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Kritik in Friesland an Finanzierungs-Verfahren „Nur wenn wir behandeln, wird gezahlt“

Friesland - Hinter und vor den Friesland-Kliniken liegen harte Monate: Corona hat den Betrieb im Nordwest-Krankenhaus Sanderbusch und im St. Johannes-Hospital Varel seit März 2020 geprägt – das wird auch in den kommenden Monaten so bleiben, sagt Geschäftsführer Frank Germeroth.

„Unsere Hoffnung liegt auf der Impfung, um die Anzahl infizierter Patienten zu reduzieren. Jeder kann durch Einhalten der Regeln und eine Impfung seinen Teil dazu beitragen, die Durchhaltefähigkeit der Krankenhäuser zu sichern. Bis dahin werden wir weiter Mund-Nasen-Schutz tragen und die Hygiene- und Abstandsregeln einhalten müssen“, so Germeroth.

Jessica Puls arbeitet in der Notaufnahme und lässt sich von Dr. Markus Teipel gegen Corona impfen. Anja Schwinning (Mitte) erledigt in der Zwischenzeit die Dokumentation.

Erste Impfungen für Klinikmitarbeiter

Sanderbusch

Bereit zu reagieren

Erfreulicherweise seien die Infektionszahlen in Friesland und Wilhelmshaven geringer als in anderen Bundesländern. „Das heißt aber nicht, dass wir einfach zur Tagesordnung übergehen könnten. Wir müssen jederzeit in der Lage sein, zu reagieren“, so Germeroth: Dafür wurden für beide Krankenhäuser Konzepte erarbeitet, Ressourcen angepasst, das Personal geschult und die Erfahrungen aus der ersten Corona-Welle aufgegriffen. „All diese Vorsichtsmaßnahmen sind teuer und belasten unser Budget stark“, sagt er.

Das Problem: Den Krankenhäusern fehlt Liquidität. „Selbst finanzstarke Kliniken haben inzwischen wirtschaftliche Probleme“, so Germeroth. Zu Beginn der Pandemie fielen viele Kliniken unter den Krankenhaus-Rettungsschirm und erhielten so genannte Freihaltepauschalen für ausbleibende Patienten. Der Rettungsschirm lief Ende September aus.

Doch weil Patienten nach wie vor Sorge vor einer Ansteckung haben, verschieben sie auch wichtige Behandlungen, erklärt Frank Germeroth: Niedergelassene Ärzte überweisen weniger Patienten für planbare Operationen, zumal eine Anschluss-Reha oft nicht problemlos möglich ist. Dadurch entstehen Erlösausfälle.

System außer Kraft

„Covid-19 hat das reguläre Finanzierungssystem der Krankenhäuser nach Anzahl der Patienten und Schwere ihrer Erkrankungen außer Kraft gesetzt. Nur wenn wir Patienten behandeln, bekommen wir unsere Arbeit von den Krankenkassen vergütet.“

Erst seit Mitte November existiert eine neue Hilfsregelung. „Die ist aber ungleich schlechter“, so Germeroth: Nur ein Viertel aller Kliniken – Schwerpunkt- und Maximalversorger – erhalten Ausgleichszahlungen für das Verschieben von Operationen; und zwar in Höhe von 90 Prozent des Vorjahrs. Die Zahlungen sind an die Auslastung der Intensivbetten und eine Inzidenz ab 200 gekoppelt.


„Dieses Verfahren ist ungerecht, weil viele Covid-Patienten in kleineren Krankenhäusern versorgt werden und der Inzidenzwert von 200 nicht überall erreicht wird. Am Ende könnten Krankenhäuser in den Regionen, die nur wenige Corona-Patienten betreuen, die Verlierer der Pandemie sein“, befürchtet Frank Germeroth.

Corona-Jahr 2020: Ein Rückblick des Krankenhaus-Geschäftsführers Frank Germeroth

Der letzte „normale“ Arbeitstag liegt fast ein Jahr zurück. Seit Mitte Februar beherrscht Corona unseren Alltag. Auf einmal wurden Schutzbekleidung, Mund-Nasen-Schutz, FFP2-Masken und Desinfektionsmittel knapp.

Sofort mit Bekanntwerden der Pandemie haben die Friesland-Kliniken im Nordwest-Krankenhaus Sanderbusch (NWK) und im St. Johannes-Hospital Varel eine Corona-Taskforce eingerichtet und erste Tests veranlasst. Damals wurde festgelegt, dass Corona-Patienten nur im NWK betreut werden.

Anfang März wurden die Krankenhäuser aufgefordert, sich auf die Pandemie vorzubereiten. Sie sollten ihre Kapazitäten auf den Intensivstationen erhöhen. In Sande und Varel wurden alle Zugänge geschlossen. Sicherheitspersonal kontrolliert seitdem jeden, der eines der Häuser betreten möchte. Die Friesland-Kliniken bestellten Patienten ab, schränkten Besuchsmöglichkeiten ein und erteilten eine Urlaubssperre für alle Mitarbeiter. Kollegen, die aus dem Urlaub zurückkehrten, mussten teilweise vorsorglich in Quarantäne.

Ab April durften die Krankenhäuser nur nach Sicherheitscheck mit Fragebogen und Fiebermessen betreten werden. Es gab den ersten Corona-Toten zu beklagen.

Ende Mai gab es vorläufige Lockerungen bei der Besuchsregelung. Verschobene Termine wurden nachgeholt – bis nach den Herbstferien, als die Infektionszahlen stiegen. Alle Patienten werden seit Oktober vor ihrer Aufnahme auf Sars-CoV-2 getestet. Mitarbeiter mit Kontakt zu Corona-Patienten werden wöchentlich abgestrichen. Auch das übrige Personal hatte früh die Möglichkeit, sich testen zu lassen. Seit November wird die gesamte Belegschaft mindestens einmal die Woche getestet.

Trotzdem ging Ende November das NWK auf Anordnung des Gesundheitsamts selbst in Quarantäne. Das war ein großer Schock: Mehrere Mitarbeiter und Patienten waren infiziert. Daraufhin wurden in einem ungeheuren Kraftakt alle verschiebbaren Behandlungstermine abgesagt. Weil die Infektionskette nicht vollständig nachvollzogen werden konnte, wurde die gesamte Belegschaft getestet. Alle Tests waren negativ. Es gab im NWK kein diffuses Infektionsgeschehen und wir konnten den Betrieb nach vier Tagen Anfang Dezember wieder aufnehmen.

Seit Januar 2021 sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgefordert, sich zweimal wöchentlich testen zu lassen.

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