„Emotionale Erschöpfung“ schlimmer als Unzufriedenheit mit dem Gehalt Wie Saar-Kliniken den Exodus der Pflegekräfte verhindern können

Saarbrücken · Erst wurde für Pflegekräfte geklatscht, und jetzt? Eine Fachkraft schildert der SPD-Fraktion im Landtag den Frust der Beschäftigten. Eine Wissenschaftlerin gibt Tipps, wie sich Kliniken ändern müssen, damit das Personal nicht scharenweise aussteigt.

 Warum Personal aus der Pflege aussteigt, ist inzwischen gut erforscht. Die Bezahlung sei ein Punkt, aber nicht der entscheidende.

Warum Personal aus der Pflege aussteigt, ist inzwischen gut erforscht. Die Bezahlung sei ein Punkt, aber nicht der entscheidende.

Foto: dpa/Jens Büttner

Die Pflegefachkraft Sonja Wieland-Becker brauchte nicht lange, um zum Punkt zu kommen. „Es hieß immer, wir sind systemrelevant. Davon ist leider nichts mehr zu spüren“, klagte die Mitarbeiterin einer Krankenhaus-Dialyse am Dienstag bei einem Fachforum der SPD-Landtagsfraktion zur Gesundheitspolitik. Die Pflegekräfte hätten „kein Vertrauen mehr in die Politik“, sagte die aktive Sozialdemokratin.

Die Lage der Pflege sei vor Corona schon sehr schwierig gewiesen. Die Pandemie habe diesen Zustand leider noch verschlechtert: Zwölf-Stunden-Dienste, die Personaluntergrenzen ausgesetzt und ein massiver Anstieg der Bürokratie. Ohne ausreichendes Pflegepersonal werde es zu einem Kollaps des Gesundheitssystems kommen.

Doch was hilft? Wichtige Stellschrauben der Finanzierung werden auf Bundesebene gedreht. Die Ampel-Partner haben sich „eine Offensive für mehr Pflegepersonal“ vorgenommen und wollen dazu auch „mehr qualifizierte ausländische Pflegekräfte gewinnen“. Die künftige Bundesregierung plant überdies eine Entbürokratisierung und „klare bundeseinheitliche Vorgaben bei der Personalbemessung“.

„Emotionale Erschöpfung“ gehört zu Gründen für Ausstieg

Doch bereits auf betrieblicher Ebene lässt sich der Pflegeberuf attraktiver machen, davon ist Anne-Kathrin Cassier-Woidasky, Professorin für Pflegewissenschaft, an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Saarbrücken, überzeugt. Es sei gut erforscht, welche Gründe dazu führen, dass Pflegende den Beruf verlassen. Dazu gehörten neben zu wenig Personal auch eine „emotionale Erschöpfung“ durch fehlende Führungskompetenz, eine schlechte Arbeitsumgebung, fehlende Anerkennung, eine schlechte Zusammenarbeit zwischen Pflege und Ärzten und fehlende Entscheidungsbefugnisse. Die Bezahlung sei zwar auch ein Punkt, aber nicht der entscheidende.

Daraus könne das Management wichtige Erkenntnisse ableiten, wie sich Pflegekräfte halten lassen. Leitungskräfte müssten Vorbild sein und ein gutes Miteinander pflegen, auch mal für ihre Mitarbeiter Ärger einstecken, um ihnen den Rücken freizuhalten. Ganz wichtig seien Lob und Anerkennung, eine Kultur der Wertschätzung. Wenn es das alles nicht gebe, würden die Pflegekräfte krank und stiegen aus, sagte Cassier-Woidasky. In attraktiven Häusern hätten die Pflegekräfte „Spaß an Verantwortung und Spaß daran, sich zu entwickeln und zu gestalten“. Das müsse aber auch auf eine Kultur treffen, wo dies erwünscht sei.

Nach Cassier-Woidaskys Einschätzung bringt allein mehr Personal nichts, wenn sich die Arbeitsbedingungen nicht verändern. Wenn aber die Arbeitsbedingungen gut seien, führe mehr Personal zu einer deutlich sinkenden Sterberate.

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