Die Regelung dürfte bei Patienten für Stirnrunzeln sorgen: Ab 25. Juli darf Pflegepersonal in Kliniken und Pflegeeinrichtungen auch dann arbeiten, wenn der betroffene Mitarbeiter positiv auf Corona getestet wurde.

Bislang gilt ein für corona-positive Mitarbeiter ein Beschäftigungsverbot bis zum 15. Tag nach dem ersten Test. Mit der Neuregelung, die in der nächsten Woche in Kraft tritt, dürfen Pflegekräfte bereits ab dem sechsten Tag wieder arbeiten, selbst wenn sie weiterhin positiv sind – zumindest, wenn sie keine Symptome haben.

Forderung seitens der Kliniken

Gefordert hatte das unter anderem die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG), aber auch der Landeskrankenhausausschuss. Der chronische Fachkräftemangel habe sich durch die Pandemie und die Ukrainekrise noch einmal verschärft, beklagt der Verein.

„Der Durchschnitt der nicht belegbaren Betten liegt aktuell bei 14,3 Prozent, Tendenz steigend“, sagt Heiner Scheffold, Vorstandsvorsitzender der BWKG. In Einzelfällen komme es sogar zu Kapazitätsreduzierungen von über 30 Prozent. Kurzfristig könne eine verringerte Quarantänezeit Erleichterung bringen, so Scheffold weiter.

Wer keine Symptome hat und wenn die Patienten andernfalls nicht versorgt werden können, darf ab 25. Juli auch mit positivem Test unter ...
Wer keine Symptome hat und wenn die Patienten andernfalls nicht versorgt werden können, darf ab 25. Juli auch mit positivem Test unter bestimmten Bedingungen wieder im Krankenhaus oder einem Pflegeheim arbeiten. | Bild: Daniel Bockwoldt

Im Infektionsschutzgesetz des Bundes sind Ausnahmeregelungen ohnehin vorgesehen – doch in der Corona-Verordnung des Landes wurde dies bisher nicht übernommen. Wegen der Appelle der Krankenhäuser reagiere man nun aber auf die Personallage, hieß es auf Anfrage aus dem Sozialministerium. „Klar muss aber sein: Wer krank ist, bleibt zu Hause“, macht Sprecher Pascal Murmann deutlich.

Strenge Vorgaben

Erlaubt sei die der Einsatz von infiziertem Personal ohnehin nur, wenn die Mitarbeiter keine Symptome haben. Und: wenn ohne ihren Einsatz die Versorgung der Patienten nicht mehr gewährleistet werden könne. „Es geht nicht darum, jetzt massenweise infizierte Pfleger einzusetzen in den Kliniken“, betont Murmann. Entscheiden muss dies schlussendlich die Klinikleitung, ergänzte er.

Wer positiv getestet ist und in der Klinik gebraucht wird, muss allerdings durchgehend eine FFP2-Maske tragen und darf mit negativ ...
Wer positiv getestet ist und in der Klinik gebraucht wird, muss allerdings durchgehend eine FFP2-Maske tragen und darf mit negativ getesteten Kollegen keine gemeinsame Pause machen. | Bild: Marcel Kusch

Kommt es zum Einsatz infizierter Pflegekräfte, müssen Schutzmaßnahmen eingehalten werden: So müssen die Betroffenen ausnahmslos eine FFP2-Maske tragen, dürfen keine gemeinsamen Pausen mit negativen Mitarbeitern haben und sind verpflichtet, beim Auftreten von Symptomen unverzüglich nach Hause zu gehen.

Virologe Stürmer: „Gefährlich“

Patienten sollen durch die Maßnahme nicht gefährdet werden. Doch der Frankfurter Virologe Martin Stürmer hält wenig von der Regelung: „Grundsätzlich halte ich das für gefährlich“, sagt er im Gespräch mit dem SÜDKURIER – insbesondere auf der Intensivstation und in der Altenpflege sei Vorsicht geboten. Hinzu komme, dass auch asymptomatische Infizierte für andere ansteckend sein können.

„Die Quarantänezeit für medizinisches Personal wurde ja nicht ohne Grund so hoch angesetzt“, erklärt Stürmer: „Wir wissen, dass es nach fünf Tagen noch ein Restrisiko gibt, andere anzustecken.“ Für das öffentliche Leben könne man dieses Risiko wegen der hohen Zahl von Geimpften eingehen – „aber im medizinischen Bereich tragen wir eine besondere Verantwortung“, erläutert der Virologe weiter.

Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer beschäftigt sich seit Beginn der Pandemie intensiv mit dem Coronavirus.
Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer beschäftigt sich seit Beginn der Pandemie intensiv mit dem Coronavirus. | Bild: Stürmer

Kein Personalengpass im Gesundheitsverbund Konstanz

Wie groß das Personalproblem in der Region ist, konnte bis Erscheinen dieses Artikels nicht mehr von allen Kliniken beantwortet werden.

„Die Personallage ist aufgrund der hohen Krankheitsausfälle angespannt“, sagt Sprecherin Kathrin Lander vom Schwarzwald-Baar-Klinikum: Die Akutversorgung sei aber sichergestellt. „In Einzelfällen kann die Maßnahme helfen“, ergänzt sie jedoch mit Blick auf die Möglichkeit, im Notfall infiziertes Personal einsetzen zu können.

Im Gesundheitsverbund Konstanz sei die Lage nicht so dramatisch, dass eine solche Maßnahme notwendig wäre, so Sprecherin Andrea Jagode. Dennoch gebe es covid-bedingte Personalausfälle, die die Lage noch angespannter machten.

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Hinzu komme: „Nach unseren Erfahrungen sind die Beschäftigten, die Corona haben, auch wirklich gesundheitlich eingeschränkt und deshalb nicht arbeitsfähig“, so Jagode. Gerade die derzeit grassierende und stärker ansteckende Subvariante BA.5 löst häufig heftigere Symptome aus, die Folge ist oft ein langwierigerer Krankheitsverlauf – auch bei Geimpften und Genesenen, wie Virologe Stürmer bestätigt. Wie hilfreich die Neuregelung ist, muss sich zeigen.