Das MDK-Reformgesetz kommt

© Andrew Martin – Pixabay

In diesem Blog haben wir schon oft und vor allem kritisch über die Rolle des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) berichtet. Die Beiträge waren auch manchmal Anlass für emotionale, kritische und teilweise wütende Reaktionen der Kostenträgerseite. In den 16 Jahren DRG-System (und in den 7 Jahren Fallpauschalen/Sonderentgelte, die dem voraus gingen) hat sich die Rolle des MDK und damit auch das Verhältnis zwischen MDK und Krankenhäusern immer weiter gewandelt. Vom unparteiischen “Korrektiv” (so hatte der Gesetzgeber den MDK seinerzeit gemeint) wurde der MDK immer mehr zum Mittäter der Beutezüge der Kostenträger. Jetzt kündigt das Gesundheitsministerium ein MDK-Reformgesetz an.

Worum geht es dabei?

Vorgeschichte des MDK

Der Vorgänger des MDK, der Vertrauensärztliche Dienst (VäD), musste in den 1980er Jahren dringend reformiert werden. Die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung schienen unendlich wachsen zu wollen: Die Politik brauchte ein Korrektiv. Der Ruf des VäD hatte sich seit der infamen Instrumentalisierung durch das Nazi-Regime nie richtig erholt. Daher musste eine neue Organisation her, für die Ärzte ohne Schamgefühl arbeiten könnten.

Norbert Blüm schuf 1989 mit seinem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) den MDK. Allerdings war dieser anfangs machtlos. Krankenhäuser und Ärzteschaft wehrten sich gegen die neue (wie gegen die alte) Kontrollinstanz und verweigerten die Zusammenarbeit. Krankenunterlagen z. B. wurden nicht herausgegeben, bis dem MDK 1997 im GKV-Neuordnungsgesetz (Seehofer) weit reichende Kompetenzen zugebilligt wurden. Erst seitdem existiert der MDK, wie wir ihn kennen und lieben.

Wie gut es die Politiker meinten, lässt sich schön am viel zitierten und belächelten Absatz 5 des § 275 SGB V ablesen: “Die Ärzte des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die ärztliche Behandlung einzugreifen.” Zwanzig Jahre später ist der MDK weit entfernt vom “väterlichen Freund”, der er mal sein sollte und wollte.

Die Abhängigkeit des MDK-Gutachters

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Die Kassen haben den MDK immer schon gerne an der kurzen Leine geführt. Versuche, den MDK wirklich unabhängige Kompetenzen zu geben, führten zu wütenden Protesten der GKV, wie z. B. des AOK-Bundesverbands, als es um wettbewerbsrelevante Modellvorhaben ging.

Die Organisationsform und die einseitige Vergütung des MDK durch die Kassen führt zu “Eigentumsdenken”. Dieses “gefühlte” Eigentum wird durch Einflussnahme über die kassen-dominierten Verwaltungsräte mit echter Macht unterfüttert. Ergänzend verzichten die Sozialministerien weitgehend auf die Wahrnehmung ihrer gesetzlich zugesicherte Aufsichtsfunktion. Damit wird das Bild komplett: Der MDK ist den Krankenkassen ausgeliefert.

Nicht etwa, weil sich MDK-Gutachter regelhaft freiwillig vor einen Karren spannen lassen. Sicherlich nicht! Es sind nicht viele, die eine intrinsische Motivation haben, Leistungserbringer zu maßregeln. Dennoch werden einzelne Gutachter mehr oder weniger subtil diszipliniert, während die Kassen auf der Geschäftsführungsebene kein Blatt vor dem Mund nehmen müssen. Die Geschäftsführer werden ja direkt vom Verwaltungsrat bestellt. Und wenn nötig auch wieder entlassen.

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Unaufrichtigkeit in beiden Lagern

Die Fallprüfungen in Krankenhäusern eskalieren in den letzten Jahren. Für das Jahr 2018 wird eine MDK-Prüfquote von ca. 17 % berichtet. Hinzu kommen ca. 5 % Prüfungen ohne MDK als “Vorverfahren”. Das bedeutet, dass jeder fünfte Fall geprüft wird. Im Durchschnitt. Tatsächlich werden manche Abteilungen mit Prüfquoten über 90 % malträtiert.

Solche Quoten sind ein Beweis für Systemversagen, nichts anderes. Daher können wir uns mittlerweile vor Reformvorschlägen kaum noch retten: Jeder, der sich Experte wähnt, meldet sich zu Wort.

Und die Vorschläge zeigen mal wieder ziemlich genau, welche Klientel bedient werden soll. Die eskalierende Lage ist nicht zuletzt der mangelnden Kooperation der Selbstverwaltungspartner (hier: GKV-Spitzenverband und DKG) zu verdanken. Seit Jahren erzählen beide Lager der Öffentlichkeit Halbwahrheiten. Es gibt einige Wahrheiten, die wir alle, Kassen und Krankenhäuser, mal anerkennen sollten. Erst dann ist ein konstruktiver Dialog überhaupt möglich. Zum Beispiel:

  • Abrechnungsoptimierung

    Die Abrechnung in Krankenhäusern wird in erheblichem Maße über die Grenzen des Erlaubten hinaus „optimiert“.

