im Ergebnis durch den medizinischen Sachverhalt vorgegeben, so dass es sich bei einem Gutachten zur Abrechnung und Kodierung von Krankenhausleistungen nach DRG-Fallpauschalen im Kern um ein medizinisches Gutachten handele (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Juli 2017 – L 2 SF 122/17 B E – juris RdNr. 8). Diese Argumentation hält einer genaueren Betrachtung allerdings nicht stand. Welche Haupt- und Nebendiagnosen vorliegen obliegt gerade nicht ärztlicher Feststellung, sondern ist originärer Gegenstand der Kodierung. […]

Diese Aufgabe der verbindlichen Auslegung von Rechtsnormen ist als Kernbereich der richterlichen Tätigkeit einer Delegierung auf Medizincontroller oder andere Hilfspersonen nicht zugänglich. Das LSG Berlin- Brandenburg vermengt insofern unzulässig zwei voneinander strikt zu trennende Bereiche und kommt deshalb zu einem unzutreffenden Ergebnis. Auch und gerade in Bereichen eines im Einzelfall schwierigen Zusammenspiels zwischen rechtlichen und medizinischen Fragen ist es die essentielle und nicht delegierbare richterliche Aufgabe und Verantwortung, in einem ersten Schritt den entscheidungserheblichen Prozessstoff zusammenzustellen und die für die jeweilige Abrechnungskonstellation relevanten streitigen Kodierungsvoraussetzungen zu identifizieren, in einem zweiten Schritt bei dabei ggf. relevanten medizinischen Fragen eine Aufklärung durch geeignete prozessrechtliche Ermittlungsmethoden, ggf. auch durch Beauftragung von nach den Vorgaben des JVEG zu erstattenden und zu vergütenden medizinischen Sachverständigengutachten, herbeizuführen und abschließend in einem letzten Schritt die danach für die jeweilige Abrechnungskonstellation relevanten rechtlichen Fragen auf der Grundlage des ausermittelten Sachverhalts zu entscheiden. Soweit hierzu, wie gerade im Bereich der hochkomplexen und schwierigen kodierungsrechtlichen Fragen im Bereich der Abrechnungsstreitigkeiten von Krankenhäusern, vertiefte spezialrechtliche Kenntnisse unerlässlich sind, müssen diese ggf. durch geeignete Fortbildungen erworben und vermittelt werden. […]

Die Vergütung des Antragstellers für sein im Verfahren L 4 KR 505/17 erstattetes Sachverständigengutachten vom 19. Juni 2018 wird auf 0,00 Euro festgesetzt.

Quelle: Niedersächsisches Landesjustizportal

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