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Rhein-Hunsrück

Übernimmt der Rhein-Hunsrück-Kreis die Loreley-Kliniken? – War Schließung notwendig?

Die Schließung der Loreley-Kliniken zum 30. September ist beschlossen, jetzt geht es darum, wie eine medizinische Versorgung der Menschen in und um Oberwesel und St. Goar strukturiert werden kann – und ob der Kreis die mehrheitliche Trägerschaft der Kliniken übernimmt.
Die Schließung der Loreley-Kliniken zum 30. September ist beschlossen, jetzt geht es darum, wie eine medizinische Versorgung der Menschen in und um Oberwesel und St. Goar strukturiert werden kann – und ob der Kreis die mehrheitliche Trägerschaft der Kliniken übernimmt. Foto: Suzanne Breitbach

Auch wenn die Tagesordnung der Kreistagssitzung am Montag überschaubar wirkt, ist das Thema, das es zu besprechen gilt, keineswegs unbedeutend. Auf der Agenda stehen die Loreley-Kliniken und die Frage, ob der Rhein-Hunsrück-Kreis die 55-prozentigen Anteile des Mehrheitsgesellschafters Marienhaus Holding GmbH an der Krankenhaus GmbH St. Goar-Oberwesel übernehmen wird.

Lesezeit: 1 Minute
Der Antrag der SPD-Fraktion, die sich gemeinsam mit den Grünen dafür stark macht, dass der Kreis die mehrheitlichen Gesellschafteranteile übernimmt und somit ein Fortbestand der beiden Häuser in St. Goar und Oberwesel über den 30. September hinaus gewährleistet werden kann, wird bereits seit Wochen energisch diskutiert. Die einen sprechen sich für ...
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Marienhaus: Kein Vergleich zu Bingen

Waldbreitbach. Die Marienhaus Holding GmbH steht seit Monaten unter Beschuss, weil sie die Loreley-Kliniken zunächst umstrukturieren, dann aber beide Häuser in St. Goar und Oberwesel endgültig schließen wollte. Diskutiert wird immer wieder, wie dramatisch die finanzielle Situation wirklich war – auch im Vergleich zu anderen Häusern der Gruppe. Vor der Kreistagssitzung haben wir Fragen an Marienhaus gestellt.

In einem Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat der Binger Oberbürgermeister Thomas Feser zuletzt die bedrohliche Lage des Heilig-Geist-Hospitals (HGH) in Bingen dargestellt. Ist die wirtschaftliche Situation hinsichtlich der Liquidität in Bingen positiver als bei den Loreley-Kliniken?

Bingens Oberbürgermeister hat darauf hingewiesen, dass die wirtschaftliche Situation des Heilig-Geist-Hospitals wie bei vielen Krankenhäusern im Bundesgebiet angespannt ist. Gleichzeitig hat er an den Minister appelliert, dass Kliniken wie das HGH, die sich auf die Behandlung von Covid-19-Patienten konzentrieren und damit die umliegenden Kliniken entlasten sollte, besondere Unterstützung brauchen. Steht die wirtschaftlich angespannte Situation in Bingen also in direktem Zusammenhang mit der Corona-Krise, so haben die Probleme der Loreley-Kliniken nichts mit Corona zu tun. Verantwortlich für die Schließung der Loreley-Kliniken sind die verschärften gesetzgeberischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die sich für kleinere Krankenhäuser massiv verschlechtert haben. Beispielhaft seien die neuen Vorgaben für die Notfallversorgung und die verschärften Prüfungen durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen sowie die Ausgliederung der Pflege aus den Fallpauschalen genannt. Darüber hinaus wollen die Krankenkassen die Konservative Orthopädie, die 35 Jahre lang das Flaggschiff der Loreley-Kliniken war, aus dem stationären in den ambulanten Bereich drängen. Bingen und St. Goar-Oberwesel sind also nicht einmal ansatzweise miteinander zu vergleichen.

Die Corona-Krise bedingt in vielen Krankenhäusern wirtschaftliche Herausforderungen, dem Vernehmen nach auch beim Katholischen Klinikum Mainz (KKM), das ebenso zur Marienhaus-Gruppe gehört. Weshalb sahen Sie ein Insolvenzverfahren nur bei den Loreley-Kliniken als unabdingbar?