  • Prüfungswillkür

    Krankenkassen haben kein Interesse an Verbesserung der Abrechnungsqualität, sondern an „weichen Zielen“, um möglichst viel Geld aus dem Krankenhausbudget für eigene Zwecke verwenden zu können.

  • Fehlbelegung

    Krankenhäuser nehmen im Durchschnitt zu viele Patienten stationär auf und behandeln stationäre Patienten zu lange, weil wir in Deutschland zu viele stationäre Krankenhausbetten haben.

  • Gefälligkeitsgutachten

    Der MDK begutachtet mitunter eklatant zum Nachteile der Leistungserbringer und zum Vorteile der Krankenkassen. Das gilt für die Einzelfallprüfung und für „Strukturprüfungen“.

  • Arbeitsverweigerung

    GKV Spitzenverband und Deutsche Krankenhausgesellschaft weigern sich beharrlich, klare Regelungen zu treffen, weil das eine oder andere Mitglied vielleicht lieber „im Trüben fischt“. In der Folge sind die Gerichte unzulässigerweise zu einer Art Aufsichtsbehörde geworden.

Es gibt eine Menge schwarze Schafe unter Kodierfachkräften, Medizincontrollern, Krankenhausmanagern, MDK-Gutachter, MDK-Geschäftsführer, Fachangestellte der Kassen und Kassenmanagern. Wohlgemerkt: Das ist nicht die Mehrheit; es gibt sehr viele Menschen auf beiden Seiten, die fair und aufrichtig arbeiten. Diese werden aber nicht selten von den Skrupellosen überstimmt, die dem Diktat des schnellen Geldes gehorchen. Auf beiden Seiten.

Das MDK-Reformgesetz

Nur Korea und Japan haben mehr Betten, aber diese Länder zählen ihre Reha-Betten mit. Deutschland ist Weltmeister und hat, anders als die osteuropäischen Länder, seine Hausaufgaben nicht gemacht.

Die Quelle der Probleme ist der Bettenüberschuss: Deutschland ist Weltmeister in Krankenhaus-Akutbetten. Diese Betten dürfen nicht leer stehen, was zu systematischer Überbehandlung und Fehlbelegung einlädt, wenn auch nicht zwingt. Die Kassen nutzen die Gelegenheit und entziehen den Krankenhäusern soviel Geld wie möglich.

Was ist also die Lösung? Bettenabbau, würden Sie vielleicht denken? Jein!

Das Schließen von Krankenhäusern ist nicht mit dem Überlebensinstinkt eines Politikers vereinbar: Die Bürger mögen es nicht, wenn das Krankenhaus (oder auch nur der Kreißsaal) nebenan schließen muss. Also gehen wir Umwege: DRG-System, Pflegepersonalstärkungsgesetz und jetzt MDK-Reformgesetz. Am Ende sollen unnötige Krankenhausbetten von selbst gangränös werden und absterben, so der nicht ganz so geheime Plan. Hat bis heute noch nicht funktioniert, was schade ist, weil ein vernünftiger Bettenabbau auf einem Schlag Ärztemangel und Pflegenotstand lösen könnte. Wir haben genug Personal verfügbar, nur verschleißen wir sie an zu vielen Betten.

Jetzt soll also Erleichterung geschaffen werden bei den Fallprüfungen. Wie soll das funktionieren? Unabhängiger, transparenter und effektiver sagt der Referentenentwurf:

  • MDK löst sich von den Kassen

    MDK und MDS werden unabhängig von den Kassen organisiert. Die Verwaltungsräte werden nicht mehr ausschließlich von den Kassen besetzt sein. Guter Ansatz!

  • Strukturprüfungen werden geregelt

    Die Strukturprüfung soll geregelt werden. Wichtig. Aber hoffentlich wird sie dann auch vernünftig geregelt. Klare Prüfkriterien, denn hier gibt es erstaunlichen Willkür!

  • Ordentliche Abrechnung wird belohnt

    Gute Abrechnung soll eine geringere Prüfquote nach sich ziehen. Hier steckt der Teufel im Detail: Was ist “gute Abrechnung” genau??

  • Schlichtungsausschuss Bund wird reanimiert

    Der Schlichtungsausschuss Bund, der nach erheblichen Geburtswehen leider an plötzlichem Kindstod gestorben zu sein schien, soll wieder leben. Das wäre ein wichtiger Schritt; wir dürfen gespannt sein!

  • AOP-Katalog wird erweitert

    Mehr Eingriffe im AOP-Katalog bedeutet, dass Krankenhäuser diese Leistungen auch ambulant abrechnen können. Das ist gut. Dafür müssen diese Leistungen erstmal im EBM stehen, sonst gibt es keinen Preis dafür. Hoffentlich wird das nicht vergessen.

  • Bundesweite Statistik

    Darauf warten Krankenhäuser und Kassen gleichermaßen. Verlässliche Zahlen wären eine große Hilfe.

Und zum Schluss noch ein kleiner Schmankerl: Der gemeinsame Bundesausschuss (“Höchste Gremium der Selbstverwaltung”) soll seine Sitzungen life im Internet übertragen! Das wird den Geheimnisträgern im Ausschuss aber weh tun!

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