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Uniklinik-Direktor angeklagt

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Jürgen Graf, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Uniklinikums Frankfurt.
Jürgen Graf, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Uniklinikums Frankfurt. © Michael Schick

Staatsanwaltschaft Stuttgart wirft Jürgen Graf und weiteren Beschuldigten Betrug und Bestechung vor

Wegen Betrugs, Untreue und Bestechung hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart nach Informationen dieser Zeitung Anklage gegen Jürgen Graf (53), Ärztlicher Direktor und Verwaltungsratsvorsitzender des Frankfurter Universitätsklinikums, sowie gegen acht weitere Beschuldigte erhoben. Es geht um Abrechnungsbetrug in Millionenhöhe im Stuttgarter Klinikum im Zeitraum von 2012 bis 2015. Graf war von 2014 bis 2016 als Klinischer Direktor in verantwortlicher Position dort tätig. Bereits 2018 hatten Ermittler das Wohnhaus von Jürgen Graf in Gießen durchsucht (wir berichteten).

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wirft den Beschuldigten in ihrer Anklage vor, bei der Behandlung libyscher Kriegsversehrter im Klinikum Stuttgart betrogen zu haben. Das Geschäft mit den nordafrikanischen Patienten lief scheinbar gut. Der libysche Staat zahlte vorab mehr als 18 Millionen Euro für die Behandlung von insgesamt 370 im Bürgerkrieg Verletzten.

Diese wurden indessen keineswegs stationär betreut, sondern in Hotels untergebracht und lediglich ambulant in der Klinik behandelt. Die Kosten für Hotelunterbringung, Verpflegung und Taschengeld der Patienten wurden als medizinische Behandlungskosten oder frei erfundene Behandlungszuschläge deklariert.

Aufgeflogen ist das Geschäft, als einer Controllerin in der libyschen Botschaft in Berlin die Abrechnungen aus Stuttgart verdächtig erschienen und sie daraufhin Strafanzeige erstattete.

Dem Klinikum Stuttgart bleibt ein Schaden von gut elf Millionen Euro: 8,3 Millionen, die für Unterbringung und Verpflegung ausgegeben wurden statt für die medizinische Behandlung und auf denen das Haus nun sitzenbleibt. Der Rest der Summe floss als Provisionen an sogenannte „Patientenbetreuer“ für die Vermittlung der nordafrikanischen Patienten. Zwei dieser Vermittler wurden inzwischen zu hohen Haftstrafen verurteilt.

Noch ein paar Nummern größer war der 46-Millionen-Deal, den die Führungskräfte des größten Krankenhauses in Baden-Württemberg mit dem Emirat Kuwait einfädelten. 2014 verabredeten sie mit dem Gesundheitsministerium des Emirats, drei Jahre lang Fachärzte des Stuttgarter Klinikums ans ferne Al-Razi-Krankenhaus für Orthopädie zu entsenden.

Offizielle Begründung: um die medizinischen Leistungen der arabischen Klinik weiterzuentwickeln und zu verbessern. Dafür sollte das kuwaitische Gesundheitsministerium 46 Millionen Euro nach Stuttgart überweisen. Dass die knappen Personalkapazitäten im Klinikum diese Zusage unerfüllbar machten, versuchten die Angeklagten zu kompensieren, indem sie externe Ärzte ins Emirat entsandten.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, für das Zustandekommen des windigen Vertrags Amtsträgern aus Kuwait einen Anteil von mehr als zwölf Millionen Euro als Bestechungsgelder zugesagt zu haben. Bis zum vorzeitigen Abbruch des Projekts sollen immerhin 7,8 Millionen Euro Schmiergeld geflossen sein.

„Sollten sich diese Tatvorwürfe vor Gericht bestätigen, hätte das Klinikum Stuttgart durch die strafbaren Handlungen der neun Angeschuldigten einen wirtschaftlichen Vorteil von mindestens rund 16,1 Millionen Euro zu Unrecht erlangt“, rechnet die Staatsanwaltschaft vor. Einen entsprechenden Betrag wolle die Anklagebehörde deshalb vom Klinikum einziehen lassen. Die Staatsanwaltschaft sieht in 24 Fällen die Vorwürfe der Untreue, des versuchten und vollzogenen Betrugs, der Bestechlichkeit und der Bestechung ausländischer Amtsträger durch die Angeschuldigten in verschiedenen Konstellationen als wahrscheinlich an.

Graf und den übrigen Beschuldigten wirft die Staatsanwaltschaft nicht vor, sich persönlich bereichert zu haben. Der Plan war wohl eher, dem auf einen rigiden Sparkurs gesetzten Klinikum mehr finanzielle Beinfreiheit zu verschaffen. Die Behandlungen ausländischer Patienten und der Kuwait-Deal schienen ihnen dafür wohl geeignet, weil diese Einnahmen außerhalb des regulären Budgets liefen.

Das Landgericht Stuttgart hat nun über die Eröffnung des Hauptverfahrens und die Anberaumung der Verhandlungstermine zu entscheiden. Jürgen Graf äußerte sich auf Anfrage dieser Zeitung nicht zu den Vorwürfen. Auch sein Rechtsvertreter gab dazu keine Stellungnahme ab.

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