Tirschenreuth
08.01.2024 - 17:38 Uhr
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Landkreis Tirschenreuth übernimmt jährlich bis zu einer Million Euro für Notaufnahme

Die Nachricht kam überraschend kurz vor Weihnachten: Der Landkreis Tirschenreuth will den Betrieb einer Notfallambulanz vorerst auch alleine sicherstellen. Fragen und Antworten mit Zahlen zum Defizit am Krankenhaus Tirschenreuth.

Wie kam es zum Vorschlag, die Notaufnahme über den Landkreis zu finanzieren?

Die nicht öffentliche Sitzung des Kreisausschusses am 20. Dezember hatte ein konkretes Ergebnis: Der Landkreis ist bereit, eine Notfallambulanz rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr alleine und zusätzlich zu finanzieren. Es handle sich um seinen Vorschlag in Abstimmung mit den Fraktionen und den anderen beiden Gesellschaftern der Kliniken Nordoberpfalz (KNO), teilt dazu Landrat Roland Grillmeier auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien mit. „Eine Finanzierung über den Landkreis erfolgt nur, falls es über den vereinbarten Rahmen von 52 Millionen Euro hinausgeht“, nimmt er Bezug auf die bereits von den Landkreisen Tirschenreuth und Neustadt/WN sowie der Stadt Weiden gegebene Zusage, den Betrieb der KNO bis 2026 zu sichern.

Gibt es ein Limit, was der Landkreis in welchem Zeitraum auszugeben bereit wäre?

"Der Landkreis Tirschenreuth hat sich bereit erklärt, jährlich bis zu 1 Million Euro zusätzlich zu tragen", heißt es dazu aus dem Landratsamt.

Haben die Proteste der Notärzte und der Bevölkerung zu einem Umdenken geführt?

"Es kam nicht zum Umdenken", antwortet Landrat Grillmeier, der im gewissen Turnus auch Aufsichtsratsvorsitzender der Kliniken ist. Ähnlich wie die Notärzte wolle er Notaufnahme und chirurgische Bereiche erhalten. Schon bei den Verhandlungen zur Restrukturierung habe er darauf hingewiesen, dass er die Versorgung des Landkreises durch die Pläne der KNO durchaus beeinträchtigt sehe und man in Abstimmung mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine 24-Stunden-Versorgung erreichen sollte. "Dazu werden derzeit Gespräche geführt."

Fiel die Entscheidung einstimmig, zusätzliches Landkreisgeld ins Krankenhaus zu investieren?

"Es war immer Wunsch des Kreistages, die Notaufnahme 24 Stunden zu betreiben, so fielen die Entscheidungen einstimmig", schreibt der Landrat. Die Vertreter der Fraktionen seien im vergangenen halben Jahr in die Überlegungen des Landkreises und der KNO eingebunden gewesen. Dabei habe man vergeblich auf endgültige Entscheidungen des Bundes zur Krankenhausreform und ein Vorschaltgesetz gehofft, das den Betrieb in Tirschenreuth und Kemnath 2024 in der bisherigen Form ermöglicht hätte.

Wie geht es weiter?

Man werde im Probebetrieb bewerten müssen, wie die Notfallambulanz in dieser Form angenommen wird, sagt der Landrat. Er hoffe, dass die KNO mit dem Finanzrahmen von 52 Millionen Euro ohne weiteres Defizit auskomme, da der Bund für 2024 eine Anpassung des Landesbasisfallwertes angekündigt habe. Letztendlich würden auch die behandelten Fälle zur Finanzierung beitragen, womit eine endgültige Planung schwierig sei.

Welche Abteilungen müssen in Tirschenreuth für eine funktionierende Notfallversorgung erhalten bleiben?

Im kleineren Umfang müsse es die Chirurgie weiter geben, antwortet Roland Grillmeier. Dafür wären auch einige Betten der Intensivstation notwendig, berichtet er von einer Abstimmungsrunde mit MdL Tobias Reiß. Man werde jetzt mit den Kliniken diskutieren, was diese Variante zusätzlich kostet und ob die Stationen personell zu betreiben sind. "Auch räumlich stellen sich durchaus Fragen, weil im Krankenhaus Tirschenreuth der Westflügel zur Sanierung ansteht." Stadt und Landkreis hätten erklärt, selbst aktiv zu werden: "Hier laufen bereits Gespräche."

