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Klinikum "Ernst von Bergmann" in Potsdam.

© Andreas Klaer

Pläne für das "Ernst von Bergmann": Wie der Neustart des Klinikums in Potsdam gelingen soll

Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) stellt einen umfangreichen Plan vor, wie Stadt und Stadtverordnete sich auf neue Ziele für das kommunale Krankenhaus einigen müssen. Es wird gewünscht, "zügig zu starten".

Potsdam - Nach dem schweren Corona-Ausbruch im Frühjahr 2020 und dem verheerenden Urteil einer Expertenkommission, die Ursachen für den Ausbruch mit zahlreichen Toten untersucht hatte, soll sich das kommunale Klinikum "Ernst von Bergmann" neu erfinden. Rathausspitze und Politik wollen eine strategische Neuausrichtung des zweitgrößten Krankenhauses des Landes mit 1000 Betten. Wie das geschehen soll und mit welchem Ziel, berieten Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) und Stadtverordnete am Mittwochabend im Hauptausschuss. Klar sei, dass es Jahre dauern werde, so viel Veränderung umzusetzen, so Schubert.

Pläne für die Zukunft des Klinikums vorgestellt

Im Ausschuss stellte er erstmals seine mit der Beigeordneten und Klinikum-Aufsichtsratschefin Brigitte Meier (SPD) sowie der Bergmann-Geschäftsführung erarbeitete Roadmap für umfassende Veränderungen in dem Krankenhaus vor. Ziel sei es, im Herbst einen konkreten "strategischen Projektauftrag" formuliert zu haben, den die Stadtverordneten im November beschließen können, sagte Schubert.

Bis dahin müssten zahlreiche Themenbereiche betrachtet werden und viele Interessengruppen miteinander daran arbeiten. Ausgangspunkt soll der Bericht der Expertenkommission sein. Der Oberbürgermeister plant drei Veranstaltungen im April, Mai und Juni, die Klarheit bringen sollen, was die Ziele für das Projekt Bergmann sind. Dabei soll es auch konkret um mögliche Standorte für einen Klinikum-Neubau gehen, den die Expertenkommission empfiehlt.

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Schwierige Finanzierungslage

In der Debatte im Ausschuss erinnerte Schubert daran, dass die Stadt allein an der Finanzlange des Krankenhauses nicht viel ändern könne - auch wenn sie Geld aus dem Stadthaushalt aufwende, um die medizinische Versorgung in der Stadt den Anforderungen entsprechend aufrecht zu erhalten: Für den laufenden Betrieb zahlten die Krankenkassen mit dem oft kritisierten System der Einzelfallpauschalen (DRG), für Investitionen müsse das Land aufkommen. Bei beiden könne die Stadt zwar auf Veränderungen drängen, sei aber nur Bittsteller. 

Die Covid-Stationen des Bergmann-Klinikums in Haus E.
Die Covid-Stationen des Bergmann-Klinikums in Haus E.

© Ottmar Winter

Schubert appellierte, bei aller Kritik auch der Expertenkommission an der strikten Ökonomisierung des Bergmann-Klinikums per Stadtverordnetenbeschluss im Jahr 2005, die zu Missständen bei Pflege und Patientensicherheit geführt habe, jetzt "die Waage nicht in die andere Richtung ausschlagen zu lassen". Es müsse ein Ausgleich gefunden werden, daher der strategische Prozess, den er vorschlage, so Schubert. Er betonte, bundesweit hätten kommunale Krankenhäuser, die Mitarbeitende gut bezahlten und investierten, teils erheblichen Zuschussbedarf der jeweiligen Stadt als Gesellschafter.

Verantwortlichkeiten deutlich benennen

In der Roadmap legt Schubert als Gesellschaftervertreter des Klinikums dar, wer für welche Entscheidungen verantwortlich ist: Bereits der Gesellschaftsvertrag lege fest, dass die Geschäftsführung das Operative verantworte, während die Stadtverordneten "öffentliche Aufträge" erteilen könnten, die der Oberbürgermeister dann als strategische Ziele für die kommunalen Unternehmen festlege.

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Ob die Kommunal-Konzerne diese Ziele einhalten und erreiche, müsse der Aufsichtsrat kontrollieren und die Geschäftsführung überwachen. Es sei nötig, "wieder deutlich klarer zu trennen" zwischen den Zuständigkeiten, weil wir sonst "keine Geschäftsführung mehr brauchen, weil wir alle die besseren Geschäftsführer sind", sagte Schubert.

