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Reformpläne Wie Lauterbach die Krankenhäuser entlasten will

Im Herbst und Winter droht vielen Krankenhäusern die Überlastung – das Bundesgesundheitsministerium will mit kurzfristigen Reformen helfen. Ein Entwurf liegt dem SPIEGEL vor.
Minister Lauterbach

Minister Lauterbach

Foto: Christian Marquardt / NurPhoto / IMAGO

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat erste Reformpläne für eine kurzfristige Entlastung der Krankenhäuser vorgelegt. In drei Eckpunktepapieren, die dem SPIEGEL exklusiv vorliegen, skizziert Lauterbach die Entlastung von Kinderstationen und Geburtshilfe sowie die Einführung von Tagespauschalen im Krankenhaus.

Demnach soll es Krankenhäusern künftig möglich sein, Tagesbehandlungen abzurechnen. Bisher stationär erbrachte Leistungen sollen in Absprache mit den Patienten künftig ambulant durchgeführt werden können. Sie sollen dann als sechsstündige Behandlung abgerechnet werden.

Zudem sollen Krankenhäuser zusätzlich zu den Fallpauschalen für Behandlungen in der Kinderheilkunde (die sogenannten Diagnosis Related Groups, kurz DRGs) zusätzliche Finanzmittel erhalten, um mögliche Mindereinnahmen auszugleichen.

Diese werden allerdings daran gekoppelt, dass sie weiter Kinder und Jugendliche behandeln, um Missbrauch zu vermeiden. Sollte ein Krankenhaus weniger als 80 Prozent seines Erlösvolumens von 2019 erzielen, muss es Abschläge hinnehmen.

Lauterbach setzt damit ein Vorhaben des Koalitionsvertrags um, das vorsieht kurzfristig für eine Entlastung der Pädiatrien zu sorgen, um weitere Schließungen der momentan 334 Kinderstationen in Deutschland zu verhindern.

Große Krankenhausreform soll folgen

Die Geburtshilfe soll einen Zuschlag in Höhe von 1,5 Millionen Euro je Krankenhaus erhalten. Dafür sind zwei Kriterien notwendig:

  • Das Krankenhaus hält auch eine Pädiatrie vor;

  • das Krankenhaus hält auch ein Perinatalzentrum oder einen perinatalen Schwerpunkt nach der Liste des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen vor.

Durch die gesetzlichen Änderungen sollen für eine Übergangszeit von zwei Jahren die bestehenden Strukturen zur Versorgung pädiatrischer Fälle und Geburtshilfestationen im ländlichen Raum erhalten werden, heißt es in dem Entwurf. Sie dienen »als Instrumente des Übergangs bis zum Inkrafttreten einer übergreifenden Krankenhausstrukturreform und sollen insofern weder diese Strukturreform vorwegnehmen noch sie ersetzen.«

Lauterbach folgt damit den Empfehlungen der Krankenhauskommission, die er Anfang des Jahres eingesetzt hatte. Die Eckpunkte sollen in den aktuellen Gesetzgebungsprozess des Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes einfließen, das zum Januar 2023 in Kraft treten soll.

Langfristig sollen weitere Reformen folgen. Lauterbach will die Reformen heute und morgen den Gesundheitsministern der Länder vorstellen.

»Wir erleben zurzeit eine doppelte Notlage der Kliniken, einerseits geht vielen Krankenhäusern unter anderem aufgrund gestiegener Kosten inzwischen das Geld aus und andererseits fehlt überall notwendiges Fachpersonal, was zu immer deutlicheren Einschätzungen der Behandlungskapazitäten führt«, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Janosch Dahmen dem SPIEGEL: »Es reicht deshalb nicht, dass Politik durch dringend benötigte finanzielle Hilfen nur für ausreichend Liquidität der Kliniken sorgt, wir müssen auch sicherstellen, dass wir nicht in eine anhaltende Versorgungskrise kommen, wo Menschen notwendige medizinische Behandlungen im Krankenhaus nicht oder nicht rechtzeitig genug erhalten.«

Im Winter wird es deshalb zunächst darum gehen, die nächste Coronawelle unter Kontrolle zu bringen. »Konsequente Pandemiebekämpfung ist vor dem Hintergrund wiederkehrender, kritischer Personalausfälle kurzfristig eine alternativlose Voraussetzung, um die Personalnot im Gesundheitswesen überhaupt angehen zu können«, so Dahmen.

mfh

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