Jedes Krankenhaus in Deutschland erfährt durch die Corona-Krise wirtschaftliche Einbußen. Zur Erinnerung: Am 16. März hat die Politik die Kliniken angewiesen, alle medizinisch nicht zwingend notwendigen Leistungen und stationären Aufnahmen einzustellen, um sich auf die zu erwartende Belastung durch Covid-19-Patienten vorzubereiten. Viele Patienten haben von sich aus ihre Termine abgesagt. Selbst in Notfällen sind viele Menschen aus Sorge, sich im Krankenhaus mit dem Corona-Virus zu infizieren, nicht ins Krankenhaus gegangen. So ist die Belegung in den Krankenhäusern eingebrochen, oftmals auf unter 50 Prozent. Die Krankenhäuser können jetzt zwar schrittweise in den Normalbetrieb zurückkehren, müssen allerdings ein bestimmtes Kontingent an Intensivbetten weiterhin für Covid-19-Patienten freihalten. B bis sich die Belegungszahlen wieder eingependelt haben, werden noch Wochen, wenn nicht Monate vergehen. Die Situation der Loreley-Kliniken hat allerdings nichts mit der Corona-Pandemie zu tun. Auch hier eine kurze Rückblende: Im Mai 2019 hatten wir die Beratungsfirma Aktiva beauftragt, sämtliche Berechnungen und Planungen für die Herstellung der Ein-Standort-Lösung noch einmal zu überprüfen. Die Aktiva kam bei ihren Berechnungen zu dem niederschmetternden Ergebnis, dass keine der möglichen Varianten wirtschaftlich tragfähig ist. Das galt nicht nur für die ursprünglich geplanten baulichen Maßnahmen zur Realisierung der Ein-Standort-Lösung in Oberwesel (Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung mit dem Schwerpunkt Orthopädie und 183 Betten), sondern auch für alle anderen Varianten – von der Fachklinik ohne Innere Medizin, Intensivstation und Notfallversorgung über die Fachklinik für Konservative Orthopädie mit Chirurgie bis hin zur Orthopädischen Rehaklinik. Daran würde sich, so die Aktiva, selbst dann nichts ändern, wenn ein Umbau in Oberwesel zu 100 Prozent durch Fördermittel finanziert werden würde und der Eigenanteil der Klinik in Millionenhöhe somit entfiele. Zu diesem Ergebnis ist die Aktiva auch deshalb gekommen, weil die Finanzierung der konservativen Orthopädie, die die Loreley-Kliniken stark gemacht hat, für die kommenden Jahre nicht gesichert ist, weil uns der Medizinische Dienst der Krankenkassen zunehmend bereits erbrachte Leistungen kürzt und nicht bezahlt.

Gibt es für andere Häuser in Ihrer Trägerschaft Sonderlösungen, die über mögliche akute Liquiditätsengpässe hinweghelfen können?

Diese Frage werden wir nicht beantworten.

Zu welchem Stichtag wurde die Schließungsabsicht erstmals beim Mehrheitsgesellschafter der Krankenhaus GmbH St. Goar-Oberwesel fixiert?

Dass sich die ursprünglich geplante Zusammenführung der beiden Standorte in Oberwesel nicht würde realisieren lassen, darüber haben wir die Belegschaft Ende Juli 2019 informiert und gleichzeitig erklärt, dass wir alle notwendigen Schritte unternehmen würden, um eine belastbare und zukunftsfähige Lösung zu finden. Damit war die Arbeit der Aktiva gemeint. Ende Oktober 2019 haben wir die Mitarbeiter darüber informiert, dass wir unter den beschriebenen Umständen die Loreley-Kliniken schließen müssten. Marienhaus-intern haben wir das erst wenige Tage vorher entschieden.

Ist es zutreffend, dass im Rahmen der Gesellschafterversammlung des KKM bereits im Herbst 2018 über eine Schließungsabsicht der Loreley-Kliniken gesprochen wurde bzw. es die Erwähnung einer solchen Absicht gab?

Nein! vb

Ministerium: Vom Aus überrascht

Mainz. Die Position des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Demografie (MSGAD) Rheinland-Pfalz wird bei der Klinikdebatte immer wieder diskutiert. Vor der Sitzung des Kreistages haben wir das Ministerium um Stellungnahme gebeten:

Wann wurde Ihnen bekannt, dass die Marienhaus Holding GmbH als Mehrheitsgesellschafter eine Schließung der Loreley-Kliniken beabsichtigt (konkreter Stichtag)?

Nach der überraschenden Abkehr des Krankenhausträgers von den ursprünglichen Planungen wurde dem Gesundheitsministerium seitens des Trägers Ende Juli 2019 zunächst eine Umwandlung in ein orthopädisches Fachkrankenhaus vorgeschlagen. Nachdem der Krankenhausträger Ende September 2019 auch diese Planungen in Frage gestellt hatte, wurde der Träger seitens des Gesundheitsministeriums mit Nachdruck gebeten, kurzfristig weitere Optionen zu prüfen und Berechnungen durchzuführen – darunter auch für eine angenommene 100-Prozent-Förderung der für die Umwandlung in eine Fachklinik erforderlichen Investitionen. Selbst daraus ist aus Trägersicht keine tragfähige Alternative erwachsen, sodass dieser zu dem Schluss gekommen ist, das Krankenhaus mit beiden Standorten zu schließen. Die Marienhaus Holding GmbH hat Ministerin Bätzing-Lichtenthäler die Entscheidung zur Schließung am 21. Oktober 2019 im Gespräch mitgeteilt.