Weitgefächerte Beteiligung erwünscht

Für das Projekt Bergmann will Schubert einen Lenkungsausschuss unter Leitung von Meier einberufen, der jeweils von Sozialausschuss und Klinikum-Aufsichtsrat kontrolliert wird. In Rathaus und Klinikum soll es je ein  Projektbüro geben. Für das Operative soll das Klinikum mit dem Sprecher der Geschäftsführung Hans-Ulrich Schmidt zuständig sein, für das Strategische das Rathaus. Die Moderation besonders der drei Veranstaltungstage soll extern erfolgen.

Schubert warb dafür, viele Beteiligte einzubeziehen - vom Gesundheitsministerium wegen der Landeskrankenhausplanung bis zur Initiative "Gesunde Zukunft", die mit ihren Bürgerbegehren viel Druck für besseren Lohn und bessere Arbeitsbedingungen am Bergmann aufgebaut hat. Es müsse geklärt werden, welche Aufgaben "das Klinikum aus unserer Sicht erfüllen soll" und wie es im Verbund mit den Bergmann-Beteiligungen in Forst und Bad Belzig verfahren solle. Auch die Kooperation in der Stadt selbst müsse Thema werden. 

Kostspielige Tarifrückkehr

In der dritten Veranstaltung soll es über den Bericht hinausgehend um die Vorbereitung auf Krisen und Pandemien in der Stadt gehen; besonders wichtig sei die Frage, was für einen Katastrophenfall vorgehalten werden müsse - das habe Corona deutlich gezeigt.  Zu den Ergebnissen der drei Veranstaltungen sollen die Festlegungen des Klinikum-Aufsichtsrat kommen, der sich zu einer Klausur treffen werde. Schubert sagte, für ihn gehe es im Grundsatz um den langfristigen Erhalt des Klinikums als kommunales Krankenhaus und darum, die Krankenversorgung in der Stadt aufrecht zu erhalten. "Da müssen wir alles andere einsortieren - das sollte nicht wie in der Vergangenheit eine Seite allein machen." Zudem könne es "dauerhaft sehr sehr teuer sein, etwas Gutes zu tun", so Schubert mit Blick auf die Tarifrückkehr des Klinikums, die den Aussagen nach rund 13,4 Millionen Euro pro Jahr an Mehrkosten produziert.

Hans-Ulrich Schmidt und Tim Steckel (v.l.) Geschäftsführer des Bergmann-Klinikums.
Hans-Ulrich Schmidt und Tim Steckel (v.l.) Geschäftsführer des Bergmann-Klinikums.

© Ottmar Winter/PNN

Vertreter von SPD und CDU unterstützten das Vorgehen Schuberts im Hauptausschuss. CDU-Fraktionschef Götz Friederich bedankte sich für den Einstieg in den Prozess, mahnte jedoch auch, im Blick zurück weiter die Verantwortlichkeiten für den schweren Corona-Ausbruch und seine Ursachen aufzuarbeiten.

Die Linke-Stadtverordneten Sigrid Müller und Hans-Jürgen Scharfenberg zweifelten teilweise an dem vorgeschlagenen Verfahren. Man begebe sich auf einen "ganz, ganz langen Weg", so Müller. Es müsse klar sein, was schnell gehen müsste, zudem solle es erst um die Inhalte, dann um die Form - also den Neubau - gehen. Scharfenberg warnte davor, dass die Anstrengungen verpuffen könnten, wenn nicht klar sei, "was wir unmittelbar beeinflussen können". Sonst werde es schnell vor allem heißen, wie vieles nicht verändert werden könne. "Wir versuchen hier etwas Besonderes, aber wir müssen unsere Möglichkeiten bewerten", sagte Scharfenberg. "Wir sollten uns nicht überheben und das Gesundheitssystem von Potsdam aus revolutionieren wollen."

Über den Aufsichtsrat wird zu reden sein

Den Vorstoß der Bürgerbündnis-Stadtverordneten Carmen Klockow, wonach der Klinikum-Aufsichtsrat, dem die Expertenkommission zahlreiche Versäumnisse attestiert hatte, sich sofort auflösen solle, unterstützten die Anwesenden nicht. Schubert sagte, über den Aufsichtsrat werde zu reden sein, aber das müsse man abwarten. Auch die Fraktion Die Andere beantragt für die März-Stadtverordnetenversammlung die sofortige Auflösung des Aufsichtsrats. Zudem will sie per Beschluss durchsetzen, dass in der Geschäftsführung neben dem kaufmännischen Bereich auch der pflegerische und der medizinische Bereich "personell eigenständig mit Vollzeitstellen" vertreten sind. SPD-Fraktionschef Daniel Keller sagte, "wir müssen zügig starten". Eine schnelle Befassung sei auch ein "wichtiges Signal ins Haus", so Schubert. 

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