Berlin. Die Charité hatte Patienten mit nicht existierenden Institutsnamen abgerechnet. Das Sprechen darüber will die Klinik verhindern.

Zwei der wichtigsten Organisationen des Gesundheitswesens in Deutschland liefern sich einen Rechtsstreit. Die Berliner Charité hat den Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) verklagt. Der Charité-Vorstand will erreichen, dass die AOK-Spitzenorganisation nicht mehr öffentlich über erfundene Institute an der Universitätsklinik sprechen soll. Brisant an dem Streit: Die örtliche AOK Nordost mit 1,8 Millionen Versicherten zahlt einen großen Teil der Krankenversorgung an der Charité.

Die Affäre um Abrechnungen, die fast 800 ambulante Privatpatienten bis 2015 unter den Namen eines nicht existierenden Instituts erhalten hatten, war im März von der Berliner Morgenpost öffentlich gemacht worden. Zuvor hatte die Charité verneint, dass es solche Fälle jemals gegeben habe. Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach (SPD) musste jedoch eine frühere, auf Angaben der Charité beruhende Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des FDP-Abgeordneten Marcel Luthe korrigieren.

Im April verschickte der AOK-Bundesverband dann in seinem Fach-Newsletter „Blickpunkt Klinik“ einen Artikel, in dem der Vorgang erwähnt wurde. Dabei ging es um das auch vom Bundesrechnungshof monierte Phänomen nicht korrekter Krankenhausabrechnungen in Deutschland. Das Thema bereitet auch der Charité Probleme. Dort stellt der Medizinische Dienst der Krankenkassen 26 Prozent aller Rechnungen in Frage, wie die Charité-Spitze Ende März selbst einräumte.

„Die Zahl der fehlerhaften Krankenhausabrechnungen hat 2018 einen Höchststand erreicht“, heißt es in dem Newsletter-Text. Fehlbelegungen und das Vertauschen von Haupt- und Nebendiagnose gehörten zu den häufigsten Kodierfehlern bei der Rechnungsstellung. Dann folgt der für den aktuellen Rechtsstreit entscheidende Satz: „Die Berliner Universitätsklinik Charité geriet zuletzt sogar mit erfundenen Institutsnamen in die Schlagzeilen.“

Der Charité-Vorstand hat daraufhin über Monate mit dem AOK-Spitzenverband verhandelt, ob er diese Aussage nicht zurückziehen wolle. Als die Kassenvertreter dazu nicht bereit waren, reichten die Charité-Anwälte bei dem für Presse-Angelegenheiten zuständigen Landgericht Hamburg Klage ein, um die Unterlassung von „rechtswidrigen Äußerungen“ zu erreichen. Der Charité-Vorstand hatte dieselbe Kanzlei auch schon Presseanfragen der Morgenpost zum Umgang mit Patientendaten beantworten lassen.

Die Äußerung, die Klägerin sei mit ,,erfundenen“ Institutsnamen in die Schlagzeilen geraten, werde so aufgefasst, dass die Klägerin bei Abrechnungen verschiedener Institute wissentlich falsche Namen benutzt habe, heißt es in der Klageschrift der Charité. Das sei aber nicht der Fall.

Satzungskonform heiße die betroffene Klinik: ,,Medizinische Klinik m.S. Rheumatologie und klinische Immunologie (einschließlich Arbeitsbereich Physikalische Medizin CBF/CCM).“ Der bei der Rechnungsstellung verwendete Institutsname für Leistungen des betreffenden Instituts lautete: ,,Institut für Immunologie, Tumormedizin, Transfusionsmedizin.“ Innerhalb der Institute der Charité erfolgten immer wieder Namensanpassungen, heißt es in der Klage.

Anwälte berufen sich auf das Versehen eines Dienstleisters

„Der – geringfügigen – Namensabweichung bei der Rechnungserstellung“ habe ein Versehen des externen Abrechnungsdienstleisters PVS zugrunde gelegen, wiederholen die Anwälte das Argument, das die Charité schon gegenüber der Morgenpost und der Wissenschaftsverwaltung genutzt hatte. Der externe Dienstleister habe „die durch die Satzungsänderung erfolgte Namensänderung nicht in seine Datensätze übernommen“. Dies sei von der Klägerin, also der Universitätsklinik Charité, „nicht bemerkt“ worden.

Die AOK-Anwälte haben für ihre Erwiderung die Antworten des Senats auf die Fragen des FDP-Mannes Luthe ausgewertet und dabei Widersprüche gefunden. So heißt es darin zu dem fraglichen Institut: „Ein solches Institut besteht und bestand unter dieser Bezeichnung nicht.“ An anderer Stelle gab die Charité jedoch an, dieser nicht korrekte Name sei beim Abrechnungsdienstleister „freigegeben“ worden. Die AOK-Anwälte ziehen daraus ihren Schluss: Es liege also kein Versehen des Dienstleisters vor, „sondern eine bewusst falsche Angabe der Charité.“ Deshalb sei die Klage unbegründet.

An anderer Stelle hat die Charité in ihren über den Senat erteilten Antworten dargelegt, dass sie nicht alle Rechnungen, die in ihrem Namen gestellt werden, auch kennt. „Nein, die Rechnungen liegen nicht immer auch der Charité vor“, heißt es in einer Antwort vom März 2019. Eine von der Satzung abweichende Namensgebung von Instituten, Ambulanzen und anderen Stellen, die Rechnungen schreiben, ist auch in anderen Fällen vorgekommen. Der Morgenpost liegt eine Rechnung einer „Spezialambulanz“ vor, die sich in der vom Senat an Luthe gegebenen Liste der Charité-Einrichtungen nicht findet.