Im April 2019 stellte Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler eine Förderung in Höhe von 22 Millionen Euro aus dem Krankenhausstrukturfonds in Aussicht. Es soll seitens der Marienhaus bereits im Herbst 2018 erste Verlautbarungen über Schließungsabsichten des Hauptgesellschafters gegeben haben. War dies im April 2019 unbekannt?

Im April 2019 waren Schließungsabsichten für das MSAGD definitiv nicht absehbar. Dass es im Herbst 2018 erste Verlautbarungen über Schließungsabsichten gegeben haben soll, kann das MSAGD nicht bestätigen. Ganz im Gegenteil: Marienhaus hat die Baumaßnahme zur Konzentration am Klinikstandort Oberwesel bis April 2019 weiter vorangetrieben und den Aufruf der Ministerin zur letzten Planungsphase für die Konzentration im April 2019 sehr begrüßt. Umso überraschter war das MSAGD dann über die Wendung.

Wie lässt sich eine öffentlich diskutierte Umwidmung der 22 Millionen Euro aus dem Krankenhausstrukturfonds für einen Sozialplan vor dem Hintergrund der Zweckbindung rechtlich realisieren?

Die 22 Millionen Euro sind dem Träger noch nicht vom Land bewilligt worden. (...) Die „Umwidmung“ kann rechtlich nur in der Weise erfolgen, dass der Träger seinen bisherigen Antrag zurückzieht und einen neuen Ersatzantrag stellt, für den das Verfahren dann (inklusive Herstellung des Einvernehmens mit den Krankenkassen und erneute Bewilligung durch das Bundesamt für Soziale Sicherung) erneut zu durchlaufen ist.

Könnte der Kreis als potenzieller Mehrheitsgesellschafter Anspruch auf die Förderung in Höhe von 22 Millionen Euro erheben? Falls ja mit welcher Zweckbindung?

Die für die Krankenhausumstrukturierung zugesagten Fördermittel bei Aufgabe des Standortes St. Goar von 22 Millionen Euro stehen grundsätzlich auch bei einem Trägerwechsel weiter zur Verfügung. Für diese Förderung ist es unerheblich, wer der Träger der Einrichtung ist. In jedem Fall muss der Träger ein zukunftsfähiges Konzept vorlegen. Voraussetzung ist, dass ein Fördertatbestand gemäß § 1 der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung vorliegt. Über Krankenhausstandortkonzentrationen hinaus sind insbesondere auch die Umwandlung von akutstationären Kapazitäten in nicht akutstationäre Kapazitäten (z.B. in ein MVZ) oder die Schließung eines Krankenhauses bzw. gegebenenfalls Teilen eines Krankenhauses förderfähig.

11 Millionen Euro der 22-Millionen-Euro-Förderung sollten Gelder des Bundes sein. Ist eine mögliche veränderte Nutzung der Gelder mit dem Bund abgestimmt?

Die 22 Millionen Euro setzten sich wie folgt zusammen: 11 Millionen Euro aus Mitteln der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds (Krankenkassenmittel, die vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) verwaltet werden) und 11 Millionen Euro Landesmittel. Das Bundesamt für Soziale Sicherung ist über den aktuellen Sachstand und einen möglichen Ersatzantrag, der rechtlich unstreitig möglich ist, informiert. Erst wenn der Ersatzantrag vorliegt, kann die Abstimmung mit dem BAS bzw. der Antrag des Landes an das BAS zur Bewilligung des Ersatzantrages erfolgen.

Nach unseren Erkenntnissen gibt es auch beim HGH Bingen Liquiditätsengpässe, die offensichtlich weit über die Problemstellung der Loreley-Kliniken hinausgehen. Ihr Haus sprach sich für eine Stärkung dieser Einrichtung aus während die Krankenhäuser in Oberwesel und St. Goar geschlossen wurden. Wie bewerten Sie diese Situation?

Es ist wichtig, die Versorgung der Bevölkerung mit stationären Leistungen in der Region weiterhin zu gewährleisten. Die Menschen am Mittelrhein sollen auch im Falle einer Schließung der Loreley-Kliniken eine gute stationäre Versorgung erhalten, die – einschließlich Notfallversorgung – durch die umliegenden Krankenhaus-Standorte in Bingen, Boppard und Simmern sichergestellt ist. Daher war und ist das Land bereit, das Heilig-Geist-Hospital in Bingen, das ebenfalls in der Trägerschaft der Marienhausgruppe liegt, zu begleiten und zu unterstützen.

Könnten Sie dem Kreis hinsichtlich der Suche eines sogenannten Geschäftsbesorgers helfen? Gab es dazu Vorgespräche?

Es gab und gibt Gespräche mit den kommunalpolitisch Verantwortlichen. Das Gesundheitsministerium hat wiederholt betont, dass es auch den Kreis in jeder Hinsicht unterstützen wird. Das gilt auch für die Suche nach einem Geschäftsbesorger, ohne dass hier ein Erfolg garantiert werden könnte. vb

Sind die Loreley-Kliniken noch zu retten?
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