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Kreditrahmen ist bald ausgeschöpft Bremer Klinikverbund droht die Insolvenz

Es steht schlecht um Bremens städtischen Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno). Wenn die Politik nicht bald wieder Geld zuschießt, ist die Geno spätestens 2021 zahlungsunfähig.
23.09.2019, 19:15 Uhr
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Bremer Klinikverbund droht die Insolvenz
Von Jürgen Theiner

Der Bremer Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) ist spätestens 2021 zahlungsunfähig, wenn die Stadt kein frisches Geld zuschießt. Das geht aus einem vertraulichen Bericht zur aktuellen wirtschaftlichen Lage des kommunalen Unternehmens hervor, der dem WESER-KURIER vorliegt. Über die Inhalte des Papiers wird der Senat an diesem Dienstag beraten. Die Botschaft der Vorlage ist eindeutig: Die Krise der Geno verschärft sich weiter, auch weil die Geschäftsführung möglicherweise von zu optimistischen Einnahmeprognosen ausgegangen ist.

Erst Anfang des Monats hatte die Führung der Geno einräumen müssen, dass das Defizit für das laufende Geschäftsjahr aus dem Ruder läuft. Statt geplanter 5,5 Millionen Miesen im operativen Geschäft erwartet sie nun einen Verlust von etwa 17 Millionen Euro. Dieser Schock ist auf politischer Ebene kaum verdaut, da kommt schon die nächste Hiobsbotschaft. In einem sogenannten Planungsbrief für den Geno-Aufsichtsrat wird die Geschäftsleitung in den nächsten Tagen ihre mittelfristigen Prognosen massiv ändern. So wird für 2020 nicht mehr mit einem Gewinn von 8,7, sondern mit einem Verlust von 14,9 Millionen Euro kalkuliert. Im gesamten Zeitraum 2018 bis 2023 wird sich dem Senatspapier zufolge das angepeilte Ergebnis der Geno vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen um sage und schreibe 118,6 Millionen Euro verschlechtern.

Erst im Sommer vergangenen Jahres hatte die Bürgerschaft außerplanmäßig 205 Millionen Euro für die Geno und ihre vier Häuser in Mitte, Nord, Ost und Links der Weser locker gemacht. Um eine Größenordnung zu vermitteln: Der gesamte Haushalt der Stadtgemeinde Bremen hat aktuell ein Volumen von rund 3 Milliarden Euro. Mit den 205 Millionen Euro sollten vor allem Kredite für den Neubau des Klinikums Mitte abgelöst werden. Ein Betrag von gut 63 Millionen Euro war als Liquiditätshilfe vorgesehen. Doch dieses Polster ist nun offenbar sehr viel schneller aufgezehrt, als man im Gesundheitsressort des Senats gehofft hatte. Es sei davon auszugehen, so heißt es in dem Lagebericht, dass der bestehende Kreditrahmen der Geno „voraussichtlich in 2020 bereits nahezu ausgeschöpft wird“. Bliebe die Politik untätig, würde dies das Aus des Klinikverbundes spätestens 2021 bedeuten. So zugespitzt war die Lage zuletzt im Jahr 2011, als die Geno auf eine Insolvenz zusteuerte.

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Was hat die Gesundheit Nord wirtschaftlich dermaßen aus der Bahn geworfen? In der Senatsvorlage werden sowohl bundesweite Tendenzen in der Krankenhauswirtschaft als auch hausgemachte Probleme benannt. Generell ist demnach zu beobachten, dass die Krankenkassen die Abrechnungen der Kliniken immer genauer unter die Lupe nehmen und einen steigenden Anteil strittig stellen. Fast 20 Millionen Euro muss die Geno deswegen 2019 in den Schornstein schreiben. Schwierigkeiten bereiten vielen deutschen Kliniken auch die gestiegenen gesetzlichen Anforderungen an die personelle Mindestausstattung auf den Stationen, insbesondere in pflegeintensiven Bereichen wie der Altersmedizin und der Unfallchirurgie. Weil die Personaldecke der Geno zu kurz ist, mussten deshalb gelegentlich schon Stationen zeitweise geschlossen werden – und in geschlossenen Stationen kann nichts verdient werden.

Apropos verdienen: Nach Ansicht des Gesundheitsressorts des Senats hat die Geno-Geschäftsleitung die Möglichkeiten zur Steigerung der Einnahmen überschätzt und dadurch ein zu optimistisches Bild der wirtschaftlichen Entwicklung gezeichnet. Entgegen den Prognosen habe die durchschnittliche Schwere der Behandlungsfälle nicht zugenommen. „Bereits bei Aufstellung der Wirtschaftsplanung“ will das Ressort darauf hingewiesen haben, „dass die geplante Leistungssteigerung sehr ambitioniert sei und sich weit über dem bundesweit prognostizierten Marktwachstum hinausbewegt“, heißt es recht unverblümt in dem Senatspapier.

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Ungeachtet solcher Schuldzuweisungen muss sich die Bremer Politik der Geno nun intensiv zuwenden. Eine Insolvenz des Klinikverbundes wird niemand verantworten wollen, denn seine vier Standorte sind nicht nur ein unverzichtbarer Bestandteil der öffentlichen Infrastruktur – übrigens auch für das niedersächsische Umland, aus dem rund 40 Prozent der Patienten kommen. Die Geno ist mit rund 8200 Beschäftigten auch zweitgrößter Arbeitgeber der Hansestadt.

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