Wie hoch ist das Defizit der KNO und welchen Anteil hat das Krankenhaus Tirschenreuth?

"Fast täglich gibt es Meldungen über Schließungen und Insolvenzen", verweist der Landrat auf die wirtschaftlichen Probleme der Krankenhäuser wie zuletzt in Coburg. "Die KNO geht für das Jahr 2023 von einem Defizit von rund 11,4 Millionen Euro aus." Ohne Sondereffekte wie durch Corona-Ausgleichszahlungen liege das Jahresergebnis des Krankenhauses Tirschenreuth konstant zwischen minus 5 bis 6 Millionen Euro. "Die Kosten, die für Personal, Material und sonstige Faktoren anfallen, liegen 5 Millionen Euro über den Erträgen", verdeutlicht Grillmeier. "Die mit Abstand defizitärste Abteilung ist dabei die Gynäkologie/Geburtshilfe."

Was kostet die Notaufnahme in Tirschenreuth?

"Um die Notaufnahme Tirschenreuth so wie bisher an 365 Tagen rund um die Uhr nach den gesetzlichen Vorgaben zu betreiben, werden insgesamt rund 100 Vollkräfte benötigt", verweist der Landrat auf alle dafür erforderlichen Bereiche. "Dadurch entstehen Kosten in Höhe von rund 8,8 Millionen Euro pro Jahr." Für die Notaufnahme allein sei das Defizit nicht zu beziffern, weil die Erlöse nicht eindeutig zugeordnet werden könnten.

Wie groß ist die Personalnot?

Nicht nur die finanzielle Situation sei eine Herausforderung, sondern deutschlandweit auch die Besetzung mit qualifiziertem Personal: "Bereits jetzt fehlt es dauerhaft an Fachkräften, sodass externe Honorarkräfte eingesetzt werden müssen. Für diese entstanden für das Krankenhaus Tirschenreuth im Jahr 2023 Kosten in Höhe von rund 2,2 Millionen Euro."

Wie geht es jetzt weiter?

Das Spannungsfeld definiert sich grob so: Eine angemessene Versorgung der Region ist mit den im November 2023 verkündeten Restrukturierungsplänen der KNO möglich. Die Initiatoren einer Petition, die inzwischen über 45.000 Menschen unterschrieben haben, bezweifeln dies. Darüber gilt es zu verhandeln. "Man erhofft sich aus dem Gespräch mit Ministerium und Krankenhausgesellschaft nochmals Ansätze", schreibt der Landrat. Letztlich müsse auch das Land definieren, ob es für die Versorgung kleinere Krankenhäuser und entsprechende Abteilungen brauche.

Wer nimmt am Gespräch am 23. Januar in München teil?

Dabei sein sollen laut Landratsamt MdL Tobias Reiß, der das Treffen mit Gesundheitsministerin Judith Gerlach vorbereitet hat, Landrat Roland Grillmeier, KNO-Vorstand Michael Hoffmann und Vertreter der Petition, außerdem der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Roland Engehausen.

Worauf zielt das Gutachten, das nach der ersten Gesprächsrunde mit Notärzten aus dem Landkreis Tirschenreuth in Auftrag gegangen ist?

"Im Kern geht es um die Auswirkungen der strukturellen Veränderungen in den Krankenhäusern Tirschenreuth und Kemnath auf den Notarzt- und Rettungsdienst", teilt das Landratsamt mit. Auftraggeber ist der Rettungszweckverband Nordoberpfalz in Abstimmung mit dem Landkreis und der KNO.

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Tirschenreuth22.12.2023
Hintergrund:

Belegte Intensivbetten

  • Landkreis Tirschenreuth: von 14 verfügbaren Intensivbetten an den Krankenhäusern Tirschenreuth und Kemnath waren 13 belegt (Stand 7. Januar 2024)
  • Weiden: von 33 Intensivbetten am Klinikum Weiden waren am 31 belegt (Stand 7. Januar 2024)

Quelle: www.intensivregister.de

 
 

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